Frage an Herbert Behrens von Manfred M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Behrens,
heute habe ich in Spiegel-online einen bemerkenswerten Film über die Vertragsgestaltung mit der Firma Bilfinger und Berger zum Ausbau der A 1 zwischen Hamburg und Bremen gesehen. Demnach sind die Verträge so gestaltet, dass der Bund einen minderen und festen Anteil der Mauteinnahmen erhält, während der Vertragspartner bei steigendem Verkehrsaufkommen die Mehreinnahmen kassiert. Der Vertrag scheint mir die öffentliche Hand schwer zu benachteiligen.
Die Einsicht in diese Verträge sollen nicht einmal die Behörden in Niedersachsen haben, geschweige denn, die Öffentlichkeit. Warum enthält uns der Staat den Inhalt solcher Verträge vor?
Halten Sie es für zumutbar, dass die Bürger und Steuerzahler unseres Landes über solche Verträge, unser Staatsvermögen und die Funktionalität unserer Infrastruktur betreffen nicht informiert werden? Sind diese Verträge überhaupt durch parlamentarische Beschlüsse legitimiert, und wenn ja, mit welcher Begründung zieht sich der Staat aus der Kontrolle unserer Infrastruktur immer mehr zurück und entzieht sie damit einer demokratischen Mitgestaltung durch die Bürger?
Sind wir schon mitten in einer Entwicklung, durch Verträge mit Privatunternehmen, wie jüngst mit den Energiekonzernen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die demokratische Einflussnahme auf Infrastrukturprojekte abzuschaffen, um andererseits als Steuerzahler für die Fehlspekulationen von Landesbanken und "systemrelevanten" Banken als Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung" mit unseren Steuergeldern einzustehen?
Mit großem Interesse sehe ich Ihrer Antwort entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Muster
Sehr geehrter Manfred Muster,
ich stimme mit Ihnen völlig darin überein, dass es nicht hinnehmbar ist, dass die Bundesregierung nicht nur dem Deutschen Bundestag solch wichtige Verträge vorenthält und diesen nicht an der Entscheidung beteiligt. Die demokratische Legitimation dieser Verträge ist in der Tat äußerst dürftig. Der Deutsche Bundestag billigt lediglich den Bundeshaushalt, darin sind die Projekte nach diesem so genannten A-Modell aufgeführt. Dies wird dann von der jeweiligen Mehrheit im Bundestag "durchgewunken", und damit war es das dann auch schon. Die Verträge selber bekommt der Bundestag nicht zu Gesicht, geschweige denn, dass er hier eine Mitsprache hat.
Weil DIE LINKE Public Private Partnership generell ablehnt, erst recht bei Angelegenheiten, die nun wirklich ureigene Aufgabe des Staates sind wie die Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur, haben wir zu den letzten Haushaltsberatungen einen Änderungsantrag gestellt, mit dem wir die Aufnahme zweier weiterer Projekte nach dem A-Modell verhindern wollten. Auch 2011 sollen zwei weitere Projekte, mittlerweile die Nummern 9 und 10, aufgenommen werden. Einen Änderungsantrag, mit dem wir diese beiden Projekte streichen wollen, stellen wir auch dieses Mal in den Beratungen über den Bundeshaushalt.
Die Tatsache, dass um die Verträge eine so große Geheimniskrämerei gemacht wird, ist ein deutliches Warnsignal, dass hier gemauschelt wird. Es gibt die begründete Vermutung gibt, dass die privaten Betreiber hier übervorteilt werden und sie den Staat als überforderten Verhandlungspartner - schließlich sitzen bei den privaten Heerscharen von spezialisierten Anwälten - über den Tisch gezogen wird.
Zusätzlich gibt es zwei weitere schwere Bedenken gegen PPP im Straßenbau:
1. Durch die bald zehn Projekte nach dem A-Modell steigen die langfristigen finanziellen Verpflichtungen des Bundes von sechs auf dann 7,6 Milliarden Euro!
Die sollen zwar aus den Mauteinnahmen finanziert werden, dennoch ist dies sehr problematisch, weil der finanzielle Spielraum des Bundes durch solche langfristigen Verträge erheblich eingeschränkt wird.
2. Es ist es mehr als fraglich, dass diese A-Modell wirtschaftlicher sind als es eine Finanzierung und den Bau direkt durch den Bund wären. Dies sieht auch der Bundesrechnungshof (BRH) so, der in einer Stellungnahme vom 5. Januar 2009 vernichtende Kritik am A-Modell übte:
• die vom Bund errechnet Wirtschaftlichkeit der Projekte sieht der BRH skeptisch - das bedeutet, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Bundesmittel verschwendet werden;
• der BRH setzt die A-Modelle mit der privaten Vorfinanzierung gleich – die wurden wegen der Nachteile für den Bundeshaushalt gestoppt, das gleiche sollte mit den A-Modellen passieren;
• beim Wirtschaftlichkeitsvergleich hat die Bundesregierung Äpfel mit Birnen verglichen: die um 55 bis 75 Prozent höheren Verkehrsprognosen der Bieter wurden mit den eben erheblich niedrigeren des Bundes verglichen. Der BRH führt dazu aus, dass entweder die Betreiber insolvent werden (wenn die Prognosen des Bundes eintreffen) – oder dem Bund erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen (wenn die der Betreiber eintreffen);
• die Kaptalkosten der Privaten sind deutlich zu hoch – deswegen sollte der Anteil privaten Kapitals sehr niedrig gehalten werden;
• wegen der Vorgaben durch Planfeststellungsbeschlüsse und Richtlinien zum Straßenbau gäbe es fast keine Möglichkeit für die Betreiber, Baukosten zu sparen – die wesentlichste Begründung für PPP im Straßenbau entfällt damit;
• die andere Begründung, dass durch die A-Modelle der Bau vorgezogen werden kann, verwirft der BRH genauso, denn erstens ist das nicht der Fall – und zweitens selbst wenn es stimmen würde, dann dürften Haushaltsfragen nicht über PPP entscheiden, sondern allein eine größere Wirtschaftlichkeit – und darum ist es schlecht bestellt.
Weil die Wirtschaftlichkeit so fraglich ist, verweigert die Bundesregierung den Mitgliedern des Bundestag sogar die Einsicht in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die die Bundesregierung selber durchführt!
Deswegen: Sofortiger Stopp der PPP-Projekte, nicht nur im Straßenbau!
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Behrens