Frage an Heiko Schmelzle von Manfred A. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schmelzle!
Da sie im Begriff sind, ihr Bundestagsmandat in Berlin aufgeben zu wollen, falls Sie in der ostfriesischen Stadt Norden als Bürgermeister gewählt werden sollten, möchte ich Sie einmal fragen ob die anfallenden durchschnittlichen Kosten pro Bundestagsabgeordneter für ein Jahr einer Legislaturperiode auf Grundlage des Bundeshaushaltsplanes für das Jahr 2016 Ihrer Meinung nach voll gerechtfertigt sind und der Bürger und Steuerzahler eine entsprechende Gegenleistungen erhält, die diese Kosten voll rechtfertigen
Diäten: 104.761 Euro
Kostenpauschale: 50.476 Euro
Mitarbeiter von MdBs: 321.151 Euro
Geschäftsbedarf / Büromaterial: 12.048 Euro
Zuschuss zu Krankheitskosten: 12.373 Euro
Übergangsgeld: 818 Euro
Beitrag zur Rentenversicherung: 72.183 Euro
Kostenerstattung für Nutzung ÖPNV: 3.487 Euro
Reisekostenerstattung: 21.111 Euro
Zuschuss an die Fraktionen: 133.843 Euro
Gesamtkosten eines MdB pro Jahr 732.251 Euro
Jeder einzelne Bundestagsabgeordneter verursacht also monatliche Kosten in Höhe von 61.021 Euro. Alle 630 Bundestagsabgeordnete zusammen monatlich 38.443.230 Euro.
Des weiteren möchte ich Sie fragen, ob es für Sie in Ordnung ist, das ein Eckrentner nach 45 Jahren ununterbrochener Arbeitsleistung, bei der er monatlich mit 2.700 Euro Brutto entlohnt wurde, am Ende seiner Tage auf die Höhe der Standardrente von rund 1.176 Euro kommt, während ein Bundestagsabgeordneter auf Basis seiner Rentenbeiträge dafür nur etwas mehr als 4 Jahre benötigt.
Ich bedanke mich heute schon für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Atorf
Sehr geehrter Herr Atorf,
der Kommunalwahlkampf bindet im Moment sehr viel Zeit, so dass ich erst heute auf Ihre Anfrage antworte. Sollten mich die Bürgerinnen und Bürger zum Bürgermeister von Norden wählen, werde ich mein Abgeordnetenmandat zurückgeben.
Zunächst muss ich darauf hinzuweisen, dass Ihre Aufschlüsselung der Entschädigungsregelungen nicht in vollen Umfang zutreffend ist.
Richtig ist, dass Abgeordnete seit dem 1. Juli 2016 9.327,21 Euro pro Monat als Entschädigung erhalten. Diese Entschädigung unterliegt der Einkommenssteuerpflicht. Die Diät erhalten die Abgeordneten brutto, sie ist somit einkommensteuerpflichtig. Die Steuerpflicht für Abgeordnetenbezüge ist unter § 22 des Einkommenssteuergesetzes geregelt, Freibeträge werden dabei nicht gewährt. Neben Steuern zahle ich natürlich auch Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. In die Arbeitslosenversicherung können und dürfen wir nicht einzahlen, da wir keine Arbeitnehmer im herkömmlichen Sinne sind. Deshalb besteht auch keine Pflicht zur Zahlung in die gesetzliche Rentenversicherung. Daneben zahle ich von den Nettobezügen- wie mutmaßlich jeder andere Abgeordnete auch - übrigens monatlich Beiträge an meine Partei und parteiliche Gruppierungen.
Wir erhalten die Diät als Entschädigung, damit unsere Unabhängigkeit, die uns durch das Grundgesetz zugesichert wird, gewährleistet ist. Die Höhe ist gesetzlich vorgeschrieben. Während Löhne, Einkommen und Lebenshaltungskosten seitdem deutlich gestiegen sind, sind die Diäten nachweislich hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück geblieben.
Viele der von Ihnen aufgelisteten Durchschnittskosten sind in dieser Pauschalität auf den jeweiligen Abgeordneten überhaupt nicht anzuwenden. Beispielsweise führen Sie die Zuschüsse an die Fraktionen an. Diese werden an die Fraktion zu Erfüllung Ihrer kraft Gesetz verliehenen Aufgaben und Funktion gezahlt. Diese Zuschüsse stehen nicht den einzelnen Abgeordneten zur Verfügung, sondern werden für die Organisation der Fraktionsarbeit nebst Fraktionsmitarbeitern gezahlt.
Auch die Zuschüsse zu den Krankheitskosten sind höchst unterschiedlich und richten sich danach, ob der Abgeordnete Mitglied einer gesetzlichen oder einer privaten Krankenversicherung ist. In meinem Fall übernimmt der Bundestag den von meinem bisherigen Arbeitgeber erbrachten Arbeitgeberanteil zu meiner gesetzlichen Krankenversicherung.
Auch die von Ihnen bezifferten Reiselosten entbehren hinsichtlich ihrer tatsächlichen Höhe bei weitem den Tatsachen. Üblicherweise reise ich im Wahlkreis und zwischen Wahlkreis und der Bundeshauptstadt Berlin mit dem eigenen Kfz. Die dabei entstehenden Kosten sind durch die Abgeordnetenentschädigung und die darüber hinaus bezogene monatliche steuerfreie Aufwandspauschale abgegolten. Die Aufwandspauschale erhält jeder Bundestagsabgeordnete im Gegenzug dafür, dass es ihm untersagt ist seine mandatsbezogenen Aufwendungen als Werbungskosten - so wie das Arbeitnehmer üblicherweise im Rahmen ihrer Einkommenssteuererklärung machen - geltend zu machen. Stattdessen bezahlen wir Abgeordneten aus der Pauschale die Miete für unsere Wahlkreisbüros, die ich beispielsweise in Aurich und Emden unterhalte, die dort entstehende Porto- und Bürokosten sowie Werbemittel zur Information über meine Abgeordnetentätigkeit.
Auch die von Ihnen aufgeführten Mitarbeiterkosten beziffern sich in Wirklichkeit nach der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter, deren Qualifikation und ihrer Einstufung. Der Bundestag gibt eine monatliche Obergrenze vor und bestimmt, dass die Vergütung innerhalb vorgegebener Gehaltsrahmen zu erfolgen hat. Der Abgeordnete schließt dabei die Arbeitsverträge mit seinen Mitarbeiter, die Auszahlung jedoch erfolgt nach Prüfung durch den Bundestag.
Sehr geehrter Herr Atorf,
trotz all dieser Ausführungen ist mir natürlich bewusst, dass ich eine gegenüber vielen Bürgerinnen und Bürgern privilegierte Einkommenssituation habe. Zu Recht weisen Sie aber auch darauf hin, dass ich mich derzeit um das Amt des Bürgermeisters meiner Heimatstadt Norden bewerbe. Wie Sie sicherlich wissen, bezieht ein Bürgermeister deutlich geringere monatliche Bezüge als ein Bundestagsabgeordneter.
Materielle Erwägungen - das illustriert dieser Umstand sehr gut - haben bei meiner Entscheidung, mich um ein Wahlamt zu bewerben - so wie auch einst um mein Mandat als Bundestagsabgeordneter - zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.
Mit meiner möglichen Wahl zum Bürgermeister ginge folglich eine deutliche Reduzierung meiner Bezüge einher. Dennoch - ich bewerbe mich um das Amt als Bürgermeister voller Stolz und mit dem Willen, etwas für die Bürgerinnen und Bürger meiner Heimatstadt zu bewegen. Gemeinsam mit den Menschen möchte ich dafür arbeiten, dass Norden eine lebens- und liebenswerte Stadt bleibt, die den Menschen und ihren Familien zugleich gute Lebens- und Arbeitsbedingungen bietet.
Das steht für mich im Mittelpunkt meines Tuns - und nicht, wieviel ich für eine 80-100-Stunden-Woche und viele Abendtermine fern der Familie erhalte.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Schmelzle MdB