Frage an Holger Ortel von Olaf W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Ortel,
Sie haben vielleicht Stefan Homburgs Kritik am ESM gelesen ( http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/schuldenkrise-retten-ohne-ende-11832561.html ). Er erklärt hier einige wichtige Punkte, wo jeder, den ich kenne, bei der Lektüre sofort ausgerufen hat: „Das kann doch nicht sein!“
Wie stehen Sie zu den einzelnen Kritikpunkten?
Dringlichkeitsbeschlüsse des Gouverneursrats sind ausdrücklich erlaubt. Der Bundestag wird erst dann um Zustimmung gefragt.
Der Gouverneursrat darf beschließen, dass der Ausgabekurs höher ist als der Nennwert. Die Haftungssumme kann so über 700 Milliarden Euro hinausgehen.
Der Vertrag beschränkt die Haftung nicht auf das Kapital zum Nennwert, das zusammen 700 Milliarden Euro beträgt, sondern auf das Kapital zum Ausgabekurs. Die Unterscheidung ist eminent wichtig, weil der Gouverneursrat beschließen darf, dass der Ausgabekurs den Nennwert übersteigt (siehe Artikel 8 Absatz 2). Die Haftungssumme kann so über 700 Milliarden Euro hinausgehen.
Der ESM kann die Liste der bisher vorgesehenen Instrumente durch Beschluss jederzeit erweitern.
Über die Mittel hinaus, die der ESM von den Mitgliedstaaten "abruft", kann er laut dieses Artikels unbeschränkt Kredite aufnehmen, auch durch Anleihebegebung an den Kapitalmärkten. Hierdurch werden - ohne Verwendung des Reizworts - "Eurobonds" eingeführt.
Durch die Nachschusspflicht muss Deutschland über seinen Anteil hinaus einzahlen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat seiner Einzahlungspflicht nicht nachkommt.
Alle Tätigkeiten des ESM sind jeder administrativen, gerichtlichen oder gesetzlichen Kontrolle entzogen. Der Vertrag eliminiert das Kontrollrecht vollständig.
Die Diskussion um eine Banklizenz für den ESM ist überflüssig. Der ESM ist von jeder Zulassungspflicht und Lizenzierungspflicht als Kreditinstitut befreit.
Die Mitglieder des ESM unterliegen einer unbegrenzten Geheimhaltungspflicht und Immunität. Das Kontrollrecht des Parlaments wird eliminiert.
mfg O. Wild
Sehr geehrter Herr Wild,
die Gefahren, die Sie im Zusammenhang mit dem ESM unter Verweis auf Veröffentlichungen erwähnen, sehe ich nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass der ESM-Vertrag verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt das ja auch. Das Parlament bleibt beteiligt und die SPD-Fraktion wird diese Möglichkeit zu nutzen wissen, um sich für eine verpflichtende Beteiligung privater Gläubiger, eine Finanztransaktionssteuer und sozialere Sparmaßnahmen in den gefährdeten Ländern einzusetzen. Dies alles tun wir mit dem Ziel, eine stabile gemeinsame Währung zu sichern und ein starkes wirtschaftliches aber vor allem soziales Europa zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Ortel (MdB)
Deutscher Bundestag
11011 Berlin