Frage an Holger Haibach von Hildegard P. bezüglich Familie
Lieber Herr Haibach,
als Mutter, die sich der Erziehung ihrer 4 Kinder (jetzt im Teenageralter) gewidmet hat, sehe ich im geplanten Ausbau der Krippenplätze (wie auch im Wechsel vom Erziehungsgeld zum Elterngeld) eine total einseitige Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen. So ist Familienpolitik nur ein Ableger von Wirtschaftspolitik, die mit Gerechtigkeit allen Familien und Kindern gegenüber nicht das Geringste zu tun hat.
Ist es ein Fortschritt, auf das Niveau der ehemaligen DDR zurückzusteigen? Wollen wir Länder wie Schweden nachahmen, wo alle Frauen wegen hoher Steuern und Lebenshaltungskosten zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden und die Kinder nachweislich unter der Fremdbetreuung leiden? Wer fragt nach dem Wohl unserer Kinder?
Kann man von Wahlfreiheit sprechen, wenn es gar keine Wahl mehr gibt für Frauen, die sich als Mutter verwirklichen wollen, weil es für diesen Beruf weder ein Gehalt noch staatliche Förderung noch gesellschaftliche Anerkennung gibt?
Oder trifft Selbstverwirklichung nur auf die berufliche Karriere zu? Das haben uns die Feministinnen eingeredet. Wie kann die Erziehungsarbeit einer Mutter als geringer erachtet werden als die von Erzieherinnen, die dem Kind das wichtigste, was es braucht, nämlich Liebe und Bindung, gar nicht geben können?
Ich glaube, dass ein Umdenken nötig ist. Eine Ursache unseres Geburtenschwunds es, dass der Staat trotz Mahnungen des Bundesverfassungsgerichts weiterhin Kinderlosigkeit in seinen Renten- und Sozialgesetzen belohnt und Eltern bestraft. Hier müsste staatliche Förderung ansetzen, damit Kinder und Familien wieder die gesunde, geschützte und staatstragende Keimzelle der Gesellschaft werden oder es bleiben können.
Bitte, Herr Haibach, denken Sie über diese Fragen nach. Es geht uns alle an. Ich kenne sehr viele Menschen, denen das wichtig ist, auch in der CDU, und die mit der Richtung, die die Politik da einschlägt, nicht übereinstimmen.
Mit besten Grüßen,
Hildegard Piepenburg
Sehr geehrte Frau Piepenburg,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch. Gerne will Ihnen meine Positionen zu diesem Thema erläutern. Es freut mich sehr, dass Sie als Mutter auf eine Berufstätigkeit verzichtet haben, um sich voll der Erziehung Ihrer Kinder zu widmen. Dies war für Sie und Ihre Familie sicher eine richtige Entscheidung, die von außen nicht zu kritisieren ist.
Dennoch gibt es viele Frauen und Familien, die sich ein anderes Leben wünschen. Auch deren Bedürfnisse sollten angemessen berücksichtigt werden. Die von der SPD jüngst unterbreiteten Vorschläge des massiven Ausbaus von Tagesbetreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren halte ich in der vorgeschlagenen Form für falsch. Es kann nicht sein, dass familienpolitische Leistungen wie etwa das Ehegattensplitting abgeschafft und das Kindergeld dauerhaft eingefroren werden, um die Krippenplätze zu bezahlen. Dies würde eine einseitige Bevorzugung der Eltern von Kleinkindern bedeuten, während Eltern von Schulkindern oder Auszubildenden das Nachsehen haben.
Dennoch halte ich den Ausbau von Tagesbetreuungsangeboten für Kleinkinder und Kindergartenkinder sowie Horte für Schulkinder für notwendig. Dies darf nicht aus irgendwelchen ideologischen Gründen erfolgen, sondern um den Frauen bzw. Eltern die Wahlmöglichkeit zu geben. Viele junge Frauen wünschen sich heute Kinder, möchten aber ihren Beruf nicht ganz aufgeben, sondern auch ganz oder in Teilzeit weiterarbeiten. Diese Entscheidung haben wir zu respektieren und müssen den Frauen dazu auch die Chance geben. Im Übrigen hat in den letzten Jahren in gerade dieser Frage ein Mentalitätswechsel stattgefunden. Dies hat nichts mit mangelnder Kinderliebe zu tun, denn die Betroffenen machen sich in der Regel ihre Entscheidung nicht leicht und häufig bringt dies auch eine Reihe von persönlichen Problemen mit sich. Welcher Außenentstehende will entscheiden, was für eine Familie gut oder schlecht ist? Auch die Frage, on eine frühzeitige Betreuung im Kindergarten den Kindern schadet, wird von zahlreichen Wissenschaftlern sehr unterschiedlich beurteilt. Auch hier lässt sich eine Generalantwort geben, sondern dies lässt sich nur an der Person des Kindes und an seiner Entwicklung beurteilen. Gerade weil Kinder Individuen sind, sollten die Eltern die Entscheidung treffen können. Ich denke nicht, dass die Frauen heute keine Wahlmöglichkeit oder Arbeit oder Familienbetreuung mehr haben. Im Gegenteil: Gerade in den alten Bundesländern fehlen viele Tagesbetreuungsangebote, sodass viele Frauen nicht arbeiten können, obwohl sie dies möchten. Dies wiederum ist aus wirtschaftspolitischer eine Fehlentwicklung, denn heute stehen dem Arbeitsmarkt eine Menge sehr gut ausgebildeter junger Frauen mit Studium oder Ausbildung zur Verfügung, deren Potenzial nicht genutzt werden kann, wenn sie nicht mehr arbeiten können. Dies schürt nur Neid gegenüber den Männern und schafft gesellschaftliche Unzufriedenheit. Der Staat ist also aufgefordert, die eine wie die andere Seite zu fördern und nicht sich für nur eine Seite stark zu machen. Gerade für diesen notwendigen Ausgleich steht die Union, die beide Seiten anerkennt.
Noch ein Wort zu dem oft zitierten DDR-Vergleich: Dieser geht nach meiner Auffassung in die völlig falsche Richtung, da das DDR-System auf völlig anderen Voraussetzungen beruhte. Hier ging es im Wesentlichen um zwei Dinge: Zum einen sollten die Frauen nach der Geburt möglichst schnell an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, da in der DDR fast permanent Arbeitskräftemangel herrschte und einfach ihre Arbeitsleistung benötigt wurde. Zum anderen ging es darum, die Kinder möglichst frühzeitig durch eine Kinderbetreuung in die viel zitierte "sozialistische Gesellschaft" zu integrieren. Dies sind nun insgesamt zwei Punkte, die auf unser heutiges Leben nun überhaupt nicht mehr zutreffen. Insofern entbehrt der Vergleich jeder Grundlage.
Nach meiner Meinung müssen in den kommenden Jahren die familienpolitischen Leistungen dahingehend verbessert werden, dass diejenige, die sich bewusst für Kinder entscheiden eine echte Wahlmöglichkeit haben. Entscheiden sie sich für eine Betreuung in der Familie, so muss auch ein ausreichendes Familienentkommen sichergestellt werden, um wirtschaftliche Not zu verhindern. Es darf allerdings nicht dazu kommen, dass versucht wird, die verschiedenen Erziehungs- und Betreuungsformen gegeneinander auszuspielen. Dies wäre ein fatales Signal.
Seien Sie daher versichert, dass ich mich auch zukünftig für eine Familienpolitik einsetzen werde, die beiden Wünschen gerecht wird. Eine Bevorzugung jedweder Art lehne ich entschieden ab.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach