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Helge Lindh
SPD
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Frage von Jens-Uwe S. •

Frage an Helge Lindh von Jens-Uwe S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Lindh,
zuerst einmal wünsche ich Ihnen ein gesundes und erfolgreiches "Neue Jahr 2018" !
Hier meine Frage: Man sagt Deutschland hat das zweitgrößte Parlament der Welt. Was werden Sie aktiv tun, damit wir in Deutschland spätestens bei der nächsten Bundestagswahl mit einer reformierten Wahlordnung ein deutlich verkleinertes Bundesparlament ( ca, 20% ) haben werden?
MfG
J. S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage vom 2. Januar 2018. Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen auch noch ein gutes neues Jahr wünschen.

Die Größe des Deutschen Bundestages und seine Zusammensetzung werden seit der vergangenen Bundestagswahl und dem Ansteigen der Zahl der Abgeordneten wieder intensiver diskutiert. Vor allem werden die Kritiken geäußert, dass ein Parlament dieser Größe an die Grenzen seiner Arbeitsfähigkeit stoße, sich die Gewichtung von den direkt gewählten Abgeordneten zugunsten der Listenmandate verschiebe und sehr hohe Kosten verursache.

Dazu möchte ich sagen, dass bei einer Bevölkerungsgröße von rund 82 Millionen in Deutschland lebenden Menschen auf einen Bundestagsabgeordneten durchschnittlich 116.000 Einwohner und Einwohnerinnen kommen. Das entspricht etwa dem Verhältnis der Abgeordnetenzahl der französischen Nationalversammlung (577) und der französischen Bevölkerung (rund 67 Millionen). Für mich hat es nun auch etwas mit Nähe zur Bürgern und Bürgerinnen zu tun, wenn ein Abgeordneter für eine möglichst geringe Zahl an Einwohnern und Einwohnerinnen da sein kann. Gemessen an der Bevölkerung hat Deutschland, nach Spanien, dennoch das zweitkleinste Parlament in Europa. Die jährlichen Kosten belaufen sich selbst im vergrößerten Bundestag auf ca. 10 Euro pro Einwohner oder Einwohnerin.

Der 19. Deutsche Bundestag besteht momentan aus 709 Abgeordnete. Bis 1990 betrug in Westdeutschland die Mindestgröße der Abgeordnetenzahl 496 Abgeordnete. Nach der Wiedervereinigung stieg diese Zahl schließlich auf 656. 1996 wurde die Zahl auf die heutige Mindestgröße von 598 Mitglieder gesenkt, die allerdings erst mit der Bundestagswahl 2002 bzw. dem Beginn der 15. Legislaturperiode griff.

Deutschland ist momentan in 299 Wahlkreise eingeteilt. Wer in einem dieser Wahlkreise die meisten Stimmen, die sogenannte Erststimme, erhält, wie in meinem Fall, zieht als Direktkandidat in den Bundestag ein. Mit der Zweitstimme votieren die Wähler und Wählerinnen für eine bestimmte Partei. Im Idealfall ziehen dadurch weitere 299 Abgeordnete über die Landeslisten ins Parlament ein. Im Idealfall bestünde der Bundestag so aus 598 Mitglieder. Dies ist noch immer die geltende gesetzlich vorgeschriebene Mindestgröße, die in § 1 Abs. 1 BWahlG festgeschrieben ist – vorbehaltlich der sich aus dem Bundeswahlgesetz ergebenden Abweichungen.

Die Ursache für die Differenz von gesetzlicher Mindestgröße und der aktuellen Zahl liegt darin, dass Union und SPD insgesamt deutlich mehr Direktmandate erzielt haben als ihnen nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese sogenannten Überhangmandate werden nach geltendem Recht komplett ausgeglichen, um das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien, aber auch um den Proporz zwischen den Bundesländern zu wahren. Durch Überhangmandate und Ausgleichsmandate entstanden so 111 zusätzliche Sitze. Das Problem besteht nun genau im Ausgleichen der Überhangmandate, da im bestehenden System nur so ein „negatives Stimmengewicht“ vermieden werden kann. Dass also entweder die Stimmen für eine Partei zu einem Verlust an Abgeordnetenmandaten führen, oder die Stimmen, die für eine Partei nicht abgegeben werden, ihr dennoch mehr Sitze einbringen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits im Mai 2012 unter der Drucksachennummer 17/5895 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Änderung des Bundeswahlgesetzes und damit eine Regulierung der Abgeordnetenzahl angeregt hat. Der Entwurf sah eine Vergrößerung der Wahlkreise und damit eine Verringerung vor, um den Anteil der Direktmandate abzusenken. Ich unterstütze diesen Vorschlag, denn ich erachte die Größe des Parlaments von mehr als 700 Abgeordneten ebenfalls für nicht optimal. Dies ist die einhellige Meinung in allen Fraktionen, und ich halte es daher auch für wichtig, dass wir uns interfraktionell über die Wahlrechtsreform einigen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat aus diesem Grund noch vor Weihnachten mit allen Vorsitzenden der Fraktionen gesprochen, um möglichst bald Pläne für eine Reform zu vereinbaren. Wie zu hören ist, favorisiere Wolfgang Schäuble nach dem ersten Treffen offenbar die Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion, die Zahl der Wahlkreise zu ändern.

Zum weiteren Vorgehen sollen sich Beauftragte aus den jeweiligen Fraktionen über Vorschläge beraten und zeitnah mögliche Lösungen vorstellen. Die Materie ist rechtlich allerdings sehr kompliziert und muss ordentlich durchdacht werden. Die SPD-Fraktion prüft daher im Augenblick selbst weitere Vorschläge. Nicht zuletzt muss eine Reform des Bundeswahlrechts vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten und darf nicht grundgesetzwidrig sein. Vor allem deshalb halte ich eine schnelle Lösung für nicht zielführend. Ich bin aber optimistisch, dass der Deutsche Bundestag für die kommende Bundestagswahl 2021 ein reformiertes Bundeswahlrecht bekommt.

Mit freundlichen Grüßen
Helge Lindh

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