Da die aktuelle Regierung sich für eine Cannabislegalisierung ausgesprochen hat, sollte die polizeiliche Verfolgung der Konsumenten eingestellt werden. Wie werden sie in Zukunft das Problem lösen?
Sehr geehrter Herr B.,
der Koalitionsvertrag 2021 - 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zur Bildung einer Bundesregierung sieht in Bezug auf Dogenpolitik Folgendes vor:
"Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus."
Eine Neuregelung durch den zuständigen Bundesgesetzgeber liegt bekanntlich bislang nicht vor. Auch wurden noch keine konkreten Modelle zur Umsetzung der beabsichtigten Legalisierung von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken erarbeitet. Aufgrund dessen sind die rheinland-pfälzischen Gerichte und Staatsanwaltschaften an die bestehende Rechtslage gebunden, nach der insbesondere der unerlaubte Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, zu denen auch Cannabis gehört, strafbewehrt sind. Die Polizei nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Einen Ermessensspielraum hat die Polizeibehörde hierbei nicht. Daher werden auch geringste Mengen Cannabis sichergestellt bzw. beschlagnahmt und das Verfahren an die Staatsanwaltschaft weitergeleite
Jedoch wird mit Blick auf die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 zum verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot im Zusammenhang mit Cannabisprodukten bei gelegentlichem Eigenverbrauch ohne Fremdgefährdung bereits nach derzeit geltendem Recht in der Regel von der Strafverfolgung nach § 31a Betäubungsmittelgesetz (BtMG) abgesehen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten bei Ermittlungsverfahren gegen erwachsene Beschuldigte werden in Rheinland-Pfalz durch die „Richtlinien zur Anwendung von § 31a des Betäubungsmittelgesetzes in Betäubungsmittelsachen betreffend Haschisch und Marihuana“ konkretisiert (Rundschreiben des Ministeriums der Justiz vom 23. August 1994, JBl. 1994, S. 257, zuletzt geändert durch Rundschreiben vom 20. Januar 2012, JBl. 2012, S. 9). Gemäß den rheinland-pfälzischen Richtlinien sieht die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat gemäß § 31a BtMG in der Regel ab, wenn sich die Tat auf nicht mehr als 10 Gramm Haschisch oder Marihuana bezieht, der Umgang mit dieser Menge lediglich dem Eigenverbrauch diente und eine Fremdgefährdung ausgeschlossen war. Ein Absehen von der Verfolgung ist gemäß Ziffer 2.1.3 der Richtlinien auch bei wiederholter Tatbegehung zum gelegentlichen Eigenverbrauch nicht ausgeschlossen.
Die weitere Entwicklung, insbesondere eine konkrete Ausgestaltung des Vorhabens, bleibt somit abzuwarten. Nach jüngsten Pressemeldungen ist davon auszugehen, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf nicht unmittelbar in diesem Jahr eingebracht werden soll.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Der eingangs erwähnte Passus im Koalitionsvertrag hat keine Auswirkung auf das rechtsstaatliche Handeln der Strafverfolgungsbehörden, bis der Gesetzgeber seinem Inhalt im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens Rechtsgültigkeit verleiht. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Personen, die unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten haben, damit rechnen müssen, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet wird.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner ausführlichen Antwort gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen nach Freilingen
Ihr Hendrik Hering