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Ingo Schmitt
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Frage von eberhard b. •

Frage an Ingo Schmitt von eberhard b. bezüglich Recht

sehr geehrter Herr Schmitt,,

welche haltung haben Sie zum gruppenantrag bezüglich der rehabilitation der sogenannten kriegsverräter?
warum wird dieses längst fällige vorhaben nicht umgehend umgesetzt, bevor noch der letzte betroffene verstorben ist?

gruss
eberhard bingel

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bingel,

herzlichen Dank für Ihre Fragen vom 19. Juni 2009, die ich hiermit gerne beantworte:

Die Bewältigung und Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts beschäftigt die CDU/CSU-Fraktion auch mehr als 64 Jahre nach dem Ende des verbrecherischen NS-Regimes immer noch. Ich begrüße daher, den am 2. Juli 2009 vorgelegten Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhgÄndG). Der Entwurf (Drucksache 16/13654) sieht vor, die Strafvorschriften des Militärstrafgesetzbuches wegen Kriegsverrats ebenfalls in das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) aufzunehmen.

Eine pauschale Aufhebung von NS-Strafurteilen ist bereits in zwei Gesetzgebungsverfahren erfolgt. Durch das NS-AufhG vom 25. August 1998 wurden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Regelbeispiele im Gesetz erleichtern dabei die deklaratorische Feststellung durch die Staatsanwaltschaft, dass ein bestimmtes Urteil aufgehoben ist. Für die von den Regelbeispielen nicht erfassten Fälle ist eine Einzelfallprüfung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich. Der Gesetzgeber hat diese Regelbeispiele mit Gesetz vom 23. Juli 2002 nochmals erweitert und darin die §§ 175, 175 a RStGB (Urteile gegen Homosexuelle) sowie einzelne Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches (u.a. Desertion, Feigheit vor dem Feind, Unerlaubte Entfernung) aufgenommen. Der Gesetzgeber hatte noch bei dieser letzten Änderung des NS-AufhG, also zu Zeiten, in denen Rot-Grün Regierungsverantwortung trug, bewusst davon abgesehen, Verurteilungen wegen Kriegsverrats nach dem Militärstrafgesetzbuch per se als nationalsozialistisches Unrecht zu qualifizieren und pauschal aufzuheben, weil er der Auffassung war, dass die Aufhebung dieser Urteile ohne Einzelfallprüfung nicht verantwortbar sei. Es komme nämlich darauf an, ob es infolge des Verrats zusätzliche Opfer unter der Zivilbevölkerung und/oder deutschen Soldaten gegeben habe oder ob derartige Opfer durch den Verrat gerade vermieden worden seien. An dieser Sichtweise haben bisher alle Bundesregierungen und die jeweiligen politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag bis in diese Legislaturperiode hinein festgehalten.

Neuere Erkenntnisse von Historikern und Rechtswissenschaftlern haben die CDU/CSU-Fraktion nunmehr veranlasst, diese Haltung aufzugeben. Denn alle bisher untersuchten Fälle zeigen, dass sowohl Soldaten als auch Zivilisten für ganz unterschiedliche Handlungen wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt wurden: eine politisch widerständige Gesinnung, Solidarität mit verfolgten Juden, Hilfe für Kriegsgefangene oder Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzten. Fälle, denen zufolge als "Kriegsverräter" Verurteilte zum Nachteil Dritter gehandelt hätten, sind bislang nicht nachgewiesen worden. Hinzu kommen neuerdings Stimmen aus der Rechtswissenschaft, die den Tatbestand des Kriegsverrats, so wie ihn die Nationalsozialisten gestaltet hatten, aus diesen Gründen für mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar halten. Deshalb muss man gegenwärtig davon ausgehen, dass der Tatbestand des Kriegsverrats als Instrument der NS-Justiz fungierte, um willkürlich nahezu jedwedes politisch missliebige Verhalten mit dem Tode bestrafen zu können.

Unter Berücksichtigung dieser historisch-ethischen und juristischen Gründe halte ich eine pauschale Aufhebung von Verurteilungen wegen "Kriegsverrats" nunmehr für geboten. Denn die Menschen, die damals verurteilt worden sind, hatten meines Erachtens zwar Widerstand geleistet, aber keinen Kriegsverrat begangen. In einer Sondersitzung am 26. August 2009 soll der Gesetzentwurf von den Parlamentariern beschlossen werden. Ich hoffe, dass es noch in dieser Legislaturperiode zu einer pauschalen Rehabilitierung der sogenannten "Kriegsverräter" kommt und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ingo Schmitt, MdB