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Hermann-Josef Scharf
CDU
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Frage von Willi R. •

Frage an Hermann-Josef Scharf von Willi R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Wann stimmt die CDU endlich dem Mindestlohn zu, oder ist sie etwa vom Kapital gekauft ? den dieser Eindruck entsteht.
Meiner Ansicht ist es man ist zu blöd oder man ist gekauft wenn man bei Mindestlohn nicht zustimmt. Es kann doch mit diesen Ausbeuterlöhne nicht so weitergehen. Immer den Gewerkschaften die Schuld dafür zu geben ist pervers denn ihre Partei die CDU ist ja mit der FDP ein großer Gegner der Gewerkschaften und werden mit allen Mitteln niedergemacht und nun den Gewerkschaften die Schuld dafür zu geben, daß es Tarifverträge unter dem gefordertem Mindestlohn gibt ist einfach nur schäbich.
Ich fordere Sie auf der Forderung nach Mindestlohn zuzustimmen.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Rieder,

vielen Dank für die von Ihnen zum Ausdruck gebrachte Meinung zum Thema „Mindestlohn“.

Ich stimme allen Menschen zu, die ein Mindesteinkommen fordern, dass die tägliche Lebensführung sichert. Ich bin aber der Meinung, dass uns Mindestlöhne in dieser Frage nicht ausreichend weiterbringen.

Ich bitte Sie an dieser Stelle auch darum, die Diskussion sachlich auszutragen. Unterstellen Sie bitte nicht jedem Menschen der nicht Ihrer Meinung ist, dass er „vom Kapital gekauft“ ist. Ich bin selbst in der Arbeitnehmergruppe der CDU-CSU-Fraktion tätig und setzte mich mit dem Thema aus allen Perspektiven auseinander. Auch ist es nicht mein Anliegen, die Gewerkschaften niederzumachen, wie Sie meiner Partei und somit auch mir unterstellen. Am Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit DGB-Chef Sommer ist gutnachvollziehbar, dass wir zwar in der Sachfrage unterschiedlicher Meinung sind, aber – wie auch in der Welt vom 9. Mai 2007 nachzulesen ist – die Gespräche vom DGB-Chef als konstruktiv eingeschätzt wurden. Weniger Polemik würde der Debatte aus meiner Sicht gut tun.

Im Folgenden zitiere ich den parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Norbert Röttgen, der in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auch meine Meinung zum Thema auf den Punkt gebracht hat. Wie Herr Röttgen, bin auch ich der Meinung, dass die Politik sich aus der Lohnfindung heraushalten sollte und dafür gibt es sehr gute Gründe:

„Jeder muss von seiner Arbeit leben können“ und „Anständige Arbeit muss auch anständig bezahlt werden“: Das sind Sätze, die jeder nachvollziehen kann. Die Feststellung, dass gesetzliche Mindestlöhne Arbeitsplätze gefährden, ist aber ebenfalls richtig. Wenn ein Frisörmeister zwei Angestellte zu einem Stundenlohn von 3,50 Euro beschäftigt und ein Mindestlohn von 7,50 Euro eingeführt wird, wie von den Gewerkschaften gefordert, dann muss entweder der Haarschnitt doppelt so viel kosten wie heute oder eine(r) der Angestellten verliert seinen Job und ist arbeitslos.

Es klingt gut, einen relativ hohen Mindestlohn für jeden zu fordern. Aber man muss wissen, welche Konsequenzen das hat. Unternehmen haben Alternativen. Sie können im billigeren Ausland produzieren oder Maschinen statt Menschen einsetzen. Arbeitnehmer, insbesondere die gering Qualifizierten, haben im Zweifel keine Alternative - außer der Arbeitslosigkeit. Löhne sind Preise und werden für Arbeit bezahlt. Sie haben einen Markt wie andere Güter auch, und es gelten im Grundsatz die Regeln von Angebot und Nachfrage. Das klingt zunächst hartherzig, aber es beschreibt die Realität.

Der Verweis auf Großbritannien liefert auch kein Argument für Mindestlöhne. Der Arbeitsmarkt dort brummt, und die Arbeitgeber müssen Löhne deutlich über dem Mindestlohn anbieten, um überhaupt Arbeitskräfte zu gewinnen. Außerdem gibt es geringere soziale Leistungen und damit niedrigere Lohnnebenkosten. Die Situation ist nicht auf Deutschland übertragbar, wo wir - zum Glück - hohe soziale Standards haben und - leider - noch gut vier Millionen Arbeitslose.

Verantwortliche Politik darf die Realität nicht ignorieren und den Betroffenen nicht suggerieren, sie würden durch Mindestlöhne an Wohlstand gewinnen, obwohl sie in Wahrheit Gefahr laufen, ihre Arbeitsplätze zu verlieren.

Der Staat sollte grundsätzlich keine Lohnpolitik betreiben. Das ist aus guten Gründen Sache der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Würde die Politik sich hier einmischen, wäre die Lohnfindung sehr schnell von parteitaktischen und wahlkampforientierten Interessen überlagert. In Deutschland gilt außerdem die Vertragsfreiheit. Ein Mindestlohn würde es verbieten, unterhalb dieser Grenze Verträge abzuschließen, selbst wenn sie von beiden Seiten gewollt wären und beiden Seiten Vorteile brächten. Vor allem aber sind Löhne Ansporn, etwas zu leisten und auch mehr zu leisten als andere. Ein Mindestlohn könnte den Ansporn zu weiterer Qualifikation und Anstrengung beseitigen. Er ist daher gerade kein Gebot der Fairness. Gegenüber vielen Menschen im Osten Deutschlands wäre er auch in anderer Hinsicht ausgesprochen unfair; das niedrigere Lohnniveau ist dort ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, ohne den die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern noch höher wäre.

Gesetzliche Mindestlöhne bedeuten also in Wahrheit mehr Risiko als Nutzen, und sie stehen in Widerspruch zu anerkannten Werten und Normen unserer Gesellschaft.

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Niemand, der gegen gesetzliche Mindestlöhne ist, ist für geringe Bezahlung. Es ist im Gegenteil wünschenswert, dass jeder wenigstens 7,50 Euro die Stunde erhielte. Diese Löhne dürfen aber nicht staatlich verordnet sein, sondern müssen am Markt verdient werden. Der Wert von Freiheit, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung ist auch in der Lohnpolitik höher zu bewerten als eine vorgegaukelte Sicherheit, die der Realität nicht standhält und außerdem der Parteipolitik ein Mittel an die Hand gibt, sich aus eigennützigen Motiven in das Wirtschaftsgeschehen einzumischen.

Eine Absage an Mindestlöhne heißt auch nicht, dass die Betroffenen in Armut leben müssen. Wer ein Einkommen aus gering bezahlter Arbeit hat, das für ihn und seine Familie zum Leben nicht ausreicht, erhält ergänzende staatliche Unterstützung. Das ist auch für die Zukunft der richtige Weg. Im Übrigen verfügt Deutschland über eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzgesetzen, die Gewerkschaften sind erheblich stärker als in Großbritannien, und jeder kann vor unabhängigen Gerichten seine Rechte einklagen. Von einer Situation der Ausbeutung sind wir also weit entfernt.

Eine politische Entscheidung, die die Wirklichkeit und ihre Komplexität ignoriert, ist keine Basis für eine Politik mit moralischem Anspruch. Eine Politik, die gesetzliche Mindestlöhne fordert und damit die Arbeitslosigkeit derer in Kauf nimmt, für die sie zu sprechen vorgibt, handelt nicht im Interesse der Menschen, sondern hat offenbar nur das eigene Parteiinteresse im Auge. Wir tun gut daran, die Politik auch weiterhin aus der Lohnfindung herauszuhalten.“

Auch eine Ausweitung des Entsendegesetzes und die damit verbundene Einführung eines branchenbezogenen Mindestlohns ist zu kurz gegriffen. Die in den 90er Jahren gemachten Erfahrungen im Baugewerbe sind in diesem Bezug mehr als ernüchternd. Die Anzahl der Beschäftigten in der Baubranche hat sich von 1995 bis 2005 fast halbiert. Das mit dem Gesetz beabsichtigte Ziel, den Anteil der ausländischen Arbeitsnehmer zu reduzieren, wurde hingegen nicht erreicht.

Nachdenklich sollten uns auch die aktuell in der Presse veröffentlichten Ergebnisse vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und vom Ifo-Institut Dresden machen, die die Auswirkungen der Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro bzw. 6,50 Euro untersucht haben. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Gefahr besteht, „dass Einkommenserhöhung für einige Arbeitnehmer mit Arbeitsplatzverlusten anderer Geringverdiener teuer erkauft wird“ (Die Welt vom 9. Mai 2007, S. 3). Ich verstehe gerade die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten, die sich gegen den Mindestlohn aussprechen, da sie bei den dargelegten Prognosen damit rechnen müssen, dass voraussichtlich zwischen 4,7 und 6,4 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse verloren gehen. Das bei uns im Westen „nur“ 2,3 bis 3 Prozent Beschäftigungsverhältnisse verloren gehen können, ist für mich kein Trost. Es muss zwar weiter berücksichtigt werden, dass die Kaufkraft von einigen Arbeitnehmern gestärkt werden würde, aber das fängt die negativen Wirkungen meiner Meinung nach nicht auf. Insgesamt ist als Ergebnis der Studie festzuhalten, dass die negativen Wirkungen der Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro bzw. 6,50 Euro überwiegen.

Ich möchte mich abschließend der Mehrzahl meiner Kollegen der CDU/CSU anschließen, die für die Einführung eines Kombilohns plädieren, der niedrige Einkommen unter bestimmten Voraussetzungen mit staatlichen Mitteln aufgestockt und so das zum Leben erforderliche Mindesteinkommen gewährleistet. Die Kombination dieses Instrumentes mit einem gesetzlichen Verbot von sittenwidrigen Löhnen stellt für mich den einzig sinnvollen Weg in der geführten Debatte dar.

Mit freundlichen Grüßen

Hermann-Joesef Scharf, MdB

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