Frage an Helmut Brandt von Thomas K. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Guten Tag Herr Brandt!
Nochmal zur Mehrwertsteuererhöhung:
Das große Problem für die Wirtschaft in Deutschland besteht ja gar nicht in den Lohnnebenkosten. Wenn man nämlich für Produkte und Dienstleistungen genügend zahlungskräftige Kunden am Markt vorfindet, dann ist es auch gar kein Problem, diese Lohnnebenkosten über die Preise wieder hereinzuholen. Selbstverständlich kalkuliert auch jeder Unternehmer so, daß die Lohnnebenkosten von den Beschäftigten in voller Höhe erarbeitet werden. Sie sind also tatsächlich nichts weiter als ein Teil des Lohnes, der nur nicht zum Bruttolohn gerechnet wird.
Das große Problem besteht darin, daß der Binnenmarkt zunehmend wegbricht. Das hat auch die Mehrheit der befragten Unternehmen vor einiger Zeit bei einer Umfrage angegeben. Wenn nun aber die Kunden zunehmend ausbleiben, dann drückt das die Preise, und so wird es dann erst schwierig, die vollen Lohnkosten hereinzuholen und dabei gleichzeitig noch steigende Profite zu erwirtschaften.
Woran liegt es nun, daß die Kunden zunehmend ausbleiben? Zum einen liegt das natürlich an der durch Automatisierung von Produktion und Dienstleistungen zunehmenden Erwerbslosigkeit (die übrigens auch zur Regierungszeit von CDU/CSU und FDP ungehemmt weiter gestiegen ist). Zum anderen liegt das aber auch daran, daß diejenigen, die noch Jobs haben, netto und immer öfter auch brutto immer weniger verdienen. Im Osten Deutschlands zeigt sich das besonders deutlich - da sind die Löhne besonders niedrig, Begriffe wie Tariflohn, Weihnachts- oder Urlaubsgeld sind dort für viele Beschäftigte Fremdworte, dort werden teilweise auch schon Krankheitstage auf den Urlaub angerechnet und entsprechend gering ist dann auch die Kaufkraft.
Sie wollen nun die Mehrwertsteuer erhöhen, um so die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Selbstverständlich wird den Menschen so mehr Geld aus den Taschen gezogen werden als man ihnen durch geringere Arbeitslosenversicherungsbeiträge lassen wird. Die Kaufkraft wird also weiter sinken und der Kostendruck auf dem Binnenmarkt wird weiter zunehmen.
Personal wird nun aber nicht eingestellt, weil die Lohnnebenkosten niedrig sind, sondern weil es benötigt wird. Wo die Nachfrage sinkt, wird weniger Personal benötigt, also wird dann auch kein Personal eingestellt, sondern im Gegenteil sogar entlassen. Die mittlerweile auch im Westen Deutschlands immer häufiger (üblicherweise selbstverständlich ohne Lohnausgleich) durchgezogenen Arbeitszeitverlängerungen machen das noch einfacher.
Wo sehen Sie also einen Nutzeffekt in einer höheren Mehrwertsteuer? Ich kann darin nur den Startschuß zu einer Beschleunigung der Abwärtsspirale sehen.
Der Vergleich mit anderen EU-Ländern hinkt übrigens. Dort zahlt man zwar teilweise höhere Mehrwertsteuern, dafür sind dann aber andere Steuern und Abgaben nicht selten niedriger als in Deutschland. Wenn ich mir allein schon ansehe, was man hier nur an Rundfunkgebühren muß... Da ist dann merkwürdigerweise nie die Rede davon, die Steuern und Abgaben an das europäische Niveau anzupassen. Woran das wohl liegen mag?
Freundliche Grüße,
Thomas Kreft
Sehr geehrter Herr Kreft,
Herr Brandt bat mich,Ihnen mitzuteilen, dass er aufgrund dringender Termin Ihnen erst in 8-10 Tagen antworten kann. Ich bitte herzlich um Verständinis.
Mit freundlichem Gruß
i.A. Marion Renken
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Ergänzung vom: 15.09.2005
Sehr geehrter Herr Kreft,
vielen Dank für Ihre Mail vom 23. August dieses Jahres zum Thema Mehrwertsteuer. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich aufgrund zahlreicher Termine im Zuge des Wahlkampfs und vieler Schreiben, die mich erreicht haben, erst jetzt dazu komme, Ihnen zu antworten.
Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, ein großes Problem liegt am wegbrechenden Binnenmarkt. Aber meiner Meinung nach liegt ein mindestens ebenso großes Problem darin, dass wir nicht genügend Arbeitsplätze haben. Sie selbst schreiben, wenn man für Produkte und Dienstleistungen genügend zahlungskräftige Kunden am Markt vorfände, dann sei es kein Problem, die Lohnnebenkosten über die Preise wieder hereinzuholen. Irgendwo müssen diese Kunden nur herkommen. Ohne Arbeitsplatz kein Verdienst und ohne Verdienst keine Anschaffungen.
Um aus diesem Teufelskreis herausuzukommen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, hat sich die Union entschlossen, die Lohnzusatzkosten und die Einkommenssteuer zu senken. Wissenschaftliche Studien wie die des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommen zu dem Ergebnis, dass die Senkung der Lohnnebenkosten Unternehmer zu Investitionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze veranlasst. Auch die Union ist hiervon überzeugt. Um die Senkung der Lohnzusatzkosten zu finanzierung brauchen wir die Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer. Allerdings ist die Absenkung der Lohnzusatzkosten um 2 % erst ein erster Schritt, weitere müssen folgen.
Der Vergleich mit anderen EU-Ländern hinkt insofern nicht, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Kontext unserer gesamten Steuerreform. Auch die Reformpläne der Union sehen vor, Steuern und Abgaben auch in anderen Bereichen nach und nach zu senken. Ich bin übrezeugt davon, dass diese Maßnahmen, die wir vorgesehen haben, sinnvoll ineinandergreifen werden und zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen werden.
Mit freundlichem Gruß
Helmut Brandt