Frage an Herbert Behrens von Julius A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Behrens,
was versteht "Die Linke" unter einer "demokratischen Kontrolle" der Medien?
Mit freundlichen Grüßen
Julius Andrews
Sehr geehrter Herr Andrews,
die Medienlandschaft in Deutschland erscheint auf den ersten Blick bunt und vielfältig. Überregionale Tages- und Wochenzeitungen, Lokalzeitungen, kostenlose werbefinanzierte Zeitungen und Magazine sowie zahlreiche öffentlich-rechtliche und private Rundfunksender vermitteln den Eindruck von Meinungsvielfalt. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass viele dieser Medien im Besitz einiger Weniger sind. Auch inhaltlich mangelt es an Vielfalt: Themen werden häufig ohne weitere Recherchen und Blickwinkel durchgereicht.
So können die Medien ihrem Auftrag, das politische und wirtschaftliche Geschehen in Deutschland zu reflektieren und zu kritisieren nur eingeschränkt nachkommen. Die äußere und innere Pressefreiheit ist bedroht durch die Verdichtung der Medienlandschaft und die Unterordnung der Medienmacher unter die Interessen der Verleger. Hier besteht Regelungs- und Kontrollbedarf. Scheinbar ein Widerspruch.
Ich möchte daher kurz darstellen, wie ich es auch in meiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär, der mit den Kolleginnen und Kollegen in den Medien befasst war, wahrgenommen habe. Wer heute als Leiharbeiter in die Redaktion geht, hat nur wenig Mut, seine Rechte einzufordern. Man will möglichst übernommen werden; und dazu ist ein Konflikt mit dem Chef in der Redaktion und im Verlag nicht hilfreich. Redaktionen werden ausgedünnt, Berichte werden auf dem Markt der häufig prekär arbeitenden Freien eingekauft, die Öffentlich-rechtlichen lassen sich von Vertreterinnen und Vertretern der Parteien dominieren.
Wo der ökonomische Zwang nicht disziplinierend wirkt, tut der Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz sein Übriges. Die betriebliche Interessenvertretung hat bei personellen Maßnahmen wie Einstellung, Kündigung und Versetzung nur eingeschränkte Rechte. Der Tendenzschutz bei den Medien muss fallen. Das würde den Beschäftigten eine stärkere demokratische Kontrolle ermöglichen.
Ein weiterer Vorschlag der LINKEN für mehr demokratische Kontrolle der Medien wäre die Erleichterung für genossenschaftlich organisierte Medien, in denen ein lebendiger kritischer Dialog zwischen „Medienbesitzern“ und Leserinnen und Lesern stattfindet. Ergänzt um das garantierte Recht für Redaktionsstatute wäre das ein echter Zugewinn an innerer Pressefreiheit.
Das Kartellrecht braucht effektivere Entflechtungsinstrumente. Der derzeit bei Zukäufen von Print- oder elektronischen Medien durch Unternehmen wie Springer, Kirch, Holtzbrinck, Murdoch, Ippen oder die WAZ-Gruppe übliche „Ringtausch“ reicht nicht aus.
Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erscheint alles einfacher, befinden sie sich doch zu 100 Prozent im Besitz der Gebührenzahler. Die bestehenden Kontroll- und Mitwirkungsrechte reichen aber nicht aus, um die Interessen der Medienbesitzer und -nutzer durchzusetzen. Die Gremien sind mit mehr Rechten auszustatten, die Interessenvertretung der Gebührenzahler muss demokratischer werden, die Zusammensetzung der bestehenden Rundfunk- und Verwaltungsräte muss so verändert werden, dass nicht der Proporz der politischen Parteien bestimmend ist.
Lieber Herr Andrews,
Sie sehen, dass Ihre kurze Frage mir leider keine kurze Antwort möglich macht. Und selbst die ausführliche Stellungnahme kann nur einen Teil beantworten. So habe ich das Internet als neues Medium hier nicht erwähnt, obwohl ihm eine wesentliche Rolle kritischer Öffentlichkeit zukommen kann und es in der Medienpolitik noch viel zu wenig beachtet wird. Aber dazu vielleicht einmal mehr an anderer Stelle.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Behrens