Frage an Helmut Brandt von Oliver G.
Sehr geehrter Herr Brandt,
in Kürze steht die Einführung einer PKW-Maut bevor. Zusätzlich spielt Ihre Partei eine Vorreiterrolle bei der beabsichtigten Grundgesetzänderung zum Zwecke weiterer Privatisierungen, auch des Autobahnnetzes oder Teilabschnitten davon. Mich interessiert Ihre Meinung, da Sie persönlich ja die Interessen der Menschen in meinem Wahlkreis vertreten. Am Dienstag, 30.05.2017 wird Ihr Koalitionspartner SPD auf einer Fraktionssitzung über die Privatisierungspläne (auch Teile des Bildungswesens könnten mittelfristig privatisiert werden) abstimmen. Am Mittwoch, 31.05.2017 will der Haushaltsausschuss den Wortlaut der geplanten Änderungen beschließen. Nicht einmal 24 Stunden später schon soll das Ganze dann am Donnerstag, 01.06.2017 in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag. Dies alles von der Öffentlichkeit relativ unbemerkt. Ich bin feste davon überzeugt, dass den meisten Bürgern dieses Landes die Tragweite und die möglichen Folgen dieser Grundgesetzänderung nicht bewusst sind. Ich bin auch der Meinung, dass hier einem Missbrauch unseres Allgemeingutes zum Vorteil von z.B. Großbanken und Versicherungen (die ein großes Interesse an der Privatisierung des Autobahnnetzes haben) Tür und Tor geöffnet werden. Herr Brandt, warum möchte die große Koalition diese Privatisierungen unbedingt? Unser Land braucht nicht mehr Privatisierung, sondern mehr Verantwortung aus der Politik heraus. Wir können Autobahnen und gute Bildung auch als Staat betreiben, ohne private Investoren mit Profitinteresse. Wir schaffen das! Oder?
Viele Grüße aus Ihrem Wahlkreis
O. Götz
Sehr geehrter Herr Götz,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Um es gleich klipp und klar zu sagen: Wir werden das Grundgesetz ändern, da wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern grundlegend neu regeln. Das ist nötig, da der bisher gültige Länderfinanzausgleich zeitnah ausgelaufen wäre. Mit irgendwelchen vermeintlichen Privatisierungsphantasien hat das erst einmal nur sehr bedingt zu tun.
Ein Teil dieses weitreichenden Gesamtpakets, an dem Sie sich offenbar stören, ist die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft zur Verwaltung der Autobahnen unmittelbar durch den Bund. Bestehende Reibungsverluste zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten werden somit abgebaut, um bundesweit ein einheitlich hohes Qualitätsniveau unseres Autobahnnetzes sicherzustellen Es wird weder eine Privatisierung unserer Autobahnen, noch der neuen Infrastrukturgesellschaft geben. Der Bund bleibt grundgesetzlich abgesichert Eigentümer der Autobahnen. ÖPP-Projekte zur Ertüchtigung auf einzelnen Streckenabschnitten bleiben wie bislang auch weiterhin möglich.
Den Vorwurf, dass das alles „von der Öffentlichkeit relativ unbemerkt geschehe“, kann ich nicht nachvollziehen. Die Tagesschau, die heute-Nachrichten, alle großen Tageszeitungen etc. haben ausführlich und regelmäßig über die langwierigen Verhandlungen – zunächst zwischen Bund und Ländern und zuletzt zwischen den Koalitionsfraktionen – berichtet.
Was Sie etwas nebulös mit „auch Teile des Bildungswesens könnten mittelfristig privatisiert werden“ meinen, erschließt sich mir nicht. Schon jetzt gibt es Privatschulen und private Universitäten, die das staatliche Angebot bereichern und somit den Wettbewerb um die klügsten Köpfe fördern. Daran kann ich beileibe nichts Schlechtes erkennen.
Sehr geehrter Herr Götz, ich denke, dass Privatisierungen weder per se schlecht noch gut sind. In manchen Bereichen machen sie Sinn, da die jeweilige Leistung durch Wettbewerb für den Bürger deutlich kostengünstiger angeboten werden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa die Telekommunikation. In anderen Bereichen – etwa der inneren und äußeren Sicherheit – verbieten sie sich sowieso. Ich denke, wir brauchen nicht mehr oder weniger Privatisierungen, sondern Privatisierungen an den richtigen Stellen.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort gedient zu haben.
Freundliche Grüße nach Baesweiler
Helmut Brandt