Frage an Ingbert Liebing von Bernd B. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Ingbert Liebing,
die Bundesregierung möchte die Alternativenergien ausbauen. Nun ersetzen 50000 Windkraftanlagen kein herkömmliches Kraftwerk und auch Solarstrom ist in Deutschland extrem ineffektiv. WKA schädigen die Umwelt, weil z.B. Vögel vergrämt werden oder an den Anlagen verunglücken. Viele Menschen leiden an den Folgen von Infraschall durch WKA, der nachweislich in den Häusern deutlich verstärkt wird. Setzen Sie sich für Pufferzonen,. die einen Mindestabstand von 2000 Metern von Ortschaften zu WKA beinhalten, ein? Nach den Europäischen Richtlinien (FFH, Vogelschutzrichtlinie) wären für SPA- und Natura 2000-Gebiete ebenfalls Pufferzonen von mindestens 2000 Meter unabdingbar. Leider wierden diese Richtlinien in der Praxis nicht wirkungsvoll umgesetzt. Was ist Ihre Meinung zu dem Thema?
Freundliche Grüße
Bernd Baumgart
Sehr geehrter Herr Baumgart,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 28.03.2011, in der Sie die aus Ihrer Sicht kritischen Aspekte des Ausbaus der Windenergie schildern.
In meinem Wahlkreis Nordfriesland und Dithmarschen-Nord ist bei vielen Menschen bekannt, dass ich mich in meiner Arbeit im Deutschen Bundestag engagiert für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die zu diesem Zweck notwendige Schaffung positiver Rahmenbedingungen einsetze. Angesichts der dramatischen Bilder des Atomunglücks, die uns aktuell aus Japan erreichen, werden wir noch stärker angetrieben, noch schneller aus der Kernenergie aus- und auf die erneuerbaren Energien umzusteigen sowie den bereits geplanten Systemwechsel in der Energieversorgung zu forcieren. Die von der Bundeskanzlerin anvisierte Energiewende mit Augenmaß findet meine volle Unterstützung.
In Ihrem Schreiben sprechen Sie gesundheitliche Folgen an, die Menschen infolge des Infraschalls durch Windkraftanlagen erfahren, sowie die Folgen, wenn Vögel in die Rotoren der Anlagen geraten. Ihre diesbezügliche kritische Sicht teile ich nicht und möchte Ihnen diese im Folgenden begründen:
1. Infraschall
Eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts (Quelle: http://edoc.rki.de/documents/rki_ab/re67flHRghoUo/PDF/22wFEQ7q9U2VE.pdf ; Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2007 • 50:1582-1589 DOI 10.1007/s00103-007-0407-3 Online publiziert: 30. November 2007) kommt im "Privatbereich" mit Blick auf Emissionen von Windkraftanlagen, die teilweise sehr nah an Wohngebieten aufgestellt wurden, zu dem Ergebnis, dass die in diesem Zusammenhang von Bundesländern, Verbänden der Windenergiebranche und Umweltschutzorganisationen durchgeführten Studien zusammenfassend ergeben, "dass die festgestellten Infraschallpegel von Windkraftanlagen unterhalb der normalen Wahrnehmungsschwelle liegen" - wobei das RKI auch darauf hinweist, dass in diesem Zusammenhang auch "an die besonders sensitiven Personen gedacht werden" müsse. Den Einschätzungen des RKI hinsichtlich möglicher individueller und nominaler Wahrnehmung von Emissionen aus Windkraftanlagen kann ich durchaus folgen, allerdings kann ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen in meinem Wahlkreis bislang nicht von massiver Beeinträchtigungen dieser Form berichten.
2. Vogelsterben
Es ist richtig, dass insbesondere von Seiten der Umweltschützer der Aufbau von Windenergieanlagen mit der Begründung kritisiert wird, dass diese zu einem massenweise Verenden von Vögeln führten. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesumweltministerium das Projekt "Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge" gefördert, an dem verschiedene Institutionen beteiligt waren. Das Projekt endete am 31.12.2010, die zentralen Ergebnisse wurden am 8.November 2010 präsentiert, ein Projektbericht erscheint in der zweiten Hälfte 2011. Insgesamt hat das Projekt die Kenntnisse über die Gefahr von Kollisionen von Greifvögeln mit Windkraftanlagen verbessert. Obwohl anhand der Daten (bis zum Jahr 2006) kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Windkraft und den Beständen der Greifvögel nachgewiesen werden konnte, wird derzeit an Empfehlungen für die Windkraftplanung gearbeitet. Angesichts der Erfahrung in meinem Wahlkreis mit mehr als 1.000 Windkraftanlagen vermag ich Ihre kritische Schilderung jedenfalls nicht nachvollziehen.
Vor diesem Hintergrund kann ich einer möglichen Forderung nach eine Pufferzone in Form eines Mindestabstands von 2000 Metern von Ortschaften zur Windkraftanlage nicht folgen und möchte in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Abstandserlass der Landesregierung Schleswig-Holstein hinweisen, der geringere Werte vorsieht. In der Praxis würden unter einer von Ihnen geforderten Vorgabe kaum noch Windenergieanlagen gebaut werden können. Eine solche Reglung widerspräche also den energie- und klimapolitischen Zielen der Bundesregierung. Wir müssen zwar eine offene Diskussion hinsichtlich der Konsequenzen führen, die mit einem schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie verbunden sind. Hierbei geht es meiner Meinung nach aber stärker um folgende Stichpunkte: Die Akzeptanz von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und deren Zubau, den kostenintensiven Ausbau der Netze zu Gunsten der erneuerbaren Energien und das Risiko möglicher Stromlücken in einer Industrienation wie Deutschland.
Ich hoffe, meine Ausführungen waren von Interesse und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ingbert Liebing, MdB