Frage an Henning Otte von Andreas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Otte,
herzlichen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort auf meine Frage vom 05.09.
Erlauben Sie mir doch noch einmal ein paar Gedanken zu Ihrer Antwort.
Sie beschreiben bezüglich einer europäischen Armee einige potentielle Konfliktpunkte im Disziplinar- und Dienstrecht. Die Probleme, wie Sie sie beschreiben, ergeben sich doch nur, wenn man eine europäische Armee als Ansammlung verschiedener Kontingente begreift, die die Einzelstaaten stellen. Meiner Ansicht nach kann der Dienstherr eines europäischen Soldaten, egal in welchem Land der EU er geboren wurde, nur die EU und nicht sein Geburtsland sein. Wenn sich jemand entscheidet Soldat in einer EU-Armee zu werden, so kann er dies nur als Europäer und nicht als Deutscher oder Franzose tun. Von daher ist es irrelevant, was die nationale Gesetzgebung sagt, gültig kann hier nur EU-Recht sein.
Zum Aspekt der parlamentarischen Kontrolle: Dieses hohe Gut darf natürlich nicht "geopfert werden". Aber meines Wissens existiert auf europäischer Ebene ein Parlament. Warum kann nicht dieses und nur dieses über den Einsatz einer solchen Armee entscheiden? Vor solch einem Hintergrund dürfte dann auch die Gefahr, dass eine gesamteuropäische Armee als eine Art Nachlassverwalter französischer oder sonstiger Kolonialangelegenheiten herhalten muss, gebannt sein. Wenn diese Armee irgendwo auf der Welt, von mir auch aus in ehemaligen Kolonien Frankreichs oder Großbritanniens, warum auch immer zum Einsatz kommen soll, dann nur auf Grundlage eines Beschlusses des europäischen Parlaments. Dazu muss die Außenpolitik jedoch zu 100 % auf europäische Ebene verlagert werden und die Posten, die momentan Herr Steinmeier oder Herr Fabius bekleiden, dürften dann nicht mehr existieren.
Mir ist schon klar, dass diese Vorstellung zur Zeit leider wohl noch zu abwegig erscheint. Aber würde es sich nicht lohnen, in diese Richtung hin zu arbeiten, als nur den status quo als gottgegeben hinzunehmen?
Beste Grüße
Andreas Waldraff
Sehr geehrter Herr Waldraff,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, in der Sie noch einmal das Ziel einer gemeinsamen europäischen Armee aufgreifen.
Natürlich haben Sie Recht, das man den Status der nationalen Armeen nicht als „gottgegeben“ oder als ‚in Zement gegossen‘ hinnehmen sollte. Sofern sie dies als meine Einstellung aus meiner Antwort vom 12. September 2014 herausgelesen haben, so lassen Sie mich bitte ergänzen, dass ich die Vorstellung von einer Europäischen Armee durchaus für wert halte darüber nachzudenken und dafür einzutreten. Insofern war bereits ihre Anfrage vom 05. September 2014 berechtigt und die aktuelle Diskussion darüber zeigt, dass diese Frage auch viele Menschen bewegt.
Lassen Sie mich meine Meinung noch einmal wie folgt zusammenfassen:
Selbstverständlich wäre das Europäische Parlament eine mindestens ebenso hoch legitimierte Instanz wie der Deutsche Bundestag und selbstverständlich würden wir viele Doppelstrukturen abschaffen, die wir heutzutage noch teuer bezahlen müssen.
Zurzeit sehe ich aber noch nicht, dass sich einvernehmliche Ideen zur Konzeption einer europäischen Armee innerhalb der Europäischen Union abzeichnen. Zu viele Fragen sind dazu noch zu klären. Insbesondere stehen jedoch die beiden Fragen im Raum, in wie fern alle anderen 27 Mitgliedstaaten ebenfalls bereit wären ihre staatliche Souveränität in dieser Frage aufzugeben und ob man in Deutschland bereit wäre alle Einsätze der Europäischen Union mitzutragen. Analog darf ich an die Initiative einer Europäischen Verfassung aus dem Jahre 2004 erinnern, bei dem Referenden in nicht wenigen Europäischen Staaten scheiterten. Ich denke Europa ist noch nicht so weit, eine gemeinsame Armee zu schaffen.
Das Konzept der Framework Nations (FNC) halte ich zurzeit für ein gutes Vehikel Kritiker von dem Mehrwert einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu überzeugen und bereits heute die Stärke einer Verteidigung im Verbundsystem zu nutzen.
In diesem Sinne kann ich Ihnen zusagen, dass ich, wo immer möglich, meine Stimme für effektive und europaweit zusammen agierende Streitkräfte verwenden werde.
Mit freundlichen Grüßen
Henning Otte, MdB