Frage an Holger Haibach von Christian M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Haibach,
folgende Zeilen sollten ihnen bekannt sein:
"Die soziale Herkunft von Menschen darf nicht über ihre Zukunft entscheiden. Aufstieg durch Bildung, so lautet unser gesellschaftspolitisches Ziel. Alle müssen einbezogen, keiner darf zurückgelassen werden. Armut beginnt allzu oft als Bildungsarmut. Die Teilhabe aller an Bildung und Ausbildung ist ein Gebot der Chancengerechtigkeit"
Zur Erinnerung: Sie stammen aus dem CDU Parteiprogramm.
Wie soll das mit den Studiengebühren vereinbar sein? Und bei einem Betrag von 500€ pro Semester kann auch nicht mehr von "sozial verträglichen Studiengebühren" gesprochen werden. Hinzu kommen Wohnungs- und Lebenshaltungskosten.
Selbstverständlich kann durch einen Studentenjob das nötige Zubrot verdient werden, doch mit den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen bleibt dafür kaum Zeit. Ich frage mich ernsthaft, wie die Ziele ihrer Partei unter einen Hut zu bringen sind! Immer frühere und immer schnellere Abschlüsse für welche die Studenten selbst aufkommen müssen? Ich denke nicht, dass man hier von "Chancengleichheit" und "gerechter" Bildungspolitik sprechen kann.
Ich bin auf Ihre Meinung zu diesem Thema gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de. Gerne beziehe ich zu Ihren Fragen bezüglich der Vereinbarkeit von Studiengebühren und dem CDU Parteiprogramm Stellung.
Das im Dezember beschlossene Grundsatzprogramm der CDU orientiert sich an den Grundwerten Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Diese Grundwerte spiegeln sich in der Bildungspolitik der CDU wieder. Dies möchte ich Ihnen anhand mehrerer Argumente verdeutlichen.
Meiner Meinung nach verletzen Studiengebühren nicht die Chancengleichheit. Durch ein System nachgelagerter Studiengebühren können Studierende nach Abschluss ihres Studiums und Aufnahme eines Berufs die finanziellen Beiträge nachträglich entrichten. Wenn die Finanzierung während des Studiums nicht oder nur schwer möglich ist, hat die Politik Möglichkeiten geschaffen, die ein nachträgliches Zahlen möglichen machen. Zudem vergeben schon jetzt viele Universitäten Stipendien an die besten Schulabsolventen und Studenten.
Da die Studiengebühren nur den Studienbedingungen und der Lehre zugute kommen, haben die Studenten nun aber höhere Qualitätsstandards im Studium und verfügen über ganz neue Einflussmöglichkeiten an ihren Universitäten. Bibliotheken haben länger offen, die Ausstattung wird modernisiert und neue HiWi-Stellen werden geschaffen. Die Qualität des Studiums wird somit insgesamt verbessert.
Sie beklagen die Höhe der Studiengebühren. Zunächst einmal bleibt es den Universitäten selbst überlassen, ob und wie viele Studiengebühren sie erheben. Dabei sind die maximal 500 Euro- Studiengebühren stets nur ein Anteil dessen, was ein Studium an Kosten aufwirft. Die Studenten beteiligen sich an der Finanzierung, sie übernehmen sie nicht vollständig. Meiner Meinung nach ist dies allen Nicht-Akademikern gegenüber fair und den Studenten zumutbar (siehe ersten Punkt). Allgemein lässt sich zudem sagen, dass die Hochschulen dazu angehalten sind, Transparenz zu wahren. Sie als Student können also erfahren, was mit Ihren Studiengebühren passiert. Wenn die Hochschule das Geld beispielsweise in die Forschung investiert oder Kosten gedeckt werden, die nichts mit dem Studium an der Universität zu tun haben, so wäre dies sicherlich nicht in Ordnung. Solange jedoch die Studenten von ihrer "Investition" profitieren, die Studienbedingungen verbessert werden und ein Mitspracherecht gewährleistet ist, kann ich Ihre Befürchtungen nicht unterstützen.
Weiterhin möchte ich auf die Erfahrungen anderer Länder und privater Hochschulen hinweisen. In den USA, in Großbritannien oder Italien gibt es schon länger Studiengebühren und dort hat die Einführung nicht zu geringeren Studentenzahlen geführt. Auch Privathochschulen, die teilweise vierstellige Semesterbeiträge erheben, studieren ähnlich viele Bafög-Empfänger wie an staatlichen Hochschulen. Im internationalen Wettbewerb brauchen die deutschen Hochschulen dringend mehr Geld. In anderen Nationen sind Studienbeiträge längst Standart. Nirgendwo ist es zu einem Rückgang der Studierendenzahlen oder zu sozialen Verwerfungen gekommen.
Darüber hinaus lässt die derzeitige Finanzlage des Bundes und der Länder der Politik keine große Wahlmöglichkeit. Es ist zu bezweifeln, dass die Bundesländer ohne Studiengebühren auskommen können. Die Alternative wäre eine weiter zunehmende Finanzierung durch den Steuerzahler. Ob dies gerechter wäre, wage ich zu bezweifeln. Gleichzeitig sind unsere Hochschulen unterfinanziert. Nach Expertenmeinung fehlen ihnen drei bis vier Milliarden Euro jährlich, ein Milliarde davon in der Lehre. Die Ausstattung von Bibliotheken, Hörsälen und Laboren hat sich verschlechtert. Auf einen Professor kommen im Durchschnitt 60 Studierende, während es in den USA zehn sind. In Deutschland wird länger als in anderen Ländern studiert und jeder vierte Student bricht sein Studium erfolglos ab.. Studienplätze sind eine Leistung, die nur Teile der Gesellschaft in Anspruch nehmen, aber viele andere mitfinanzieren. Heute übernehmen in Deutschland Nichtakademiker durch ihre Steuern bis zu 90 Prozent der akademischen Ausbildungskosten. Ein Eigenbetrag der Studierenden ist gerecht und legitim, da es Studium eine ganz persönliche, für jeden Einzelnen ökonomisch rentable Investition in die Zukunft ist. Hochschulabsolventen haben in der Regel ein höheres Einkommen und ein deutlich geringeres Risiko der Arbeitslosigkeit. Das Eigeninteresse der Akademiker an einer guten Ausbildung ist unübersehbar.
Durch sozial verträgliche Studiengebühren steigert sich die Qualität der Hochschulbildung in Deutschland, Studienzeiten werden kürzer, Studenten und Dozenten zufriedener. Die Hochschule wird zu einem Leistungserbringer, der Student zu einem echten Kunden.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach