Heinz Golombeck
FDP
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Frage von Jean-Luc W. •

Frage an Heinz Golombeck von Jean-Luc W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Golombeck,

als Arzt beobachte ich die auch von Verdi-Seite unterstützen Bestrebungen, eine Tarifeinheit in Betrieben gesetzlich zu erzwingen, und damit faktisch z.B. den Ärzte-TV von 2006 ausser Kraft zu setzen, mit großer Sorge. Ich fühle mich hier in meinen vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechten beschnitten, es macht ausserdem wenig Sinn, unterschiedlichen Berufsgruppen Tarifverträge "überzustülpen".

Mich würde die liberale Position zu diesem Anliegen interessieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Jean-Luc Wagner

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Wagner,

gern möchte ich Ihnen die Position der FDP-Bundestagsfraktion mitteilen: Das Bundesarbeitsgericht hat den Grundsatz der Tarifeinheit mit Urteil vom 7.7.10 aufgegeben. Es ist zu der Einsicht gelangt, dass der Grundsatz der Tarifeinheit einen ungerechtfertigten Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstellt – ein wichtiges durch das Grundgesetz geschütztes Freiheitsrecht.

FDP-Bundestagsfraktion hält einen Eingriff, wie es im Konzept von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) vorgesehen ist in die Tarifautonomie für verfassungsrechtlich bedenklich. Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, mit Einschränkungen der Tarifautonomie hat sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit bewusst zurückgehalten. Mit einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit würde der Gesetzgeber Neuland betreten, was unabsehbare indirekte Folgewirkungen für alle tarifpolitischen Akteure in Deutschland haben kann. Für uns Liberale genießen Tarifautonomie und Vielfalt einen höheren Stellenwert als eine vermeintliche Rechtssicherheit durch staatliche Regulierung. Dass eine einheitliche Personalpolitik mit möglichst geringem administrativem Aufwand aus Unternehmenssicht wünschenswert ist, ist aus unserer Sicht ohne weiteres nachvollziehen. Dies erlaubt jedoch nicht die gesetzlich Anordnung der Unanwendbarkeit eines Tarifvertrags, nur weil eine Gewerkschaft im Betrieb weniger Mitglieder hat als eine andere. Einem Arbeitnehmer ist nicht zu erklären, warum er einer Gewerkschaft beitreten und einen Mitgliedsbeitrag zahlen soll, wenn deren Tarifvertrag für ihn nicht gilt. Den Bürgerinnen und Bürgern werden Anreize und Chancen genommen, sich freiwillig in Organisationen zusammenzuschließen, um für ihre gemeinsamen Interessen einzutreten. Jegliches Engagement versiegt, wenn es keine Chance auf Erfolg hat. Die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip hätte die Wirkung einer Markteintrittsbarriere für Gewerkschaften. Die Regel, dass im Zweifel der Größere gewinnt, ist mit liberalen Zielen nicht zu vereinbaren. Wir wollen einen fairen Wettbewerb zwischen Gewerkschaften möglichst ohne gesetzgeberische Beeinflussung. Eine voreilige Einschränkung der in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes gewährleisteten Koalitionsfreiheit lehnen wir deshalb ab. Wir setzen darauf, dass Gewerkschaften wie Arbeitgeber mit der Koalitionsfreiheit in ihren unterschiedlichen Facetten weiterhin verantwortungsvoll umgehen, um zu einem gerechten Interessenausgleich zu gelangen, und dass die Arbeitsgerichte sie dabei – wo nötig – wirksam unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Golombeck, MdB