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Hüseyin Aydin
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Frage von Diego F. •

Frage an Hüseyin Aydin von Diego F. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Aydin,

wollen Sie die soziale Marktwirtschaft überwinden und diese durch eine sozialistische Planwirtschaft ersetzen? Man findet von ihrer Partei folgende Zitate: "Die Wirtschaft muss mit Hilfe eines [...] staatlichen Rahmens [...] nachhaltig in zukunftsweisende Bahnen gelenkt werden."Und weiter: "Es ist der Staat, der viel mehr Arbeitsplätze schaffen muss."

Wollen Sie die Medienfreiheit abschaffen? Lafontaine fordert: "Die Überführung der Privatsender in öffentlich-rechtliche Trägerschaft wäre mein Herzenswunsch. [...] Ein Fortschritt wäre schon eine Regulierung dergestalt, dass der Gesetzgeber fernsehfreie Tage einführt." Kürzlich bekräftigte er: "Wir brauchen [...] eine Demokratisierung der Medien. [...] Eine freie Presse kann nicht in der Hand der Wirtschaft sein."

Wie wollen Sie als Sozialisten ihre ganzen Versprechungen bezahlen?

Sie fordern den Ausbau öffentlicher und sozialer Leistungen, die Anhebung öffentlicher Investitionen und anderer Ausgaben um mindestens 40 Milliarden Euro jährlich, die Steigerung der Ausgaben für das Bildungswesen auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts, gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder, die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, eine Ausbildungsförderung für Jugendliche ohne Rückzahlungsverpflichtung, einen Rechtsanspruch auf lebensbegleitendes Lernen für Erwachsene und eine höhere Rentenanpassung durch eine veränderte Rentenformel.
Um diese milliardenschweren Vorhaben zu realisieren, ist es nach Ansicht der Linkspartei keineswegs notwendig, länger und härter zu arbeiten. Im Gegenteil: Alles soll möglich sein, bei gleichzeitiger Reduzierung sowohl der Wochen-, als auch der Lebensarbeitzeit. Bei vollem Lohnausgleich und einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 1.400 Euro brutto werden die 30-Stunden-Woche und der Renteneintritt mit 60 Jahren angestrebt.

Mit freundlichen Grüßen

Diego Faßnacht

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Faßnacht,

ein Zurück zur stalinistischen Planwirtschaft, wie sie in der DDR bestand, widerspricht den Zielen der LINKEN. Unter dem SED-Regime regierte eine kleine bürokratische Schicht auf dem Rücken der Arbeiter und Angestellten. Dies war auch der Grund, warum die kleinen Leute das System zu Fall brachten. 1989 begann eine Revolution gegen die Honecker-Diktatur. Dessen Sturz weine ich keine Träne nach.

DIE LINKE stellt sich nicht in die Tradition so genannter kommunistischer Regime. Wir sind vielmehr eine Partei, die die Zerstörung der sozialstaatlichen Errungenschaften der 50er, 60er und 70er Jahre nicht hinnehmen will. Es ist völlig klar, dass dies auch eine Erhöhung der Staatsquote mit sich bringen muss. Es ist nicht einzusehen, dass große Energiekonzerne durch ständige Preiserhöhungen immense Profite machen, während 2,5 Millionen Kinder in Familien leben, die aus eigener Kraft die Heizrechnung nicht mehr bezahlen können. Es ist nicht einzusehen, warum die mit Steuergeldern aufgebaute Bahn nun an Kapitalgruppen verscherbelt wird, und aus diesem Grund ganze Regionen vom Fernnetz abgekoppelt werden.

Die Arbeiter und Angestellten zahlen doppelt für die Privatisierung vormaliger Staatsunternehmen. Als Konsumenten müssen mit steigenden Preisen und einem unübersehbaren Tarifdschungel kämpfen, am Arbeitsplatz müssen sie aufgrund massiven Stellenabbaus eine immer höhere Arbeitsverdichtung hinnehmen. Sofern sie nicht selbst den Arbeitsplatz verlieren! Es ist nicht einsehbar, dass in einer Republik, in der der Reichtum stetig wächst, für die Menschen am Ende immer weniger übrig bleibt.

Damit komme ich zum letzten Punkt, der Finanzierbarkeit unserer Reformvorschläge. Das Grundproblem ist, dass unter den Regierung Kohl, Schröder und Merkel die Staatskasse systematisch zugunsten der Reichen und ihrer Unternehmen geplündert worden ist. Beispiel Unternehmenssteuerreform 2008: Die Großverdiener können sich über die Absenkung der Kapitalertragssteuer von 25 auf 15 Prozent freuen, über die Absenkung der Gewerbesteuermesszahl von 5 auf 3,5 Prozent, und über die Einführung einer Kapitalabgeltungssteuer. Bei dieser sollen Einkommen aus Kapital mit nicht mehr als maximal 25 Prozent besteuert werden.
Die Bundesregierung gibt die aus der Unternehmenssteuerform hervorgehenden Verluste für die öffentliche Hand mit 5 Milliarden Euro an. DIE LINKE hat nachgerechnet und kommt auf mindestens 10 Milliarden, die nun in der Staatskasse fehlen. Andere Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind die Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen (Gewinn für die Stromkonzerne: 260 Millionen Euro), die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen (entspricht 2,4 Milliarden Euro) oder die weitgehende Abschaffung der Erbschaftssteuer für vererbte Unternehmen.
Die Liste ließe sich um viele, viele Beispiele verlängern. Ich erinnere nur an die jahrelang in Etappen betriebene Absenkung des Spitzensteuersatzes, die Abschaffung der Vermögenssteuer unter Kanzler Kohl oder die große Unternehmenssteuerreform der Regierung Schröder, die auf die Besteuerung von Fusionsgewinnen verzichtete. Viele der Milliarden, die heute von deutschen Unternehmen an den Börsen verzockt oder in Steueroasen geparkt werden, hat der Staat geschenkt. Diese Gelder sind es, die den Kindergärten, den Schulen oder den Krankenhäuser fehlen.
Alle unsere Vorschläge für eine sozialere Republik ließen sich ohne weiteres finanzieren, würden die Besteuerungsmaßstäbe der 80er Jahre zugrunde gelegt werden. Das aber ist eine Frage des politischen Willens. Sollen in Zukunft weiterhin die Armen und Beschäftigten für die zunehmende Abgabenentlastung der Unternehmen und Reichen bezahlen? Oder sollen die Manager und Kapitalbesitzer ihrerseits endlich wieder einen angemessen Teil zur Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben beitragen? Ich, wie DIE LINKE insgesamt, trete für letzteres ein. Wir versprechen kein unbezahlbares Wolkenkuckucksheim, sondern kämpfen für die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme und die Rückkehr zur paritätischen Sozialversicherung ein. Das war in den 70er Jahren finanzierbar. Und es ist auch heute finanzierbar, da das Bruttosozialprodukt seitdem nahezu ununterbrochen am Wachsen ist.