Frage an Heinrich Niemann von Frederick M. bezüglich Recht
Hallo Herr dr. Niemann,
viele Angehörige der PDS halten immer noch den Mauerbau für richtig.
Wie stehen Sie dazu?
Was halten Sie vom damals getenden schießbefehl?
Hat Ihre Partei als Rechtsnachfolger der damaligen verantwortlichen Staatspartei hier eine besondere Verantwortung?
Sehr geehrter Herr Mars,
der Bau der Mauer erfolgte in einer besonders zugespitzten Situation des Kalten Krieges zwischen den Blöcken, woran beide Seiten ihren Anteil hatten.
Um mich nicht misszuverstehen: jeder Tote an dieser Mauer war einer zu viel, war ein Opfer des kalten Krieges und eines nach innen, gegen die Bürger der DDR gerichteten Grenzregimes. Dessen Fortbestehen und Perfektionierung wurde am Ende Symbol für das Scheitern des realen Sozialismus in der DDR. Meine Partei die LINKE hat sich dazu mehrfach klar erklärt.
Dass es in der Partei der LINKEN Mitglieder gibt, die sich mit dem Bau der Mauer 1961 und den Folgen besonders für die DDR sehr intensiv auseinandersetzen und einzelne Bewertungen aus heutiger Sicht - nach 50 Jahren vom Ende her - und im vorherrschenden medialen und politischen "Zeitgeist" als allzu vereinfacht oder einseitig ansehen, kann ich durchaus nachvollziehen. Das war und ist auch bei anderen wichtigen historischen Ereignissen im übrigen nicht ungewöhnlich. Auch hier gibt es nicht die eine Wahrheit.
Denn nicht wenige von ihnen haben die heute oft verschwiegenen negativen Auswirkungen der Offenen Grenze bis 1961auf die Wirtschaft und das Leben in der DDR, auf die diejenigen, die in der DDR lebten und nicht in den Westen gegangen sind, zum Teil dramatisch miterlebt. Sie mussten die Folgen ausbügeln, immer wieder neu Lücken schließen usw. Ich kann heute noch keine Rechtfertigung dafür finden, dass zum Beispiel viele in der DDR gut ausgebildeten Ärzte mit günstigen Bedingungen aus der BRD her ermuntert und z.T. regelrecht abgeworben wurden, die DDR, nein, ihre Patienten, zu verlassen.
Wenn z.B. Egon Bahr - hier wohl wirklich unverdächtig - wußte, "dass Ulbricht ein Auslaufen der DDR für 20 Pfennig S-Bahnfahrt nicht zulassen konnte" und die Frage bestätigt, dass 1961 nach dem Bau der Mauer in Westberlin plötzlich Fachkräfte, Lehrer und Ärzte aus Ostberlin fehlten und dazu meint, dass Westberlin "die realen wirtschaftlichen Verluste bis heute nicht wettmachen konnte" so spricht das für sich. Es belegt mit einem Formulierungsumweg, dass Westberlin jahrelang auf Kosten der DDR, d.h. auf Kosten der Arbeit der Leute in der DDR gelebt hat.(Zitiert aus einem Interview des ND mit Egon Bahr am 13.8.2011)
Ja, sehr geehrter Herr Mars, die Partei DIE LINKE bleibt in einer besonderen Verantwortung. Das gilt m.E., obwohl hier z.B. Egon Bahr zu recht auch festgestellt hat, dass die LINKE keine Bringeschuld zur Aufarbeitung mehr habe. Die Geschichte des 13. August wird uns aber, ob wir wollen oder nicht, weiter beschäftigen .Vor allem wohl, um die richtigen Lehren für die jetzigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und für eine künftige gerechte Gesellschaft zu ziehen .
Dazu nur eine Frage, auch an Sie: Wie geht denn eigentlich die jetzige demokratische westliche Welt mit den Mauern oder mauerähnlichen Bauwerken an der Grenze Israels, zwischen den USA und Mexiko und anderen Stellen um ?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich Niemann