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Frage von Andreas R. •

Frage an Holger Thärichen von Andreas R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Dr. Thärichen,

wie ist Ihre persönliche Haltung zum Thema Religionsunterricht in der Berliner Schule?

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Richter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richter,

das Thema "Religionsunterricht in der Berliner Schule" ist eines, das wir gerade in den letzten Jahren intensiv auch in der SPD diskutiert haben, das aber nach wie vor Kontroversen provoziert.

Meine persönliche Meinung ist, dass der Religionsunterricht eine wichtige und wertvolle Ergänzung zum regulären Schulunterricht sein kann - so habe ich ihn jedenfalls selbst als Schüler erfahren. Der - in diesem Fall christliche - Religionsunterricht kann ein Freiraum im schulischen Alltag sein, wo sich Schülerinnen und Schüler über Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens und christliche Werthaltungen austauschen und verständigen können.

Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass mit dem konfessionsgebundenen Religionsunterricht immer weniger Schülerinnen und Schüler erreicht werden. Und gerade eine Stadt wie Berlin, in der Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen und mit ganz verschiedenen religösen Überzeugungen leben, braucht eine Verständigung auf die inneren Grundlagen des Zusammenlebens über die Konfessionsgrenzen hinweg.

Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, dass Fach Ethik als reguläres Schulfach mit Beginn dieses Schuljahres einzuführen. Ich denke, dass diese Entscheidung richtig ist, weil es nicht sein kann, dass wir gerade bei der so wichtigen Frage der Wertevermittlung die Schülerinnen und Schüler nach Religionszugehörigkeit voneinander trennen und getrennt unterrichten. Was wir brauchen ist die Wertevermittlung im Klassenverband, die einen konfessionsübergreifenden Dialog ermöglicht. Jedes andere Modell würde den Herausforderungen für unser Schul- und Bildungssystem in einer multikulturellen Metropole nicht gerecht werden.

Den Religionsunterricht muss die Einführung des Faches Ethik keinesfalls schwächen oder verdrängen - im Gegenteil. Fragen des Gewissens, der Moral, der inneren Werthaltungen gelangen nun wieder verstärkt in das Bewußtsein der Schülerinnen und Schüler. An dieser erhöhten Sensibilität für Glaubens- und Gewissensfragen können auch die Religionsgemeinschaften mit ihren Unterrichtsangeboten anknüpfen. Und auch im Ethikunterricht selbst sollen ja die Religionsgemeinschaften die Möglichkeit erhalten, sich und ihre Glaubensinhalte vorzustellen. Hier können die Religionsgemeinschaften wieder Interesse für ihre Botschaften wecken, das in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr zurückgegangen ist.

Es wird nun darum gehen, den schulischen Alltag so auszugestalten, dass der Religionsunterricht seinen Stellenwert zumindest behält. Hier sind auch die Schulen in der Verantwortung, dem Religionsunterricht angemessene Zeitfenster zur Verfügung zu stellen.
Ich bin der Überzeugung, dass wir zu einem konstrutiven Miteinander von Ethik als regulärem Schulfach und konfessionsgebundenem Religionsunterricht kommen werden - zum Wohle einer solidarischen und toleranten Gesellschaft.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Holger Thärichen