Wo und wie soll der Politik- und Verwaltungsbereich „Ernährung" Ihrer Meinung nach in der nächsten Legislatur angemessen abgebildet werden?
Berlin braucht dringend eine ressortübergreifende Ernährungspolitik. Ernährung ist ein komplexes Querschnittsthema mit essentieller Bedeutung und betrifft zahlreiche Ressorts, von Sozialpolitik über Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz, Bildung bis hin zu Stadtplanung und Wirtschaftsförderung.
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Ernährungspolitik ist aktuell in der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung angesiedelt. Hier haben wir mit der Koalition einige Erfolge auf den Weg bringen können. Zentral ist die Berliner Ernährungsstrategie, die auf mehr Regionalität, Nachhaltigkeit und Fairness setzt. Letztlich geht es um gesundheitsfördernde Ernährung, die sich alle unabhängig vom Geldbeutel leisten können sollen. Zuletzt haben wir Anfang September das Saubere-Küchen-Gesetz beschlossen, das vor allem für Verbraucher*innen einen großen Fortschritt darstellt. Damit gibt es (ab 2023) endlich Transparenz, ob Gaststätten Hygienestandards einhalten.
Nur wenige wissen, dass die Ernährungsindustrie neben Fahrzeugbau und Elektroindustrie eine der umsatz- und beschäftigungsstärksten Branchen in Berlin ist. Hier werden hochwertige regionale Spezialitäten sowie international bekannte Markenprodukte produziert, insbesondere in den Bereichen Röstkaffee, Süßwaren und Dauergebäck. Nicht zuletzt die Internationale Grüne Woche ist Ausdruck der ökonomischen Potenziale der Branche. In das wirtschaftspolitische Themenfeld „Ernährung“ gehört es auch, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Krisenfall sicherzustellen. Das erfolgt seit 2017 durch das Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz. Eine im Dezember 2020 unterzeichnete Verwaltungsvereinbarung regelt die Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern.
Im April 2019 hat das Abgeordnetenhaus das Qualitätspaket Schulverpflegung beschlossen. Damit wird die Qualität des Schulmittagessens nachhaltig verbessert. Wir haben durchgesetzt, dass das Schulessen in der Primarstufe für Eltern seit dem Schuljahr 2020/21 kostenfrei ist. Wir haben auch mit dafür gesorgt, dass die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung umgesetzt werden und die Musterausschreibung verbindliche Vorgaben zu Bio-Qualität, Saisonalität, Nachhaltigkeit sowie ökologischen und fairen Handel enthält. Ich habe aktiv daran mitgearbeitet, das so umzusetzen. So setze ich mich seit vielen Jahren für fairen Handel ein, auch meine Initiative hat es möglich gemacht, dass Berlin inzwischen anerkannte Fairtrade-Town ist. Diese Stadt hat in Sachen Nachhaltigkeit eine besondere Vorbildfunktion und sollte hier mit gutem Beispiel voran gehen – auch und gerade beim Schulmittagessen.
Ferner hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, dass Berlin Bio-Stadt wird, seit Juni 2019 gehört unsere Stadt nun zum Netzwerk der Deutschen Biostädte.
Ernährungswirtschaft/Ernährungspolitik ist immer auch eine Frage von Vergaben und Beschaffung. Nur wenn uns die Kooperation der relevanten Akteur*innen über die Politik hinaus gelingt, entfaltet das Steuerungspotenzial der Berliner Verwaltung seine Wirkung für eine sozial-verantwortliche nachhaltige Beschaffung.
Die von mir genannten Beispiele zeigen, dass längst ressortübergreifend gehandelt wird. Das ist auch entscheidend, um die Ernährungswende hinzubekommen. Gleichwohl geht es immer auch noch besser. Insofern werde ich mich bei künftigen Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen, dass wir die Rahmenbedingungen für eine gelingende Ernährungswende schaffen. Berlin hat einen großen Bedarf an regionalen, biologisch erzeugten und das Tierwohl beachtenden Lebensmitteln. Mir sind vor allem Konzepte wichtig, wie alle Einkommensgruppen an Klimaschutz und gesunder, nachhaltiger regionaler Ernährung teilhaben können.