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Helge Lindh
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Frage von Hendrik W. •

Sie sprachen von Freiheit als Privileg und als vulgäres Verständnis der Freiheit. Können Sie bitte erläutern wie Ihre Ansicht mit dem Grundgesetz Art. 1-2 vereinbar ist?

Herr Lindh,

in Ihrer Rede zur Abstimmung der Impfpflicht am 26.01.2022 sprachen Sie von den Privilegien der Freiheit, den die Ungeimpften genossen haben und dass die körperliche Unversehrtheit ein vulgäres Verständnis der Freiheit wäre.

Können Sie bitte erläutern wie Ihre Ansicht mit dem Grundgesetz Art. 1-2 vereinbar ist?

Warum nehmen Sie die Freiheit als ein Privileg statt ein Recht (wie nach dem Grundgesetz) wahr?

Was ist ihrer Meinung nach die kultivierteste Form der Freiheit, wenn körperliche Unversehrtheit die mindere Form ist?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für ihre Frage. Der Punkt ist, dass das Verständnis von Freiheit als körperliche Unversehrtheit, isoliert verstanden, verkürzt ist. „Vulgär“ versteht sich dabei als „zu einfach und oberflächlich“ dargestellt. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Mitmenschen beginnt. Die Gesellschaft ist die Bedingung unserer Freiheit. Körperliche Unversehrtheit, wohlgemerkt allein betrachtet, ist daher aus meiner Sicht ein vulgäres Verständnis von Freiheit, da diese mit vielen anderen Faktoren interagiert und korreliert. Nach einer Prüfung des Sachverhalts und nach Abwägung der Rechtsgüter ist eine Verfassungskonformität der Coronamaßnahmen auch durch das Urteil des Verfassungsgerichts vom 30.11.21 und natürlich auch im Hinblick auf Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes festgestellt worden. Auch eine Impfpflicht wäre nach Ansicht diverser Verfassungsrechtler mit dem Grundgesetz und damit den Artikeln 1 & 2 kompatibel. Die genaue Ausgestaltung ist Teil des nun beginnenden Gesetzgebungsverfahrens.

Die Freiheit des einzelnen wird durch die Pandemie eingeschränkt. Es gilt das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen, indem die Bürger dieses Landes, eine Infektion und deren Folgen, nach Möglichkeit vermeiden. Hierbei gilt es stetig abzuwägen, ob die Infektionsschutzmaßnahmen angemessen, notwendig und verhältnismäßig sind. Die höchste Form der Freiheit in einer Gesellschaft, ist die Freiheit aller. Wobei das aufeinander Rücksicht nehmen eine Grundvoraussetzung ist. Dementsprechend verweise ich Sie auch auf das korrekte Zitat, nicht auf das durch Russia Today unwahr und verzerrt dargestellte vermeintliche Zitat:

Dann kommen wir zu dem Punkt der Freiheit. Es ist einfach ein vulgäres Verständnis von Freiheit, immer zu denken, Freiheit sei nur rein individuelle Unversehrtheit. Leider – das muss ich einmal kritisch sagen – sind es oft diejenigen, die sich besonders laut äußern und die dann auch Grenzen überschreiten auf Demos – nicht alle wohlgemerkt, aber einzelne –, die die Privilegien und Vorteile der Freiheit immer genossen haben, aber jetzt, wo Einschränkungen, etwa in Form einer Impfpflicht, sie selbst treffen, sehr laut werden. Sie vergessen dabei, dass die eigene Freiheit bei der Freiheit des anderen endet und dass die Gesellschaft die Bedingung unserer Freiheit ist.“

Mit freundlichen Grüßen

Helge Lindh, MdB

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