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Hermann-Josef Scharf
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Frage von Holger M. •

Frage an Hermann-Josef Scharf von Holger M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Scharf,

wie alle Kriege hat der Afghanistan-Krieg seine eigene Dynamik entwickelt und ist wieder ein Stück weniger beherrschbar geworden. Mit der Geiselnahme und Erpressung im Irak ist die Bundesregierung nun steuerbar, die vernünftigste Aktion "Rückzug aus Afghanistan" ist nicht mehr möglich ohne das Gesicht zu verlieren und Erpressern nachzugeben. Eine übliche Verhärtung der Fronten bei militärischen Konflikten.

So wird auch der Tornado-Einsatz weitere Eskalationen bringen. Um das vorherzusagen muss man kein Hellseher sein. Es ist eine Binsenweisheit, dass Politiker keine Kriege beherrschen können. Nicht mal Militärs können das. Das liegt in der Natur des Krieges.

Geben Sie mir Recht, dass der Afghanistan-Krieg eskaliert ist? Was werden Sie tun, um eine weitere Eskalation zu vermeiden? Oder ist Ihrer Meinung nach die Eskalation notwendig und wünschenswert?

Mit freundlichen Grüßen
Holger Marzen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Marzen,

ich gehe davon aus, dass Sie sich an unseren Briefwechsel zur Lage in Afghanistan noch erinnern werden.

Ihre hier geäußerten Suggestivfragen sind zwar sehr plakativ, aber bringen uns in der Thematik keinen Schritt weiter. Der von Ihnen mehrfach geforderte Rückzug aus Afghanistan ist auch weiterhin keine Option für mich. Das Wort „Eskalation“ ist in diesem Zusammenhang auch nicht weiterführend. Die internationale Staatengemeinschaft ist in Afghanistan mit Problemen konfrontiert, die sich in manchen Regionen auch zuspitzen, aber ich bin auch weiterhin der Meinung, dass wir uns diesen Problemen stellen müssen.

Wie mir meine saarländische Kollegin im Bundestag Anette Hübinger mitgeteilt hat, führte die Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der CDU/CSU-Fraktion 2006 eine Expertenanhörung zur Lage in und den Perspektiven für Afghanistan durch. Gemeinsam mit Vertretern der zuständigen Ministerien, der Stiftungen und der Nichtregierungsorganisationen hat die Arbeitsgruppe darüber beraten, wie die bessere Verzahnung der Sicherheitspolitik und der Wiederaufbauhilfe in Afghanistan konkret bewerkstelligt werden kann.

Es war einstimmige Meinung und dieser Einschätzung schließe ich mich an, dass die Sicherheitspolitik und die internationalen Entwicklungszusammenarbeit sich gegenseitig bedingen und die Probleme des Landes nur durch die Kombination dieser Strategien gelöst werden können.

Trotz vieler Erfolge unserer deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat sich die Sicherheitslage und Lebenssituation in Afghanistan insgesamt leider wieder verschlechtert. Dies hängt vor allem mit dem mangelnden Erfolg bei der Bekämpfung des Drogenanbaus, mit der grassierenden Korruption und dem noch lange nicht gelungenen Aufbau eines effizienten Staatswesens – vor allen in den Provinzen – zusammen.

Daher ist es aus meiner Sicht von entscheidender Bedeutung, die Diskussion über die Verlängerung und die Ausgestaltung des Bundeswehr-Einsatzes mit den zentralen Fragen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan zu verknüpfen.

Wir müssen neue Ansätze finden, um die Drogenproblematik in den Griff zu bekommen. Die bisherigen, konventionellen Ansätze können nicht die richtigen sein, denn die Drogenproduk-tion in Afghanistan befindet sich auf Rekord-Höhe und bedient 92 Prozent des Weltmarktes. Der Erlös dieser Produktion finanziert und fördert auch mafiöse Strukturen, Kriminalität, den Taliban-Guerillakrieg, den islamistischen Terrorismus und die grassierende Korruption. Die Drogenindustrie behindert somit den Aufbau tragfähiger staatlicher Strukturen, die für den Erfolg der Demokratie und Marktwirtschaft in Afghanistan so wichtig sind. Die Drogenproblematik ist derartig schwierig, dass selbst über so kostspielige Lösungen nachgedacht werden muss, den Drogenbauern staatlicherseits ihre Drogenproduktion abzukaufen, wenn sie die Produktion nach und nach einstellen. Somit können die noch kostspieligeren negativen Auswirkungen der Drogen Wirtschaft eingedämmt werden. Zudem muss die internationale Hilfe neue Wirtschafts- und Handelszweige, wie im Rohstoff-Sektor fördern und ihre Entfaltung durch Infrastrukturmaßnahmen unterstützen.

Die internationale Entwicklungspolitik muss außerdem außerhalb Kabuls flächendeckender und für die Bevölkerung sichtbarer werden. Kabul wird von den Afghanen als europäische Hauptstadt wahrgenommen und Präsident Karsai als ihr Bürgermeister. Die Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit machen sich auf dem Lande kaum bemerkbar. Dieses Manko steigert die Unzufriedenheit mit der demokratisch gewählten Zentralregierung und stärkt die Sympathie für alle gegenläufigen Kräfte. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit muss daher dezentralisiert werden und nicht für, sondern mit der afghanischen Staatsautorität koordiniert werden, um ihr Ansehen zu erhöhen. Dazu gehört auch ein stärkerer Kapazitätsaufbau für die Verwaltungen in den Provinzen. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit sollte zudem stärker lokale Fachkräfte in ihre Arbeitintegrieren und den Dialog mit der lokalen Bevölkerung intensivieren.

Eine Überarbeitung des Sicherheitssektors ist ebenso nötig: Über die Verstärkung und flächendeckende Anwendung des Konzeptes der „Provincial Reconstruction Teams" (PRT) ist ernsthaft nachzudenken. Die Fachleute betonten auch die Notwendigkeit des Ausbaus der deutschen Polizeikräfte-Ausbildung. Sie genießt in Afghanistan einen sehr guten Ruf, bleibt aber in der derzeitigen Größenordnung ein Tropfen auf dem heißen Stein. Eine erfolgreiche Polizeiarbeit kann aber auch nur dann von Erfolg gekrönt werden, wenn ein leistungsfähiger Justizapparat dahinter steht. Hier müssen wir die internationalen Anstrengungen erhöhen, etwa bei der Ausbildung von Richtern und Justizbeamten.

Auch über das Zusammenwirken mit den anderen internationalen Gebern muss ernsthaft gesprochen werden. Insbesondere wurden wir darauf hingewiesen, dass das unangepasste Auftreten einiger ausländischer Soldaten und Sicherheitskräfte das Ansehen der Mehrheit der ausländischen Sicherheits- und Entwicklungskräfte schmälert und somit einer erfolgreichen Entwicklungszusammenarbeit im Wege steht. Internationalen Organisationen wird zudem vorgeworfen, durch ihre falsche Mittelvergabe zur Korruption beizutragen. Hier ist zwischen den internationalen Gebern auf eine konsequentere Korruptionsbekämpfung bzw. -Vermeidung hinzuarbeiten.

Wie Sie an den dargestellten Herausforderungen sehen, ist die Lage in Afghanistan nicht so eindimensional zu beurteilen, wie Sie es bisher darzustellen versuchen. Wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe, verfolgt die deutsche Bundesregierung einen vernetzten, zivil-militärischen Ansatz und hat bereits eine Diskussion angestoßen, wie die Strategie zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan weiter entwickelt werden sollte. Dabei muss es um einen politischen Gesamtansatz gehen, der den zivilen Wiederaufbau und die zivil-militärische Kooperation nach dem Vorbild der Regionalen Wiederaufbauteams (PRTs) im Norden verstärkt. Für diesen Ansatz hat die Bundesregierung viel Zustimmung von unseren Verbündeten erhalten.

Ich trete dafür ein, genau diesen Weg weiterzugehen und vertrete diese Meinung auch gerne in diesem öffentlichen Forum.

Mit freundlichen Grüßen

Hermann-Josef Scharf, MdB

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