Frage an Helmut Brunner von Florian V. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Brunner,
ich darf Sie um Stellungnahme zu folgendem Thema bitten:
Führerscheinproblematik Feuerwehr
In den letzten Wochen war den Medien zu entnehmen, dass sich die Staatsregierung dafür einsetzt, dass die Fahrerlaubnisklasse B auf ein Gesamtgewicht bis zu 4,25 to. erweitert wird. Somit soll es Feuerwehrleuten ermöglicht werden, die schweren Einsatzfahrzeuge ohne zusätzlichen Füherschein zu lenken.
Das Problem wurde jedoch hier nicht erkannt. Nur ungefähr ein Viertel der Feuerwehrfahrzeuge in Bayern haben ein Gesamtgewicht bis 4,25 to. Dass die meisten Fahrzeuge jedoch über 7,5 to. wiegen und somit der teure Führerschein Klasse C(E) notwendig ist wurde (oder wollte) nicht bemerkt (werden). Und gerade hier gestaltet es sich schwierig, Feuerwehrkameraden zu finden die nur für die Feuerwehr den LKW-Führerschein mit Kosten bis zu 2.000 € erwerben.
Zwischenzeitlich ist es von Seiten der Staatsregierung wieder ruhig geworden, angeblich ließe sich sogar die Erhöhung der Klasse B auf 4,25 to. nicht mit irgendeiner EU-Richtlinie vereinbaren. Ganz außer Frage sei außerdem ein "Feuerwehr-Führerschein".
Sieht man jedoch ins Nachbarland Österreich kann man feststellen, dass z.B. im Bundesland Tirol sog. "Feuerwehrführerscheine" an den Landesfeuerwehrschulen angeboten werden. Wieso ist dies in Österreich möglich und nicht bei uns in Bayern/Deutschland?
Gilt dort die EU-Richtlinie nicht?
Quelle: http://www.lfv-tirol.at/pages/Fahrzeuge/FW-Fuhrerschein.htm
Wie äußern Sie sich zu dieser Situation? Was würden Sie bzw. Ihre Partei/Wählergruppe unternehmen? Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
Florian Voitl
Sehr geehrter Herr Voitl,
zu Ihrer Anfrage kann ich Ihnen eine ganz aktuelle Stellungnahme des Staatsministers des Inneren,Joachim Hermann, MdL zukommen lassen.
Der Ministerrat hat am 29. Juli 2008 auf Vorschlag des Bayerischen Staatsministerium des Innern eine Bundesratsinitiative beschlossen, wonach mit einem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert werden soll, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste und der technischen Hilfsdienste sowie Helfer des Katastrophenschutzes, mit einer Fahrerlaubnis der Klasse B Einsatzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 4,25 Tonnen fahren dürfen. Herr Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein hat den Präsidenten des Bundesrates gebeten, den Entschließungsantrag auf die Tagesordnung der 847. Bundes- ratssitzung am 19. September 2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen. Hintergrund der bayerischen Initiative ist, dass seit Neueinteilung der Fahrerlaubnisklassen durch die Umsetzung der sog. 2. EU-Führerscheinrichtlinie die Grenze zwischen der Pkw-Klasse B (bisher 3) und der Lkw-Klasse C (bisher 2) nicht wie bisher im deutschen Recht bei 7.500 kg, sondern künftig bei 3.500 kg zulässiger Gesamtmasse verläuft. Das bedeutet, dass insbesondere ehrenamtlich tätige Nachwuchskräfte der Feuerwehr mit der EU-Fahrerlaubnisklasse B Einsatzfahrzeuge nur noch bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3.500 kg fahren dürfen. Die neue Klasseneinteilung stellt insbesondere die freiwilligen Feuerwehren, die Rettungsdienste sowie die technischen Hilfsdienste vor große Probleme, weil bestimmte im Fuhrpark vorhandenen Kraftfahrzeuge aufgrund technischer Neuerung ganz überwiegend ein zulässiges Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen haben. So verfügt beispielsweise ein Großteil der neu beschafften Tragkraftspritzenfahrzeuge der Feuerwehr aufgrund der technischen Entwicklung über eine tatsächliche Fahrzeugmasse von rund 3.800 kg. Vergleichbares gilt auch für Fahrzeuge des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes. Die Besitzer der alten Führerscheinklasse 3 genießen Bestandsschutz und können weiterhin Kraftfahrzeuge bis 7.500 kg zulässiger Gesamtmasse führen. Aufgrund dieser Besitzstandsregelung hatten die Gemeinden bisher in der Regel Fahrer (Maschinisten) in ausreichender Anzahl zur Verfügung, die altersbedingt nun aber vermehrt aus der ehrenamtlichen Tätigkeit ausscheiden. Zudem erwerben auch Landwirte statt eines Lkw-Führerscheins in der Regel nur noch die neue Fahrerlaubnisklasse T (Land- und forstwirtschaftliche Zugmaschine bis 60 km/h). Die Bayerische Staatsregierung hat sich bereits bei Umsetzung der 2. EU-Führer- scheinrichtlinie im Jahr 1999 für die Lösung der daraus folgenden Probleme der Feuerwehren, Katastrophenschutzdienste und Hilfsorganisationen eingesetzt. Leider ist es trotz umfangreicher Bemühungen (u. a. Entschließung des Bundesrates vom 04.02.2000) in den vergangenen Jahren nicht gelungen, im nationalen Fahrerlaubnisrecht Ausnahmen für die betroffenen Organisationen durchzusetzen. Vielmehr hat die Europäische Kommission stets mitgeteilt, dass Ausnahmen mit der 2. EU Führerscheinrichtlinie nicht vereinbar seien. Am 19. Januar 2007 ist die Richtlinie 2006/126/EG (im Folgenden: 3. EU Führerscheinrichtlinie) in Kraft getreten. Nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 dieser Richtlinie können nun Mitgliedstaaten Fahrzeuge, die von den Streitkräften und dem Katastrophenschutz eingesetzt werden oder deren Kontrolle unterstellt sind, von der Anwendung dieser Richtlinie ausschließen. Da wir davon ausgehen, dass Fahrzeuge der Feuerwehren oder der Rettungsdienste unter die Kategorie „Fahrzeuge des Katastrophenschutzes" fallen – wie in der 3. EU Führerscheinrichtlinie vorgesehen - soll die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag aufgefordert werden, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste und der technischen Hilfsdienste, sowie Helfer des Katastrophenschutzes, mit einer Fahrerlaubnis der Klasse B Einsatzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 4,25 Tonnen fahren dürfen. Eine Ausnahme für den Bereich bis 4,25 Tonnen halte ich aus Sicht der Verkehrssicherheit für vertretbar. Ergänzend darf ich Euch noch auf Folgendes hinweisen: In Österreich gibt es einen sog. „Feuerwehrführerschein" als eigene Fahrberechtigung. Eine Übernahme des österreichischen Modells scheidet nach umfangreichen Prüfungen aus. Entgegen weit verbreiteter Meinung wird in den österreichischen Bundesländern, die dieses Modell praktizieren, der Feuerwehrführerschein nicht unter erleichterten Voraussetzungen erteilt. Die österreichischen Regelungen verlangen von den Inhabern der Klasse B genauso Ausbildung, Prüfung und Gesundheitsuntersuchung.
Der Aufbau einer neuen Ausbildungs- und Prüfungsorganisation für Feuerwehren, Katastrophenschutz und Hilfsorganisationen, der die Änderung von Bundesrecht erfordern würde, wäre kostenintensiv und bürokratisch. Für die Inhaber der Fahrerlaubnis würde sich darüber hinaus trotz des gleichen Aufwands für Ausbildung und Prüfung wie beim regulären Erwerb der Fahrerlaubnisklasse C bzw. C1 wegen der Beschränkung auf das Führen von Einsatzfahrzeugen kein persönlicher Gewinn ergeben. Die Sicherstellung des Brandschutzes zählt nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz zu den Pflichtaufgaben der Gemeinden (Art 1 BayFwG). Dazu gehört auch, dass Maschinisten (Fahrer) in ausreichender Zahl vorhanden sind, die die erforderlichen Fahrerlaubnisse zum Führen der vorhandenen Feuerwehrfahrzeuge haben. Wenn es nicht genügend Fahrerlaubnisinhaber gibt, muss die Gemeinde auf den Erwerb der erforderlichen Fahrerlaubnisse hinwirken und die Kosten dafür tragen. Mindestens drei Maschinisten pro Feuerwehrfahrzeug sind dafür erforderlich. Nicht jeder Feuerwehrdienstleistende benötigt also eine entsprechende Fahrerlaubnis. Bei der Kostenübernahme kann die Gemeinde aber berücksichtigen, ob ein Feuerwehrdienstleistender möglicherweise einen privaten Nutzen aus der Fahrerlaubnis zieht. In diesem Fall kommt eine angemessene Beteiligung des Feuerwehrdienstleistenden in Betracht. Wie die Fahrschulausbildung der Maschinisten organisiert wird, bleibt den Gemeinden als Träger der Feuerwehr selbst überlassen. Zur Reduzierung der Kosten für die Fahrschulausbildung der Maschinisten empfiehlt es sich, immer mehrere Führerscheinbewerber gleichzeitig an einer Fahrschule ausbilden zu lassen. Die Ermittlung und Koordinierung der Führerscheinbewerber auf Landkreisebene hätte aufgrund des größeren Ausbildungsbedarfs den Vorteil, dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein günstiger Preis bei einer Fahrschule erzielt werden kann. Möglicherweise sind einige Fahrschulen sogar bereit, spezielle Kompaktkurse für die Feuerwehren anzubieten. Seitens des Freistaates Bayern werden keine Führerscheinkurse oder dgl. angeboten. Eine Führerscheinausbildung an den staatlichen Feuerwehrschulen ist im Übrigen auch nicht zielführend, da die ehrenamtlichen Feuerwehrdienstleistenden lange Anreisewege zu den Feuerwehrschulen in Kauf nehmen müssten und weitere Zeiten von ihrem Arbeitsplatz fern bleiben würden. Den Kommunen entstünden durch die Zahlung der fortgewährten Leistungen (Lohnfortzahlung für Lehrgangs- teilnehmer) zusätzliche Kosten. Die allgemeine Fahrschulausbildung kann dagegen standortnah bei privaten Fahrschulen wesentlich effektiver und auch abends oder an Samstagen, also außerhalb der üblichen Arbeitszeit, durchgeführt werden. Im Übrigen wäre eine Zentralisierung der Ausbildung an den Staatlichen Feuerwehrschulen schon aus Kapazitätsgründen gar nicht möglich. Von den insgesamt sieben bayerischen Berufsfeuerwehren verfügen drei, nämlich die Feuerwehren in Augsburg, München und Würzburg, über eine eigene Behör- denfahrschule. Diese Behördenfahrschulen bilden nur für den Eigenbedarf aus. Bei keiner dieser Fahrschulen werden externe Feuerwehrangehörige ausgebildet. Eine staatliche finanzielle Unterstützung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis der Klasse C1 bzw. C kann nicht erfolgen. Der Vorschlag, die Kommunen aus Mitteln des Feuerschutzaufkommens bei den Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse C zu unterstützen, wurde bereits im Rahmen der Evaluierung der Förderrichtlinien geprüft. Er wurde bei dieser Gelegenheit nicht weiterverfolgt und ist auch weiterhin abzulehnen, da es sich dabei nicht um eine Investitionskostenförderung für langfristig zu nutzende Wirtschaftgüter handeln würde. Zudem würde damit auch ein neuer Förderbereich eröffnet, der neben der Einzelförderung von Feuerwehrgerätehäusern, Feuerwehrfahrzeugen und –geräten aus den verfügbaren Mitteln des Feuerschutzsteueraufkommens finanziell nicht mehr darstellbar wäre.
Soweit die Information aus dem Ministerium.
Ich hoffe, dass hiermit Ihre Fragen ausreichend und umfassend beantwortet sind.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Brunner