Heinz Golombeck
FDP
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Frage von Christian S. •

Frage an Heinz Golombeck von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Golombeck,

Deutschland hat bereits 2003 das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption unterzeichnet, aber bisher noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Erforderlich wäre dazu unter anderem eine Verschärfung des Straftatbestands des §108 StGB (Abgeordnetenbestechung).

Mehr als 3/4 der UN Mitgliedstaaten haben diese UN-Konvention bereits ratifiziert. Deutschland hinkt hinterher. Wie stehen Sie als auch direkt Betroffener dazu?

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schwarz,

vielen Dank für Ihre Mail, die ich gern beantworte.

Bevor man eine - vielleicht gut gemeinte - Verschärfung der Normen zur Abgeordnetenbestechung fordert, muss man die rechtstechnischen Möglichkeiten der Umsetzung bedenken.

Das UN-Übereinkommen nimmt zum Teil keine Rücksicht auf die unterschiedlichen
Rechtstraditionen und Rechtsstandards der Mitgliedsländern. So enthält das Übereinkommen eine Bestimmung, die die Strafbarkeit von Bestechungshandlungen von Amtsträger vorsieht. Der Begriff des Amtsträgers soll dabei weit gefasst werden und schließt auch Parlamentarier mit ein. In Deutschland ist jedoch der Amtsträger oder der Beamte im öffentlichen Dienst mit dem frei gewählten Abgeordneten in keiner Weise gleichzusetzen, denn es existiert, anders als bei Beamten, kein klarer Pflichtenkreis für Abgeordnete.

Ein möglicher Tatbestand, wie ihn Grüne und Linke fordern (zuletzt DIE LINKE, 17/1412), wäre wegen fehlender Klarheit und diverser unbestimmter Rechtsbegriffe verfassungsrechtlich sehr angreifbar; er müsste mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten .

Es ist nicht möglich, Abgeordnete strikt und objektiv nur dem Allgemeinwohl unterwerfen zu wollen, da es ein solches nicht gibt, sondern höchstens einen Durchschnitt aller Einzelinteressen. Um einem solchen dienen zu wollen, müssten alle Abgeordneten ein gleiches durchschnittliches Gesamtinteresse vertreten und dürften niemals Interessen einzelner Interessengruppen im Blick haben. Wenn sie gar selber zu einer Interessengruppe gehören, dürften sie nach dieser Logik keinem Gesetz mehr zustimmen, dass sie zwar freien Gewissens für richtig halten, dass sie aber am Ende begünstigt.

Gern gebe ich Ihnen hier noch einmal die Begründung zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP, BT-Drs. 12/5927 (SPD gleichlautend in 12/1630), zur Kenntnis, in dessen Folge der geltende § 108e StGB eingeführt wurde:

"Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden. Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsnahmen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mit verfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für Ihre Belange einsetzt. Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar abgegrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der Abgeordneten reicht über das eigentliche parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen."

2006 stellte der Bundesgerichtshof noch einmal klar, dass Abgeordnete keine Amtsträger sind:

BGH, Urteil vom 9. 5. 2006 - 5 StR 453/ 05: [...]
Zwischen dem typischen Verwaltungshandeln in behördlichen oder behördenähnlichen Strukturen und dem politischen Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats gibt es strukturelle Unterschiede, die eine differenzierte Behandlung beider Handlungsformen öffentlicher Gewalt rechtfertigen. Dies wird auch im Hinblick auf die handelnden Personen deutlich: Bei Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung ist der Entscheidungsträger grundsätzlich substituierbar; seine Entscheidungsbefugnis kann regelmäßig in der Verwaltungshierarchie delegiert oder von höherrangiger Stelle evoziert werden. Das Amt ist nicht personengebunden, der Amtsträger dafür aber zumeist weisungsgebunden. Im Gegensatz dazu trifft der Abgeordnete aufgrund seines freien Mandats im Plenum seiner Volksvertretung eine in diesem Sinne "unvertretbare" Entscheidung. Sein Amt ist personengebunden, er kann seine Stimmabgabe nicht auf einen Vertreter übertragen; kein anderer darf die Entscheidungsbefugnis des Abgeordneten an sich ziehen. Gerade wegen der Unvertretbarkeit der Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung spielen dabei auch legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung der Mandatsträger in die Volksvertretung gewählt wurde, eine wesentliche Rolle.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Golombeck, MdB