Frage an Hep Monatzeder von Rusty S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Monatzeder,
ich wohne und arbeite bei Ihnen im Wahlkreis, Sie vertreten mich also im Bayerischen Landtag. Ich bin hauptberuflich in der Kreativwirtschaft tätig und arbeite als Musiker. Leider bin ich als Solo-Selbstständiger von der Corona-Krise massiv betroffen – aber von den dringend benötigten Corona Soforthilfen praktisch ausgeschlossen. Denn meine Solo-Selbstständigkeit fällt durchs Förder-Raster, da ich kein Büro angemietet habe und von zuhause arbeite. Die Hilfe in Bayern ist jedoch nur für „laufende Betriebskosten“, also gewerbliche Mieten, Pachten, Leasing-Raten ausgelegt. Ich finanziere meine Existenz durch meine Arbeit und den daraus resultierenden Gewinn. Der Wegfall meiner Aufträge führt automatisch dazu, dass ich meinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann und im schlechtesten Fall zum Sozialfall werde.
In anderen Bundesländern (z.B. NRW, HH) dürfen in solchen Fällen auch klar definierte Beiträge zum Lebensunterhalt angefordert werden, um genau dieses Szenario zu verhindern, in Baden-Württemberg wird es ein monatliches Grundeinkommen für Betroffene geben! Was tun Sie in Bayern? Sind Sie sich bewusst, dass viele Solo-Selbstständige aus der Kreativwirtschaft in Ihrem Wahlkreis beheimatet sind, denen momentan nicht geholfen wird? Ich bitte Sie, setzen Sie sich für uns Solo-Selbstständige in Bayern ein! Sorgen Sie dafür, dass in Bayern Förderkriterien wie in NRW und Baden-Württemberg gelten! Unterstützen Sie mit Ihrer Stimme die heimische selbstständige Wirtschaft, denn Ihr Wahlkreis ist davon akut betroffen! Berichten Sie mir, wie sie sich zu diesem Sachverhalt positioniert haben!
Herzlichen Dank für Ihr Engagement.
Mit freundlichen Grüßen
Rusty Stone
Sehr geehrter Herr Stone,
danke für Ihre Mail. Ich bekomme gerade viele Zuschriften von Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie Sie. Mir ist deshalb klar, dass die Corona-Krise existenzbedrohend für viele Menschen ist. Bayern ist Kulturstaat. Diesem Verfassungsgrundsatz fühlen wir Grüne uns verpflichtet, egal, ob Volksfest, Kino, Theater, Musikbühne oder Club. Dabei liegt uns nicht nur das Wohl der Institutionen am Herzen, sondern auch das Überleben derjenigen, die unseren Kulturorten nach der Krise wieder Leben einhauchen sollen: Kreative und Freie.
Die Entscheidung der Staatsregierung, sich aus dem bayerischen Corona-Soforthilfe-Programm für Solo-Selbstständige und Unternehmen bis 10 Angestellte zu verabschieden, bedauern wir sehr. Ministerpräsident Söders Ankündigung vom 20.04.2020, 30.000 Bayerischen Künstler*innen zu helfen, begrüßen wir als ersten Schritt. Er folgt damit den Forderungen unseres Offenen Briefs an die Bayerische Staatsregierung vom 17.04.2020.
In der Umsetzung von Hilfen sehen wir jedoch eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (KSK) als alleiniges Kriterium für Hilfe-Berechtigung als nicht ausreichend an. Denn Hybrid-Beschäftigte und im Kulturbereich tätige Solo-Selbstständige ohne KSK-Mitgliedschaft fallen so weiterhin durch das Raster. Mit Antrag vom 21.04.2020 haben wir darum Nachbesserungen gefordert.
Uns ist wichtig, dass Hilfen dauerhaft bis zum Ende der Krise gezahlt werden und mindestens in Höhe des pfändungsfreien Existenzminimums von 1180EUR/Monat liegen, und dass Hybrid-Beschäftigte im Kulturbereich die neben der Rechnungsstellung z.B. kurzfristig festangestellt tätig sind, Lehraufträge haben oder Renten beziehen, auch antragsberechtigt sind.
Durch die zum Infektionsschutz notwendigen Veranstaltungsverbote ist einer gesamten Branche ein Tätigkeitsverbot auferlegt worden, dessen Ende nicht abzusehen ist. Die Verbote sind richtig, aber es muss auch adäquate Hilfen geben für die von den Verboten Betroffenen. Dabei ist es nicht ausreichend, Bundesmittel auszuzahlen oder Umsatzrückgänge zu decken, durch die die Zahlung von Betriebskosten gefährdet wäre. Auch ein einmaliger 3000EUR Bonus hilft nur vorübergehend und mit der KSK als alleinigem Berechtigungskriterium gerade mal 30.000 Personen der knapp 400.000 im Kultur- und Kreativbereich Bayerns beschäftigten Menschen.
Die kleinteilige Struktur im Kulturbereich braucht maßgeschneiderte Lösungen: Ein Großteil der Betroffen bewegt sich im Kleinst- und Kleinunternehmensbereich, ein Raum, in dem Betriebskosten in der Regel von Privatausgaben kaum zu trennen sind oder schlicht die Umsätze fehlen, um Büro oder Dienstwagen zu finanzieren. Solo-Selbstständige und Angehörige der Freien Berufe sind besonders benachteiligt im Vergleich zu Ein-Personen-Gesellschaften mit GmbH Struktur, wo sich die Geschäftsführung ein Gehalt auszahlen lassen und Kurzarbeitergeld beantragen kann.
Andere Bundesländer, wie beispielsweise Baden-Württemberg, haben sich entschieden, für alle Solo-Selbstständigen ein Soforthilfeprogramm, das zu den Arbeitsbedingungen im Kulturbereich passt, zu schaffen. Durch die Einbeziehung des privaten Lebensunterhalts in die Baden-Württemberger Soforthilfe können bis zu 1180EUR/Monat geltend gemacht werden. So wird es vielen erspart bleiben, einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidung Baden-Württembergs doch noch umfassend in Bayern aufgenommen wird und auch den Bund zu Nachbesserungen bewegt.
Auch zahlreiche Institutionen wie Konzert-Veranstalter*innen, Kinos oder private Bühnen, ob in Vereins- oder gewerblicher Struktur organisiert, sind betroffen. Unsere Kultur-Infrastruktur steht ohne Planbarkeit oder Sicherheit vor dem Abgrund. Wir fordern darum klare Konzepte der Staatsregierung, wie Infektionsschutz und Veranstaltungen, wie Gesundheitsschutz und Dreh unter einen Hut gebracht werden können: Was muss erfüllt sein, damit ein Theater öffnen darf? Wie sieht es mit Freilichtbühnen, Open-Air Musikfestivals oder Open-Air Kinos aus? Warum sind in Bayern selbst Autokinos geschlossen? Die Branche ist kreativ. Gäbe es klare Vorgaben, könnte man Lösungen entwickeln und tun, was so viele wieder wollen: arbeiten.
Die Kultur-Infrastruktur nach einem langsamen Tod wieder aufzubauen, käme teuer, denn die Branche ist nicht zuletzt wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wie das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes Ende März feststellte, geht es um 27,8 Mrd. Euro Umsatzeinbußen - fast drei Mal mehr, als man beispielsweise in der Gastronomie befürchtet.
Fakt ist: Ein klassisches Konzert gibt es nicht als Take-Away Angebot. Ein Theatergutschein sichert nicht das Überleben des Theaters bis zur Widereröffnung. Tanzen im Club und feiern beim Volksfest geht nicht online: Bayern ist Kulturstaat. Bayern bleibt Kulturstaat. - Mit der Regelung des Nachbarlandes wird Einzelkämpfer*innen, die unser wirtschaftliches, soziales und kulturelles Leben wesentlich prägen, das Überleben erleichtert. Zusätzlich wird es auch tragfähige Rettungsschirme für unsere gemeinnützigen und privatwirtschaftlich getragenen nichtstaatlichen Kultur-Institutionen brauchen. - Wir Grüne werden uns hier in Bayern wie auch im Bund weiterhin politisch nachdrücklich für Lösungen einsetzen.
Mails wie Ihre, in der Sie Ihre Situation schildern, helfen mir und meinen Kolleginnen und Kollegen. Schließlich müssen wir wissen, ob und an welchen Stellen es Punkte gibt, die die bayerische Staatsregierung nicht ausreichend im Blick hat.
Falls Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, melden Sie sich gerne bei mir.
Mit freundlichen Grüßen
Hep Monatzeder