Frage an Heinrich Garg von Karl C. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Garg,
wahrscheinlich ist Ihnen bekannt, dass sich die Situation der freien Hebammen drastisch verschlechter hat. Sie stehen für ihre berufliche Tätigkeit bei einer Geburtshilfe 30 Jahre in der Haftung. Dies ist natürlich ein unübersehbares Risiko, da in diesen 30 Jahren das geborene Kind, die Mutter und die Krankenkasse versuchen könnten, alle möglichen gesundheitlichen Schäden auf eine Spätfolge durch die Geburt zurückzuführen. Die Versicherungsbeiräge wurden deshalb so exorbitant hoch, so dass die Hebammen bei den geringen Pauschalen, die sie als Beleghebammen oder bei Hausgeburten bekommen, diese Kosten nicht mehr tragen konnten. Dies hat z. B. in Nordfriesland dazu geführt, dass keine freiberufliche Hebamme noch Geburtshilfe leistet. Und es auch nicht mehr darf. Selbst wenn sie in der Nachbarschaft wohnen würde, dürfte sie lediglich erste Hilfe leisten, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Dies halten wir (die Wählergemeinschaft Nordfriesland) für eine außergewöhnliche Verschlechterung der Situation der werdenden Mütter in dieser Region. Geburten sind de facto nur noch in Krankenhäusern mit einer Geburtsabteilung möglich. Statistisch gesehen finden 3% der Geburten am festgestellten Stichtag statt. Hier wohnen aber die meisten Menschen nicht in der Nähe eines Krankenhauses, nicht wenige leben sogar auf Inseln und Halligen.
Mir ist auch die Berechnung der Prämien der Versicherungen nicht klar. Werden in einer Region in einem Zeitraum X 100 Babies geboren, so gibt es 100 Risiken, unabhängig davon wie viele Hebammen beteiligt waren. Wenn lediglich 1 Hebamme alle Geburten begleitet hat, werden ca. 4.000 Prämie fällig, waren 10 Hebammen beteiligt 40.000€. Können Sie mir das erklären?
Wir würden gerne erfahren, wie Sie zu dieser Problematik stehen und ob Sie gedenken, etwas zu unternehmen, die Situation der Hebammen und der werdenden Mütter zu verbessern.
MfG
Karl Carlsen
WG NF
Sehr geehrter Herr Carlsen,
die flächendeckende Geburtshilfe muss in Schleswig-Holstein gewährleistet bleiben. Dazu tragen die freiberuflichen Hebammen nicht unwesentlich bei. Die Verdienstsituation ist für diese Frauen besonders aus den von Ihnen geschilderten Gründen in Hinblick auf die Haftpflichtversicherung sehr angespannt. Die Beteiligten sind sich einig, dass eine Verbesserung der Erlössituation der Hebammen diese Lage wieder entspannen kann. Das Land Schleswig-Holstein konnte in dieser Sache direkt durch Anpassung der Beihilfesätze für Landesbeamte in der entsprechenden Verordnung beitragen. Die Neufassung der „Landesverordnung über die Vergütung der Leistungen der Hebammen und Entbindungspfleger gegenüber Selbstzahlerinnen“, in der die Vergütungen der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspflegerinnen und -Pfleger für berufsmäßige Leistungen gegenüber Selbstzahlerinnen auf das Niveau der GKV-Vergütungssätze angehoben wird, wurde im April des vergangen Jahres von mir vorgenommen.
Natürlich bedarf es zudem einer angemessenen Vergütung der Leistungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen. Diese müssen von den Vertretern der Hebammen mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Bund und Länder haben in dem Ende letzten Jahres verabschiedeten GKV-Versorgungsstrukturgesetz dabei die Problematik aufgegriffen und eine entsprechende Passage in das Gesetz aufgenommen (§ 134a Abs. 1: „Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen nach Satz 2 sind insbesondere Kostensteigerungen zu beachten, die die Berufsausübung betreffen.), d.h. hinsichtlich der Vergütung der Hebammenhilfe wird klargestellt, dass bei steigenden Kosten trotz grundsätzlicher Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität höhere Vergütungen vereinbart werden können.
In der Gesetzesbegründung heißt es:
"Nach geltendem Recht haben die Vertragspartner in den Verträgen zur Hebammenhilfe bei den zu vereinbarenden Vergütungen neben der Beitragssatzstabilität § 71 auch die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Hebammen zu berücksichtigen. Mit dem angefügten Satz wird ausdrücklich klargestellt, dass dabei auch die die Berufsausübung betreffende Kostensteigerungen (z.B. Beitragserhöhungen zu den von den Hebammen abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherungen) zu beachten sind.
Von den Vertragsparteien hat danach eine nachvollziehbare Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der freiberuflichen Hebammen und den Interessen der Versichertengemeinschaft zu erfolgen. Trotz vorgeschriebener Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität können dabei höhere Vergütungen vereinbart werden, wenn dies erforderlich ist, um den Hebammen eine angemessene Vergütung zu gewähren."
Da ich mich im Vorfeld sowohl schriftlich wie mündlich gegenüber dem Bundesgesundheitsminister für eine solche Passage eingesetzt habe, bin ich zuversichtlich, dass sich auf Basis dieser Neuerung die Lage für die freiberuflichen Hebammen entspannen kann. Dennoch muss die Situation bis zu einem befriedigenden Abschluss der Neuverhandlungen im Auge behalten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heiner Garg