Frage an Helga Trüpel von Christian M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Trüpel,
auf Grund des Lissaboner Vertrages sind Angriffskriege mit Atomwaffeneinsatz möglich, ohne Zustimmung des Parlaments.
Ausserdem gibt es ein Schiessbefehl im Kriegsfall, der die Grundrechte der Charta ausschliesst.
Hat der Lissaboner Vertrag ihre Zustimmung ?
Teilen die Grünen die Zustimmung für den Waffeneinsatz und Führung von Angriffskriegen, wenn nicht, was haben Sie dagegen getan ?
Manche Politiker reden von zukünftigen Verteilungskämpfen. Kann amn dies mit einem Bürgerkrieg gleichsetzen ?
Und sehen sie Gefahren für einen Bürgerkrieg in Deutschland, wenn z.B. der Staat Zahlungsunfähig ist oder die Krise sich massiv verschlimmert ?
Besten Dank und freundliche Grüsse,
Christian Maier
Sehr geehrter Herr Maier,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gut, dass Sie uns schreiben, denn es gibt Einiges was mit Blick auf die EU und den Vertrag von Lissabon klarzustellen ist:
1) Der Vertrag von Lissabon erlaubt weder den Einsatz von Atomwaffen, noch beinhaltet er einen Schiessbefehl. Der Vertrag von Lissabon verweist vielmehr explizit auf die UN Charta (siehe Artikel 3 (5)). Die UN Charter verbietet explizit sowohl den Angriffskrieg, als auch den Schiessbefehl. Der Einsatz von französischen und britischen Atomwaffen ist nicht Gegenstand des Lissabon-Vertrages. Es gibt im Lissabon-Vertrag keinen Artikel 5, wie im Vertrag der NATO, der den automatischen Einsatz von Atomwaffen ermöglicht. Aber auch im Fall der NATO geht dies nur, wenn das NATO-Territorium angegriffen wird.
2) Der Lissabon-Vertrag erlaubt der EU - wenn dem alle Mitgliedstaaten zustimmen (jedes Land hat ein Veto in diesen Fragen) - einen Einsatz militärischer Mittel zur Wiederherstellung von Frieden, oder der Stabilisierung von Frieden. Eine solche EU-Mission agiert aber immer mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrates und ist damit völkerrechtlich legitimiert. Zweitens holt die EU immer eine formale Zustimmung des "Gastlandes" oder gar verfeindeter Konfliktparteien ein, bevor eine EU-Truppe entsendet wird. Bei diesen Missionen gibt es nie einen so genannten Schiessbefehl. Den Schiessbefehl gab es an der innerdeutschen Mauer und wurde von DDR-Grenzern umgesetzt. Oftmals wurde von diesen Grenzern auf unbewaffnete Flüchtlinge geschossen. Der Einsatz der Waffe bei EU-Missionen ist unter dem Stichwort "Einsatzregeln" nachzulesen. Die sind von Mission zu Mission unterschiedlich, weil das Einsatzgebiet immer unterschiedlich gefährlich ist. Aber nie gibt es das Recht auf Unbewaffnete zu schießen. Selbst wenn EU-Soldaten mit Bewaffneten konfrontiert sind, dürfen sie erst schießen, wenn sie angegriffen werden. Also auch hier geht es um Verteidigung.
3) Die Grünen sind ganz eindeutig für friedensschaffende und friedenssichernde Einsätze. Wir wollen, dass die EU in der Lage ist, Massaker wie 1995 in Srebrenica (Bosnien) und in Ruanda verhindern kann. Wir haben eine Verpflichtung - laut Völkerrecht, universelle Erklärung der Menschenrechte, Menschen in Not - zur Not mit der Waffe in der Hand als letzte Möglichkeit - zu schützen.
4) Die EU hat bereits vor Lissabon eine ganze Menge an Auslandseinsätzen durchgeführt. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die große Mehrheit der 23 Missionen ziviler Natur war. D.h. dass gar keine Soldaten, sondern Verwaltungsexperten, Mediatoren und Polizisten entsandt wurden.
5) Sie sprechen Ressourcenknappheit an. Das ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema. Wir sind dagegen, EU-Mission dazu einzusetzen, um den Zugang der EU zu strategischen Ressourcen, wie Öl oder Gas, zu sichern. Vielmehr glauben wir, dass man mit einer ausgewogenen Handelspolitik sich zuspitzende Ressourcenkonflikte entschärfen kann. Z.B. sollten Fischer aus EU-Ländern nicht die Küsten vor Somalia leer fischen und dadurch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme vor Ort verschärfen. Nicht zuletzt trägt eine solche Fischereipolitik dazu bei, das Problem der Piraterie zu verschärfen.
Wir glauben nicht, dass es mittel- und langfristig die Gefahr von Bürgerkriegen wegen Verteilungskonflikten in Deutschland gibt. Dafür geht es unserem Land - gerade auch im Vergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten - viel zu gut.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen den Vertrag von Lissabon sympathischer machen. Wir Grünen haben auch wegen dem Friedensaspekt für ihn geworben.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Trüpel