1. Verfolgen Sie konkrete Pläne, um das Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen? 2. Kennen Sie das Bedingungslose Grundeinkommen zur Stärkung der Demokratie und wie stehen Sie dazu?
Sehr geehrter Herr Wollmann,
ich bin Ingenieurin in der Siedlungswasserwirtschaft und Mutter eines Kindes. Demokratie und Frieden sind ernsthaft in Gefahr. Ich möchte wissen, wie unsere gewählten Vertreter:innen dieser Gefahr begegnen.
Das Bedingungsloses Grundeinkommens als eine Ausprägung des Sozialstaates kann durch Umverteilung zur Stabilisierung von demokratischen Gesellschaften beitragen. Meiner Recherche zufolge ist das gut mit dem sozialdemokratischen Wertesystem vereinbar
- Stärkung der gewerkschaftlichen Position
- Bessere Verteilung der Erwerbsarbeit auf viele Schultern (mögliche Vollbeschäftigung)
- Wahlfreiheit und Würde im Niedriglohnsektor
- Ergänzung zum jetzigen Sozialstaat
- Mehr Ressourcen für soziales und ehrenamtliches Engagement
- Einhaltung des Artikel 1 GG
Deutsches Forschungsprojekt: www.pilotprojekt-grundeinkommen.de
Vergleich verschiedener Finanzierungsansätze: www.mein-grundeinkommen.de/ist-finanzierbar
MfG L. E.
Sehr geehrte Frau E.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann Ihre Sorge um die Demokratie nachempfinden, sehe aber immer noch eine breite Mehrheit für die Parteien und Organisationen, die unsere Demokratie nicht in Frage stellen.
Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass die gegenwärtigen Probleme mit einem bedingungslosen Grundeinkommen zusammenhängen oder damit lösbar wären. Gerade die von Ihnen angesprochenen Gruppierungen bemängeln, kritisieren und polemisieren schon jetzt permanent die Bürgergeldreform, weil sie darin einen Schritt zu einem bedingungslosen Grundeinkommen sehen.
Ich sehe daher im Anheben des Mindestlohnes den richtigen Weg, Arbeit im Niedriglohnsektor gerecht zu bewerten und den Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
In Bezug auf Wählerwanderungen spielen andere Aspekte eine entscheidende Rolle: Migration, Innere Sicherheit, Russischer Angriffskrieg und Ukraineunterstützung, Verteidigungs- und "Friedenspolitik".
Die Demokratie zu verteidigen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Man kann nicht alles auf "die Politik" schieben. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass unsere bisherigen Projekte zur Demokratieförderung nicht so effizient sind, wie wir es uns wünschen. Wir müssen auch realisieren, dass es sich um eine Entwicklung handelt, die breite Teile Europas erfasst hat- das letzte Wahlergebnis in Frankreich darf darüber nicht hinwegtäuschen.
Einen einfachen Weg gibt es also nicht. Ich meine, wir müssen von den alten argumentativ-faktischen Diskussionen weg eine emotionale Ebene finden, Menschen wieder anzusprechen. Das kann man nicht durch politische Vorgaben oder Parteienverbote erreichen. Eher müssen wir sehr tief in kommunikationswissenschaftliche und psychologische Aspekte einsteigen und die in unsere weiteren Projekte und in die künftigen Wahlkämpfe einfließen lassen.
Herbert Wollmann