Frage an Horst Arnold von Roland A. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Hr. Arnold,
Inwieweit dürfen/können Bürger ein Vertrauen in einen "rechtsverbindlichen Bebauungsplan" haben, wenn eine bayer. Gemeinde gemäß BauGB "§ 125 Bindung an den Bebauungsplan" hinter den Festsetzungen zurückbleiben darf.
Vielen Dank für Ihre Antwort
Hintergrund:
Eine bayerische Gemeinde kann rechtsverbindliche Bebauungspläne aufstellen, um ihre städtebauliche Entwicklung und Ordnung in der Gemeinde zu steuern.
Rechtsverbindliche Bebauungspläne werden von Gemeinden/Städten in enger Zusammenarbeit mit den Landratsämtern und/oder Regierungsbezirken erstellt, jedoch kann eine Gemeinde hinter ihren eigenen Festsetzungen zurückbleiben, da gemäß BauGB "§ 125 Bindung an den Bebauungsplan" Absatz 3
die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt wird, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und
1. die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleibt
Selbst wenn eine Gemeinde hinter den Grundsätzen zurückbleibt hat Sie das Recht der kommunalen Selbstverwaltung und übergeordnete Behörden haben keine Durchsetzungsmöglichkeit.
Häufig besteht aufgrund von verstrichenen Klagefristen für den bauwillige Bürger keine Möglichkeit, sein Interessen durchzusetzen.
Welches Vertrauen kann daher ein Bürger in einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan haben.
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Selbstverständlich können die Bürger Vertrauen in Bebauungspläne haben. § 125 BauGB, der im Übrigen für alle Gemeinden in Deutschland und nicht nur in Bayern gilt, regelt das Verhältnis zwischen Erschließung und Bebauungsplan; es geht also nicht darum, dass einem Bebauungsplan keine Rechtsverbindlichkeit zukommen soll. § 125 BauGB misst dem Bebauungsplan in zweierlei Hinsicht Bedeutung zu. Erstens hat der Bebauungsplan eine rein erschließungsrechtliche Bedeutung als Voraussetzung für die rechtmäßige Herstellung bestimmter Erschließungsanlagen, zweitens wird die von einem Bebauungsplan kraft seiner Stellung als Rechtssatz ausgehende planungskräftige Bindung bekräftigt. Mit dem erschließungsrechtlichen Planungserfordernis befassen sich § 125 Abs. 1 und 2, mit der planungsrechtlichen Bindung beschäftigt sich Abs. 3. Die beiden Ansätze der Regelung lassen sich nicht immer völlig voneinander trennen, was auch im Hinblick auf die wesentliche Bedeutung der Vorschrift nicht notwendig ist, da sowohl bei Verstößen gegen das erschließungsrechtliche Planerfordernis als auch gegen die planungsrechtliche Planbindung als Folge eine Erschließungsbeitragspflicht nicht entsteht. Das Entstehen der Erschließungsbeitragspflicht setzt vielmehr voraus, dass die Erschließungsanlage rechtmäßig hergestellt ist.
Setzt ein Bebauungsplan bestimmte Erschließungsanlagen fest, müssen diese grundsätzlich den Festsetzungen entsprechen, um rechtmäßig zu sein. Diese grundsätzliche Bindung wird durch den von Ihnen genannten § 125 Abs. 3 BauGB gelockert. Die in dieser Regelung enthaltenen Ausnahmen beruhen auf dem Gedanken, dass für den Beitragspflichtigen nur solche Abweichungen relevant sind, die die Belastung durch den Erschließungsbeitrag erhöhen. Grundvoraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans mit den Grundzügen der Planung vereinbar ist. § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB erlaubt eine Planabweichung, wenn die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben (Planunterschreitung). Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Straße weniger breit angelegt wird. Nach § 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ist eine Abweichung von den Festsetzungen de Bebauungsplans auch möglich, wenn die erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer planmäßigen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen (Planüberschreitung). Eine Mehrbelastung tritt insbesondere dann nicht ein, wenn sich die Gemeinde zur Übernahme der Mehrkosten verpflichtet. Die Gemeinde kann aber auch den entsprechenden Bebauungsplan ändern und in ihm die tatsächlich ausgeführten Erschließungsanlagen festsetzen.
Im Ergebnis kann ich die Kritik an § 125 BauGB, die möglicherweise auf eine Fehlinterpretation beruht, nicht teilen. Die Vorschrift ist ausgewogen und sorgt für Rechtssicherheit und Flexibilität. Die Ausnahmevorschrift in Abs. 3 halte ich für völlig angemessen, weil dem Beitragspflichtigen dadurch keine Nachteile entstehen. Abweichungen vom Bebauungsplan sind logischerweise für den betroffenen Bürger nur dann relevant, wenn er dadurch belastet wird. Das ist hier nicht der Fall. Im Übrigen werden Erschließungsbeiträge mit rechtsmittelfähigem Bescheid festgesetzt, so dass selbstverständlich gegen einen solchen Bescheid, der zugestellt werden muss, Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden kann.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten und dabei helfen, § 125 BauGB im Gesamtzusammenhang zu sehen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Arnold, MdL