Portrait von Helge Braun
Helge Braun
CDU
47 %
42 / 90 Fragen beantwortet
Frage von Thomas K. •

Frage an Helge Braun von Thomas K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Braun,

werden sie dem 3. Hilfspaket für Griechenland zustimmen obwohl ihnen die Meinung der Mehrheit der Bürger bekannt ist. Auch sollten sie den Wählern ihres Wahlkreises verpflichtet sein und nicht ihrem Parteibuch. Sie haben die Chance weiteren Schaden von den Bundesbürgern, den europäischen Steuerzahlern und den Bürgern Griechenlands ab zu wenden. Wie werden sie sich entscheiden?

Portrait von Helge Braun
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Krüger,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch. Die von der linken Syriza geführte griechische Regierung hat die durch die geleisteten Reformen begonnene Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Griechenlands zunichte gemacht. Gleichzeitig stehen ihre öffentlichen Auftritte und ihr erklärtes politisches Programm im krassen Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen, die Griechenland zur Erlangung der ersten beiden Hilfspakete gegenüber den europäischen Partnern und dem internationalen Währungsfonds eingegangen ist. Das Vertrauen, dass sich diese griechische Regierung an bestehende Absprachen hält und nötige Reformen angeht, die in anderen Ländern (Spanien, Portugal, Irland, Zypern) zwar schmerzhaft aber letztendlich erfolgreich waren, wurde zerstört.

Soziale Lage in Griechenland
Griechenland hat sich in der kurzen Regierungszeit Syrizas rasend schnell in eine Mangelwirtschaft gewandelt. Ich gehe davon aus, dass die griechische Bevölkerung bei einem fortgesetzten Vertrauensverlust in die Liquidität des Staates innerhalb kürzester Zeit humanitärer Hilfe bedürfte, weil die staatliche Ordnung zusammenbräche und die grundlegende Versorgung mit Nahrung, Medikamenten oder Ersatzteilen nicht mehr effizient organisiert werden könnte.

Nicht erpressbar
Die deutsche Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren zusammen mit ihren europäischen Partnern daran gemacht, unsere gemeinsame Währung und unsere Banken gegen internationale Ansteckungseffekte nationaler Krisen innerhalb des Euroraumes zu immunisieren.
Die grenzüberschreitenden Effekte eines Staatsbankrottes der Hellenischen Republik oder eines Zusammenbruches ihrer großen Banken scheinen inzwischen kalkulierbar.
Daraus hat sich für Deutschland eine erheblich stärkere Verhandlungsposition gegenüber Griechenland ergeben. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras hat das in der Nacht zum 13. Juli erfahren müssen.

Verhandlungen der Eurogruppe und der Regierungschefs der Euroländer
Die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben vor diesem Hintergrund auf Basis der Vorarbeiten der Eurogruppe festgehalten, dass Griechenland zugesagt hat, bis zum 15. Juli 2015 vier Maßnahmenpakete gesetzlich umzusetzen (sowie bis zum 22. Juli 2015 zwei weitere Maßnahmen). Die Institutionen (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) sowie anschließend die Eurogruppe werden die Umsetzung dieser Maßnahmen überprüfen.

Zudem soll ein etwaiges Programm durch zusätzliche Reformmaßnahmen gestärkt werden sowie durch

(i) ein erweitertes Privatisierungsprogramm mit einem unabhängigen Fonds, an den griechische Vermögenswerte übertragen werden, die dieser mit einem angestrebten Gesamtwert von 50 Mrd. € monetarisiert - als Beitrag zur Refinanzierung der ESM- Schulden Griechenlands und zum Teil für Investitionen,

(ii) ein Programm zur Stärkung der Kapazitäten und Modernisierung der griechischen Verwaltung unter Federführung der Europäischen Kommission sowie

(iii) eine Normalisierung der Arbeitsbeziehungen zwischen Griechenland und Institutionen (insbesondere eine Vorabstimmung von Gesetzentwürfen oder Möglichkeiten von Prüfungen vor Ort in Griechenland).

Beschluss des Bundestages zur Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland am vergangenen Freitag
Nachdem Griechenland die Vorbedingungen nachweislich der Überprüfung durch die Institutionen erfüllt hat, halte ich die Verhandlung für weitere Hilfsmaßnahmen von Seiten der europäischen Partner für geboten. Deshalb habe ich am Freitag für die Aufnahme weiterer Verhandlungen gestimmt.
Der Eurogipfel hat deutlich gemacht, dass dem Beginn der Verhandlungen nicht automatisch eine mögliche Vereinbarung über ein ESM-Programm folgt. Fragen des Finanzbedarfs sollen von den Institutionen zunächst ein weiteres Mal geprüft werden.
Ein etwaiger Bedarf an Maßnahmen zur Stärkung der Schuldentragfähigkeit soll nicht vor erfolgreichem Abschluss einer ersten Programmüberprüfung geprüft werden und stünde ohnehin unter dem Vorbehalt voller Programmumsetzung. Neben einem ESM-Programm bleibt ein vorübergehendes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone in enger Kooperation mit den Euroländern eine mögliche Alternative.

Alternative
Ein unvorbereitetes und ungewolltes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, weil der griechische Staat weder seine inländischen noch ausländischen Verpflichtungen in Euro bedienen kann, wäre die schnelle Folge eines Scheitern der Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs oder eines Ablehnens der Gipfelergebnisse durch die nationalen Parlamente gewesen.
Neben einer weiteren Verschlechterung der sozialen und politischen Lage in Griechenland, wären unkontrollierte geopolitischen Risiken aus offenen Fragen in der Zusammenarbeit von Europäischer Union und NATO entstanden. Diese Nachteile für Deutschland bin ich nur dann bereit in Kauf zu nehmen, wenn sich die Regierung Griechenlands fortgesetzt unfähig und unwillig zu Reformen beweist. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass wir diesem Szenario mit den gemeinsam vereinbarten Kontrollmechanismen einen Riegel vorgeschoben haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Helge Braun

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Helge Braun
Helge Braun
CDU