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Helmut Kauer
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Frage von Gabriela S. •

Sehr geehrter Herr Kauer, halten Sie die Sperrklausel für zeitgemäß bzw. für demokratisch legitimiert? Und wie stehen Sie zur direkten Demokratie via Volksentscheid auf Bundesebene und Bürgerräte?

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Sehr geehrte Frau S.,

die Sperrklausel ist nicht mehr zeitgemäß, sie war es noch nie. Nicht die Zersplitterung der Parteienlandschaft in der Weimarer Republik war schuld, sondern die Unfähigkeit der Parteien, Koalitionen einzugehen. Heute "sperrt" die Sperrklausel bei Bundes- und Landtagswahlen zwischen 20 und 25 Prozent der Wählerinnen und Wählern von der Wirksamkeit ihrer Stimmen aus. Die Sperrklausel bewirkt aber auch, dass Mehrheiten nicht mehr im klar demokratischen Spektrum gebildet werden können, siehe Thüringen. 

Solange es Sperrklauseln gibt bzw. neu eingeführt werden, braucht es zum Ausgleich die Ersatzstimme. Bei dieser kann man bestimmen, welche Partei die Stimme bekommt, wenn die bevorzugte Partei nicht die Hürde überspringt. 

Zur Demokratie gehört auch die Direkte Demokratie auf allen Ebenen. Eine Einschränkung auf gewisse Gebiete darf es nicht geben, besonders nicht den Ausschluss von Haushaltsfragen. Untersuchungen haben ergeben, dass dort, wo die Bürgerinnen und Bürger auch haushaltsrelevante Entscheidungen mit Direkter Demokratie beeinflussen können, unter dem Strich sparsamer gehandelt wird.
Auf Bundesebene kommt hinzu, dass sowohl Artikel 1 als auch Artikel 20 unseres Grundgesetzes durch die "Ewigkeitsklausel" dauerhaft geschützt sind und somit z. B. die Einführung der Todesstrafe ausgeschlossen ist. Wir brauchen auch das fakultative Referendum, eine Sonderform eines bundesweiten Volksentscheides mit niedrigerer Hürden, um Gesetze nach der Verabschiedung durch den Bundestag durch das Volk noch ändern / ablehnen zu können. Niedrigere Hürden sind deshalb notwendig, da es auch eine Zeitfrage ist. 

Bürgerräte sind für mich derzeit ein reines Placebo, um den Forderungen nach Einführung, Verbesserung oder Erhalt der Elemente Direkter Demokratie Kraft zu nehmen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger kompetent sind, in einem Bürgerrat beraten zu können, sind sie für mich auch kompetent, die Entscheidung zu treffen. Sollten sie nicht kompetent sein, die Entscheidung selbst zu treffen, sind sie auch nicht kompetent, zu beraten. Bürgerräte machen derzeit einen Sinn, wenn sie die (alternative) Fragestellung für ein Ratsbegehren erarbeiten.

Direkte Demokratie ist nur in Baustein einer verbesserten demokratischen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Dazu gehört ein besseres Wahlrecht z. B. mit Kumulieren und Panaschieren, mehr Zeit zwischen den Lesungen der Gesetze um Kontakt mit Abgeordneten aufnehmen zu können, Senkung des Wahlalters oder ein Verbot von Parteispenden durch Konzerne und (Lobby-) Verbänden und deren Sponsoring der Parteien.