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Hüseyin Aydin
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Frage von Luis Alberto Fernández V. •

Frage an Hüseyin Aydin von Luis Alberto Fernández V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Herr Abgeordneter,

ich habe Ihren Beitrag zum Thema „Verfassung – Patriotismus – Leitkultur“ gelesen und meine, der von Ihnen verwendete Ausdruck „Verfassuhngspatriotismus“ könnte zu Mißverständnissen führen, da er von anderen falsch ausgelegt wird. Denn viele verstehen darunter „Staats- und Gesinnungstreue“. Dabei wissen vielleicht die Allerwenigsten, daß Karlsruhe sowohl Bürger als auch die übrigen Einwohner in der BRD im Wege der Erweiterung des Religionsausübungsrechts von ausgerechnet dieser Staatstreue entbunden hat (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2000 zugunsten der Zeugen Jehovas – BVerfGE 102, 370ff. Auf S. 395 dieses Urteils steht der Schlüsselsatz: „Der Grundrechtsträger muß sein Handeln nicht an den Interessen des Staats orientieren.“

Da dieses Recht für deutsche Staatsbürger gilt, gilt es auch für diejenigen, die entweder keine Deutschen sind, die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen oder auch frisch Eingebürgerte sind.

Allerdings fehlt in diesem Land das hierfür erforderliche Unterscheidungsvermögen, um Rechts­treue von Staatstreue auseinanderzuhalten, was die Leitkultur- und Integrations-Debatte unheimlich erschwert. Ich frage mich, ob die Integrität der Türken und anderer ethnischer Gruppen, die ähnli­che Schwierigkeiten in Deutschland erleben, ohne den Appell besser gesichert werden kann, eine andere Nationalität als die deutsche verkörpern zu dürfen.

Ich schlage folgenden Ausweg aus der Orientierungslosigkeit vor: durch die Selbstfindung die För­derung des Selbstwertgefühls anzuregen. Damit kann die Erschließung der geistigen Fähigkeiten als Recht der hier niedergelassenen ethnischen Minderheiten gewährleistet werden und dabei auf den Appell an den Nationalismus verzichtet werden, den viele „Einheimische“ anstößig finden.

M.E. ist die sogenannte Parallelgesellschaft ein mehrheitlich gewolltes Ereignis.

Was halten Sie von diesem Vorschlag? Wie könnte er umgesetzt werden?

Portrait von Hüseyin Aydin
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Fernandez Vidaud,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die so genannte „Parallelgesellschaft“ existiert in der Realität nicht. Sie ist als ein Kampfbegriff der politischen Rechten eingeführt worden, um einseitig den Eingewanderten die Schuld für bestehende Defizite bei der Integration zuzuschieben.

Ich meine, dass in Deutschland aufgewachsene Kinder ganz gleich welchen familiären Hintergrunds automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollten, anderenfalls wird ihnen bereits in die Wiege gelegt, dass sie nicht wirklich dazugehören.
Die bestehenden Probleme können nur gelöst werden, wenn die Regierung endlich starke Integrationssignale setzt. 18 % der Kinder mit Migrationshintergrund brechen ihre Schullaufbahn ab, nur 23 % bekommen nach dem Verlassen der Schule eine Lehrstelle. Die aus diesem sozialen Elend entspringenden Probleme können weder abgeschoben, noch in Lagern den Kindern ausgetrieben werden. Im Gegenteil führt die Einrichtung von Erziehungslagern nach amerikanischem Vorbild, wie sie von einigen Politikern der Regierungsparteien gefordert wurde, zur Verrohung der Jugendlichen. Diesen geht es tatsächlich geht weder um die Integration von Jugendlichen, noch um die Sicherheit der Bürger, sondern um das Schüren von Ängsten und die Gewinnung von Stimmen verunsicherter Wähler.

Viel hängt von der kommunalen Ebene ab. So begrüße ich die Einrichtung von Stellen wie des Integrationsamtes in Duisburg, meiner Heimatstadt. Funktionierende Integration beruht auf der Beteiligung durch die Betroffenen und, wie Sie ganz richtig sagen „die Förderung des Selbstwertgefühles durch Selbstfindung“. Auf sich allein gestellt wird das neue Integrationsamt indessen nur eingeschränkt wirken können. Es kommt darauf an, dass eine integrationsorientierte Politik auch von anderen Ämtern wie jenem für Umwelt, Soziales, Jugend und Sport, Städteplanung und Kultur ausgeht. Von fachübergreifenden, überbehördlichen Arbeitsgruppen aus können Impulse für eine integrationspolitische Neuausrichtung der städtischen Politik geleistet werden. DIE LINKE setzt sich dafür ein, in den Haushalten der betroffenen Behörden entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Weiterführende Links:
http://www.hueseyin-aydin.de/article/198.21_februar_2007_politischer_aschermittwoch_in_duisburg_west.html?sstr=Parallelgesellschaft
http://www.hueseyin-aydin.de/article/338.kramer_hat_wahlkampf_der_hessischen_cdu_a_8222_zu_recht_mit_der_npd_verglichena_8220.html?sstr=Integration