Frage an Heiko Thomas von Raimund P. bezüglich Gesundheit
Sehr geeherter Herr Thomas,
jüngst haben Sie den Berliner Senat aufgefordert, eine verbindliche Grundlage für den Vertrieb und den Gebrauch von nikotinhaltigen E-Zigaretten zu schaffen.
Im Zitat: "Ganz offensichtlich ist die E-Zigarette nicht die bessere Zigarette, sondern verursacht erheblichen gesundheitlichen Schaden für alle. Wir brauchen deshalb endlich Klarheit."
1) Woher beziehen Sie die Erkenntnis, daß E-Zigaretten "erheblichen gesundheitlichen Schaden für alle" erzeugt? Welche Studien können Sie dazu vorlegen?
2) Welche weitere Gefahren sehen Sie durch die Nutzung der E-Zigarette? In Ihrer Darstellung klingtr das zu allgemein.
3) Wieviel Spendengelder erhielten die Berliner B90/Die Grünen durch Pharmakonzerne oder Tabakkonzerne?
Danke für die Beantwortung,
MfG,
Raimund Perz
Sehr geehrter Herr Perz,
bei der Beantwortung Ihrer Fragen möchte ich Schritt für Schritt vorgehen.
Zu 1) Bei Ihrem angegebenen Zitat beziehe ich mich u.a. auf Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und die Beantwortung der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 29.02.2012.
Zu 2) Ich sehe zahlreiche Gefahren, die auch in Studien untersucht wurden. Um mich nur auf die kleine Anfrage vom Februar zu beziehen, gibt es Hinweise darauf, „dass beim Verdampfen der Liquids krebserregende Substanzen (z. B. Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein) entstehen, deren Konzentrationen bei Untersuchungen des eingeatmeten Dampfes oberhalb der zulässigen Innenraumgrenzwerte lagen (Uchiyama et al., 2010, Journal of Chromatography A, 1217: 4383-4386 & Übersichtsartikel: Etter et al., 2011, Tobacco Control 20: 243-248).“ (Drucksache 17/8772, S. 5) Das hat auch Auswirkungen auf Menschen in der Umgebung von E-Zigaretten-Nutzern. „Beim Konsum von E-Zigaretten werden Emissionen in die Raumluft abgegeben, die von den Produkteigenschaften, der Zusammensetzung der Liquids und dem Rauchverhalten beeinflusst werden. Die mögliche Gefährdung hängt auch von den örtlichen Gegebenheiten, wie Belüftung und Raumgröße ab. Ältere Untersuchungen zeigen, dass die durch die E-Zigaretten mit Tabakerhitzung z. B. emittierten Formaldehydmengen in der Größenordnung von normalen Zigaretten liegen können, z. T. jedoch auch deutlich (2,4-fach) darüber.“ (Drucksache 17/8772, S. 6)
Darüber hinaus, ist nicht gegeben, dass E-Zigaretten allein für den Ausstieg aus der Nikotinsucht genutzt bzw. geeignet sind. So „wurde in der Literatur im Zusammenhang mit E-Zigaretten der Begriff „nicotine graduation process“ verwendet (Henningfield and Zaatari 2010, Tobacco Con- trol 19: 89-90), der beschreibt, dass bei Jugendlichen und Nichtrauchern eine niedrigere Hemmschwelle gegenüber niedrig dosierten Produkten besteht, die jedoch eine Nikotinsucht auslösen, wodurch später der Wechsel zu effizienteren Applikationen, wie beispielsweise auch herkömmlichen Tabakzigaretten begünstigt werden kann.“ (Drucksache 17/8772, S. 8) Solcherart Folgen müssen auch immer mitbedacht werden.
Sicherlich stellen Sie das Gefährdungspotential von Nikotin im Allgemeinen nicht in Frage. Denn Tatsache ist, dass Nikotin neben einem akuten auch ein chronisches Gefährdungspotential besitzt. „Studien zur Gentoxizität deuten an, dass Nikotin ebenfalls ein genetisches Gefährdungspotential besitzt. Darüber hinaus sind auch die pharmakologischen Eigenschaften sowie die Suchtgefahr des Nikotins zu berücksichtigen. Nikotin steigert beim Menschen die Herzfrequenz und den Blutdruck und gilt als Risi- kofaktor für die Entstehung von Herz- und Hirninfarkten, Gewebsnekrosen und Aneurysmen.“ (Drucksache 17/8772, S. 8) Solange E-Zigaretten Nikotin enthalten, treffen die genannten Gefahren in welchem Umfang auch immer ebenfalls auf diese zu.
Eine Intoxikation mit Nikotin führt sogar durch eine Lähmung der Atemmuskulatur innerhalb einer Stunde zu Atemversagen. Bei weniger schweren Vergiftungsfällen mit Nikotin wurden mitunter folgende Symptome beschrieben: Brennen im Mund- und Rachenraum, Übelkeit, vermehrter Speichelfluss bzw. vermehrtes Schwitzen, Bauchschmerzen, Durchfall, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Krampfanfälle. Nikotinhaltige Liquids und Nachfülllösungen bei der E-Zigarette stellen im Vergleich zu herkömmlichen Tabakerzeugnissen wegen der konzentrierten Nikotinmengen eine deutlich größere Gefährdung dar. (Vgl. Drucksache 17/8772, S. 8)
Zusätzlich ist der Zugang und die Nutzung von E-Zigaretten wesentlich riskanter. „Das Gemeinsame Giftinformationszentrum Erfurt der Länder Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (GGIZ) hat bereits 2008 auf Anfrage der Länder die Gefährlichkeit des in den Kartuschen von E-Zigaretten enthaltenen Nikotins bewertet. Tödliche Mengen für ein zwei Jahre altes Kleinkind mit einem Gewicht von ca. 12 kg können z. B. in ein bis zwei Kartuschen mit 6 mg Inhalt enthalten sein. Problematisch ist, dass im Falle von schweren Vergiftungen kein Gegenmittel zur Aufhebung von allen Nikotinsymptomen zur Verfügung steht.“ (Drucksache 17/8772, S. 8-9)
Zu 3) Bündnis 90/ Die Grünen setzen sich für die vollständige Umsetzung der Tabakrahmenkonvention (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation WHO in Deutschland ein. Dazu gehört die Beschränkung der Tabakwerbung in der Öffentlichkeit sowie die Verpflichtung der Tabakindustrie, über ihre Lobbyarbeit, über ihr vermeintlich gemeinnütziges Engagement und über politische Spenden zu berichten. Bislang steht jedoch die schwarz-gelbe Bundesregierung fest an der Seite der Tabakindustrie. Bündnis 90/ Die Grünen haben seit langem keine Spendengelder von Seiten der Tabaklobby angenommen. Dies ist klare Beschlusslage der Bundespartei.
Viele Grüße
Heiko Thomas