Frage an Ilse Aigner von Mark W. bezüglich Verbraucherschutz
Auf heise online werden Sie mit "Es erschreckt mich schon, wenn ein Unternehmen nicht einmal Respekt vor privaten Daten seiner Kunden und unbeteiligter Dritter hat" gegenüber dem Focus zitiert.
Wie sehen dazu den fehlenden Respekt des deutschen Staates gegenüber seinen Bürgern, wie z. B. mit ELENA, dem großen Lauschangriff, der Vorratsdatenspeicherung, ELSTER, die Einführung von DNA-Datenbanken und biometrischen Pässen einführt, und dessen Regierung, die die SWIFT-Daten durch die USA tunneln will, damit sie indirekt Zugriff darauf kriegt.
Können Sie den Unterschied des mangelndes Respekts des Staates zu dem mangelnden Respekt von Google gegenüber den privaten Daten erklären? Und warum wollen Sie die Privatsphäre gegenüber Google stärken und gegenüber dem Staat aufheben? Wie erklären Sie sich, daß die Daten von Google besser geschützt sind, als die Daten der Mitarbeiter von mehrheitlich im Staatsbesitz befindlichen Unternehmen, wie Deutsche Bahn?
Sehr geehrter Herr Wolf,
vielen Dank für Ihre Frage.
In den vergangenen Wochen haben mich zahlreiche Zuschriften zu diesem Thema erreicht, wobei in vielfach die Sorge um die Privatsphäre angesichts der systematischen Veröffentlichung privater Hausansichten zum Ausdruck gebracht und der Einsatz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzes (BMELV) für den Schutz der Privatsphäre gegenüber entsprechenden Internetdiensten begrüßt wird. Viele Menschen in Deutschland haben mittlerweile Widerspruch gegen die Veröffentlichung von Ansichten des von ihnen bewohnten Hauses in Google Street View eingelegt, was formlos per E-Mail an streetview-deutschland@google.com oder per Briefpost an Google Germany GmbH, Betr. Street View, ABC-Straße 19, 20354 Hamburg, möglich ist.
Der Schutz der Privatsphäre ist ein wichtiges Anliegen des BMELV. Diese Privatsphäre ist betroffen, wenn Unternehmen flächendeckend Aufnahmen von Häusern und Gärten machen, um diese Fotos und Adressen anschließend weltweit zu vernetzen und zu vermarkten. Selbstverständlich gibt es viele Menschen, die Dienste mit Straßenansichten im Internet interessant finden und gerne nutzen möchten. Wichtig ist dabei aber, dass die Wahlfreiheit des einzelnen gewahrt bleibt. Die systematische Veröffentlichung und Recherchierbarkeit jedes Hauses ganzer Städte ist nicht zu vergleichen mit der Darstellung eines Hauses, z.B. für eine Postkarte. Im Internet kann man Adressen gezielt recherchieren, Postkarten fallen einem zufällig in die Hände und haben auch eine wesentlich geringere Verbreitung als Internetdienste.
Auch private Anwendungen wie Google Street View müssen die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz berücksichtigen. Bei Google Street View stellt sich das Problem, dass unklar ist, zu welchen weiteren Zwecken die Daten genutzt werden sollen, mit welchen anderen Daten sie verknüpft werden können und welche neuen Erkenntnisse sich hieraus ergeben können. Die Daten sind weltweit für unbegrenzte Zeit einsehbar.
Das BMELV erwartet daher, dass Google und vergleichbare Anbieter alle Widersprüche von Betroffenen ernst nehmen und diese Grundstücke, Gebäude und Häuser nicht in ihren Dienst aufnehmen bzw. bei nachträglichem Widerspruch von ihren Seiten aus dem Netz löschen. Des Weiteren halten wir es für erforderlich, dass Personen und Kraftfahrzeuge effektiv unkenntlich gemacht werden. Dies ist derzeit bei den bereits in Google Street View eingestellten Straßenansichten nicht immer der Fall.
Viele Bürger sind irritiert darüber, dass Google auf Widersprüche per E-Mail mit einer automatischen Antwort-Mail reagiert, in der angekündigt wird, nochmals auf den Absender zuzugehen, damit dieser das betroffene Objekt genauer identifiziert. Der Hintergrund hiervon ist, dass bei den Aufnahmen von Google die Hausnummern der Häuser zum Teil nicht erkennbar sind, was zum Schutz der Daten auch sinnvoll ist. Daher entwickelt Google derzeit noch ein elektronisches Werkzeug, mit dem die Betroffenen das von ihnen bewohnte Haus vor der Veröffentlichung des Dienstes identifizieren können. Wie diese Identifizierung ohne Internetzugang ermöglicht werden soll oder ob Google in diesen Fällen die genaue Identifizierung selbst vornimmt, steht noch nicht fest. Aber selbstverständlich muss Google auch die per Post eingereichten Widersprüche umsetzen.
Die Praxis hierzu wird das BMELV genau beobachten. Wichtig ist uns dabei vor allem im Ergebnis, dass die Widersprüche vor der Veröffentlichung ohne größeren Zusatzaufwand seitens der Betroffenen berücksichtigt werden.
Hintergrund des Engagements des BMELV für einen effektiven Datenschutz bei der systematischen Veröffentlichung von Hausansichten im Internet ist, dass wir hier am Anfang einer völlig neuen Entwicklung stehen. Künftig wird es für jedermann möglich sein, mithilfe von Daten aus dem Internet innerhalb von Sekunden komplette Personenprofile zu erstellen. Es ist ein großer Unterschied, ob die Menschen, die persönlich an einem Haus vorbei gehen, die Außenansicht sehen können oder ob die Ansichten privater Häuser weltweit recherchierbar werden. Für äußerst problematisch halten wir in diesem Zusammenhang auch die Aufnahmehöhe von 2,90 Meter, da hierdurch teilweise Bereiche betroffen sind, die von Passanten nicht eingesehen werden können. Dies betrifft nicht nur den Blick über die Hecke, sondern auch z.B. den Blick in Erdgeschosswohnungen/Hochparterre.
Wesentlich ist auch die Frage, mit welchen weiteren Informationen Internet-Straßenansichten verknüpft werden können. Äußerst bedenklich wäre eine Verknüpfung mit Gesichtserkennungsdiensten, wie sie gegenwärtig entwickelt werden. Auch Adressdaten oder Namen aus anderen Quellen sollten nicht mit den zugehörigen Gebäuden verknüpfbar sein, es sei denn, jemand wünscht dies ausdrücklich, etwa um für sein Hotel zu werben.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass es dem BMELV natürlich nicht nur um Google geht, sondern um alle Unternehmen und Institutionen, die systematisch ganze Städte fotografieren, um die Bilder im Internet zu veröffentlichen und vermarkten.
In diesem Sinne hoffen wir, dass sich diese und andere neue Internetdienste im Interesse der Nutzer weiter entwickeln werden unter Beachtung der schutzwürdigen Interessen des Einzelnen.
Falls Sie weitere Fragen zum Thema haben, dann können Sie zusätzliche Informationen im Internet unter www.bmelv.de abrufen oder wenden Sie sich damit bitte an mein Ministerium. Auf der Plattform "Abgeordnetenwatch" können interessierte Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen, die mein Abgeordnetenmandat betreffen. Ich bitte Sie, zukünftig darauf Rücksicht zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB