Liebe Frau Aigner, ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Prüfung der Verfassungstreue der AfD beim Bundesverfassungsgericht beantragen würden. Finden Sie das sinnvoll? Viele Grüße, C. M.
Sehr geehrte Frau M.
ich danke Ihnen für Ihre interessante Frage. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist ein hohes Gut, das es gilt, mit allen Mitteln zu bewahren und zu verteidigen. Auch die politischen Parteien haben dies zu beachten. Deshalb muss eine wehrhafte Demokratie verfassungsfeindliche Parteien auch bekämpfen können. In unserem Rechtsstaat ist hierfür das sog. Parteiverbotsverfahren vorgesehen, das in Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes verankert ist. Nur das Bundesverfassungsgericht, unser höchstes deutsches Gericht, kann eine Partei für verfassungswidrig erklären.
Ein Parteiverbotsverfahren unterliegt hohen Hürden. Für ein solches Verfahren sind nur der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung antragsberechtigt. Ein Parteiverbotsverfahren hat überhaupt nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Partei nicht nur verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, sondern derart kämpferisch und aggressiv auftritt, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele – u.a. Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – nicht völlig aussichtslos erscheint.
Bislang hat das Bundesverfassungsgericht erst zweimal ein Parteiverbot ausgesprochen: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands verboten. In den letzten 20 Jahren wurde zweimal gegen die NPD ein Verbotsverfahren angestrengt, zuletzt 2017: das Verfahren blieb erfolglos, da das Verfassungsgericht keine Anhaltspunkte sah, dass die NPD ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch erfolgreich durchsetzen könne.
Ein erfolgloses Parteiverbotsverfahren kann eine Partei auch stärken. Deshalb hielte ich die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens – zumindest derzeit – nicht für sinnvoll.
Beste Grüße,
Ilse Aigner