Frage an Hüseyin Aydin von Martin F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Herr Aydin,
Sie sind Experte für internationale Politik und "Entwicklungshilfe". Trifft es ihrer Meinung nach zu, dass die Gelder, die zur Zeit durch das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit an unterentwickelte und andere (China) Staaten zahlt, vornehmlich dem Interesse der deutschen Wirtschaft dient. Ist es wahr, dass Missbrauch, z. B. die "Umwidmung" von Hilfsgeldern für militärische und dynastische Zwecke, an der Tagesordnung sind und die zuständigen Beamten und die Fachministerin offenen Auges die m.E. kriminellen Intentionen unterstützt? Was kann man mit Alternativen, z.B. Zahlungen nur noch an internationale Hilfsorganisationen, erreichen und wie weit ist es überhaupt möglich, sinnvoll Einfluss zu nehmen auf Entwicklungsländer?
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Feller
Sehr geehrter Herr Feller,
natürlich versuchen deutsche Unternehmen, ihre Interessen in Drittweltstaaten auch über die offiziellen Kanäle der Entwicklungspolitik durchzusetzen, es wäre jedoch zu kurz gegriffen daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass alle Entwicklungshilfe lediglich eine verkappte Außenwirtschaftsförderung sei. Es ist in diesem Zusammenhang auch völlig verfehlt, der Fachministerin oder den zuständigen Beamten gar kriminelle Absichten zu unterstellen. Zu den einzelnen Punkten:
1. Tatsächlich ist die Entwicklungspolitik sehr widersprüchlich in ihrer Ausrichtung. So werden auf der einen Seite mit Geldern des europäischen Entwicklungsfonds teure Berater bezahlt, die die tunesische Regierung zur Privatisierung des Staatsvermögens überreden sollen. Das lehnt DIE LINKE ab. Ebenso argumentieren wir dagegen, dass in Afghanistan der zivile Aufbau eng mit der militärische Besatzung des Landes durch die Bundeswehr und andere Truppen verzahnt ist.
2. Auf der anderen Seite stellen die Durchführungsorganisationen des Entwicklungsministeriums Gesundheitsbasisdienste in Kenia zur Verfügung, damit Schwangere in entlegenen Gebieten ihre Kinder im Hospital zur Welt bringen können. Im Jemen etabliert die GTZ im Auftrag des Ministeriums ein Wasserressourcenmanagement, um der rapiden Übernutzung der Grundwasservorräte in diesem trockenen Land entgegen zu wirken. All dies sind Projekte, die in ihrer Zielsetzung an der Bekämpfung der Armutsfolgen orientiert sind. Genau deshalb ist das Kapital ja auch dagegen, dass dafür mehr Mittel aus dem deutschen Staatshaushalt zur Verfügung gestellt wird.
3. Zu China ist zu sagen, dass es sich hierbei weder um ein Entwicklungsland, noch um ein Schwellenland, sondern um eine Großmacht handelt. DIE LINKE beurteilt die dort geförderten Projekte nach ihrem praktischen Nutzen, der zum Beispiel in Einzelfällen in der Errichtung umweltfreundlicher Energietechnik bestehen kann. Allerdings gibt es keinen Grund, solche Projekte allein aus dem Steuertopf der Bundesrepublik zu bezahlen. Hier geht es vielmehr darum, dass die deutsche technische Zusammenarbeit ihre Expertise einbringt.
4. Internationale Hilfsorganisationen werden auch aus den Töpfen der deutschen Entwicklungspolitik gefördert. So fließen 200 Millionen Euro oder zwei Drittel der Überweisungen an multilaterale Organisationen in den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Wichtig ist hierbei, dass angesichts der immensen Summen ein rigides Verteilregime nach klar definierbaren Kriterien das Korruptions- und Verschwendungsrisiko minimiert. Nicht jede internationale Hilfsorganisation kann man als förderungswürdig ansehen.
5. Was den Einfluss auf Entwicklungsländer angeht, so fällt dies nur bedingt in den Bereich der Entwicklungspolitik. Wer gute Regierungsführung als Voraussetzung für aktive Entwicklungspolitik betrachtet, müsste sich streng genommen für das Ende der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen. So wird in Äthiopien derzeit ein großes Programm zur Errichtung eines integrierten Bildungssektors durchgeführt. Zur gleichen Zeit führt das Land einen Besatzungskrieg in Somalia durch – mit Unterstützung von EU und USA. Dieser Zustand ist völlig inakzeptabel und muss entsprechend kritisiert werden. Ausgangspunkt muss die Solidarität mit den äthiopischen (und somalischen) Kräften sein, die auf friedliche und demokratische Konfliktlösung setzen. Es würde den Menschen in Äthiopien aber nichts helfen, wenn deshalb das große Bildungsprogramm ausgesetzt würde. Dies hinterließe nur ungenutzte Bauruinen.