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Hermann-Josef Scharf
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Frage von Arndt W. •

Frage an Hermann-Josef Scharf von Arndt W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Was sagen Sie dazu, dass es in Luxemburg einen Mindestlohn von 9,08 Euro und in Frankreich von 8,27 Euro gibt, während man sich im angrenzenden Saarland immer noch über die Einführung des Mindestlohnes streitet und wie stehen Sie zum Mindestlohn? Sollte es eine Lohngrenze nach unten geben und wie sollte diese aussehen? Was meinen sie dazu, dass es laut DGB über 500.000 Aufstocker gibt, die zusätzlich zum Lohn noch Hartz IV beziehen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wiesner,

meine grundsätzliche Meinung zum Thema "Mindestlohn" können Sie in meiner Antwort (vom 09. Mai 2007) auf die Frage von Herrn Rieder nachlesen. Auch meine Ansicht zur Existenssicherung von Menschen mit niedrigen Einkommen habe ich dort schon dargelegt.

Zu meiner ablehnenden Haltung zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes stehe ich auch heute. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass ein Mindestlohn in Frankreich und Luxemburg gezahlt wird. Ein Vergleich nur auf dieser Ebene ist auch zu einfach. Die Arbeitsmärkte in Deutschland, Frankreich und Luxemburg sind nicht vergleichbar.

Das Bemühen um das Wohl jedes Einzelnen haben wir - trotz oft anders lautender Vorwürfe - auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht aus dem Blick verloren. Wir wollen, dass alle Menschen die in Deutschland arbeiten faire Löhne erhalten. Faire Löhne zu vereinbaren, ist Aufgabe der Tarifparteien. Wo es Verwerfungen durch ausländische Lohnkonkurrenz gibt, helfen wir den Menschen durch die Ausweitung des Entsendegesetzes. Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn aber wird es mit uns nicht geben. Ein Mindestlohn wäre ein gigantisches Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Gerade in Ostdeutschland würden Hunderttausende ihren Arbeitsplatz verlieren oder in die Schwarzarbeit gedrängt werden. Das ist unsozial. Da machen wir nicht mit, und das haben wir auch gegenüber unserem Koalitionspartner sehr deutlich gemacht.

Mit der Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer- Entsendegesetz haben wir Regelungen geschaffen, mit denen Mindestlöhne für bestimmte Branchen eingeführt werden können. Dies kann wie folgt umgesetzt werden:

1. Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % erhalten das Angebot, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden und tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag von Tarifvertragsparteien der betreffenden Branche bis zum Stichtag 31. März 2008. Das Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme dieser Branchen wird nach Ablauf des Stichtages unverzüglich eingeleitet. Eine spätere Aufnahme von Branchen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

2. Wird im Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes von einer Branche erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages gestellt, so ist mit diesem Antrag zunächst der Tarifausschuss zu befassen. Innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Antrages im Bundesanzeiger gibt der Tarifausschuss zu dem Antrag sein Votum ab.
Stimmt der Tarifausschuss der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu, gilt der Mindestlohn für alle In- oder Ausländer. Gibt der Tarifausschuss innerhalb der Frist kein Votum über den Antrag ab, kann das Mindestlohn-Verordnungsverfahren durchgeführt werden. Ein Mindestlohn-Verordnungsverfahren kann auch durchgeführt werden, wenn der Tarifausschuss mit drei zu drei abstimmt oder die Allgemeinverbindlicherklärung mit zwei zu vier abgelehnt hat. Die entsprechenden Verordnungen werden auf Vorschlag des BMAS vom Bundeskabinett erlassen.

3. Für den Fall konkurrierender Tarifverträge in einer Branche werden dem Verordnungsgeber durch Gesetz Kriterien vorgegeben, die eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstellen. Ferner wird entsprechend den Vorgaben des europäischen Rechts im Gesetzestext klargestellt, dass die Mindestlohntarifverträge ausnahmslos für alle in- und ausländischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich sind.

4. Die Kontrolle erfolgt wie bisher durch die Behörden der Zollverwaltung.

II. Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von 1952 zu einem Gesetz für Mindestlöhne für bestimmte Bereiche

1. Es gibt zunehmend Wirtschaftszweige oder einzelne Regionen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder eine Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber besteht ("weiße Flecken"). Um in diesen Bereichen Mindestlöhne zu setzen, wird das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahr 1952 gangbar gemacht und auf aktuellen Stand gebracht.

2. Das Vorhandensein eines derartig tariflosen Zustandes reicht als Anwendungsvoraussetzung.

3. Ein Hauptausschuss wird dauerhaft eingerichtet. Es ist seine Aufgabe festzustellen, ob Mindestlöhne als Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden müssen. Ein Fachausschuss wird jeweils für die betroffene Branche gebildet. Er legt fest, wie hoch der Mindestlohn im konkreten Fall sein soll.

4. Zusammensetzung und Verfahren von Haupt- und Fachausschuss werden modernisiert und entbürokratisiert, um schnelle und sachgerechte Lösungen zu ermöglichen. Der Hauptausschuss setzt sich aus sechs unabhängigen Experten zusammen, die in der Lage sind, umfassend die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Mindestarbeitsbedingungen einzuschätzen. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimmrecht, der von den Mitgliedern des Hauptausschusses bestimmt wird. Erfolgt keine Einigung auf einen Vorsitzenden, erfolgt die Benennung durch das Bundeskabinett auf Vorschlag des BMAS. Die Fachausschüsse als Gremien der betroffenen Branchen werden so zusammengesetzt, dass sich divergierende Einzelinteressen nicht blockieren und zu einem guten Ergebnis führen. Jeder Fachausschuss besteht aus sechs Beisitzern, die je zur Hälfte den Kreisen der beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber angehören. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimmrecht, der von beiden Seiten bestimmt wird. Bei Nichteinigung bestimmt den Vorsitzenden das Bundeskabinett auf Vorschlag des BMAS.

5. Der von einem Fachausschuss vorgeschlagene Mindestlohn kann auf Vorschlag das BMAS durch eine entsprechende Verordnung des Bundeskabinetts festgesetzt werden.

6. Außerhalb von Tarifverträgen sind die Vorgaben der Verordnung für alle; In- und ausländischen Arbeitnehmer zwingend und unabdingbar. Für die Konkurrenz zu bestehenden Tarifverträgen werden durch Gesetz Kriterien für eine Vorrangentscheidung vorgegeben, die eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstellen. Eine Diskriminierung von In- und Ausländern findet nicht statt.

Ihr
Hermann-Josef Scharf

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