Frage an Heiko Schmelzle von Manfred A. bezüglich Soziale Sicherung
Durch die zunehmenden Flüchtlinge stehen auch die Sozialsysteme vor Aufgaben,die sie niemals ohne gravierende Kürzungen bei den Betroffenen zufriedenstellend bewältigen können.
Sind sie daher auch der Meinung, das der bisher geschaffene Sozialstaat nicht nur erhalten, sondern auch so reformiert werden sollte, das er auf ein zukunftssicheres stabiles Fundament gesetzt werden muss.
Das kann nur geschehen, wenn alle Bürger einbezogen werden. Also auch Politiker, Beamte, Selbstständige und Freiberufler müssten künftig gemeinsam Beiträge in eine neue Bürgerversicherung einzahlen. Und zwar nicht nur Beiträge auf Löhne und Gehälter, sondern auf alle anderen Einkommen auch.
Auch gehört dazu, das die Beitragsbemessungsgrenze aufgegeben werden muss, damit sehr gut verdienenden oberhalb der heute geltenden Bemessungsgrenze sich der Solidarität nicht entziehen können. In dieser neuen Bürgerversicherung sollte unbedingt eine soziale Grundsicherung einfließen, die ihren Namen, im Gegensatz zum heutigen Hartz4, auch verdient. Erschreckend ist inzwischen bekannt geworden, das trotz einer christlich/roten Regierung die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander strebt.
Um zukünftig den sozialen Frieden nicht zu gefährden, muss davon Abstand genommen werden, den Gürtel nicht enger schnallen zu wollen, sondern die Ungerechtigkeit in der Umverteilung von unten nach oben zu beenden. Dazu gehört auch eine nue unterstütze Steuerpolitik. Alleine durch die Körperschaftssteuerreform 2008 verringerte sich 2009 gegenüber 2007 die Einnahmen von 22,9 Mrd Euro auf nur 7,2 Mrd Euro. Können daher die Bürger in Deutschland sicher sein, das nach der Bundestagswahlen 2017 keine Mehrwertsteuererhöhung notwendig sein wird, weil es bei Bedarf genügend sozialgerechtere Steuermöglichkeiten geben wird?
Fühlt sich die CDU im Sinne ihrer Verantwortung allen Bürger gegenüber verpflichtet, den neoliberalen Kurs der SPD, entstanden durch die damalige rot/grüne Regierung, zu beenden?
Sehr geehrter Herr Atorf,
ich komme zurück auf Ihre Forderung nach der Einführung der so genannten Bürgerversicherung.
Wenn heute die Stunde Null des deutschen Gesundheitssystems wäre, könnte ich mir eine Bürgerversicherung vorstellen. Das jetzige System hat sich jedoch über Jahrzehnte entwickelt und bewährt.
Ich habe große Zweifel, dass die von Ihnen geforderte Bürgerversicherung unter diesen Umständen unser aktuelles Gesundheitssystem leistungsfähiger und noch gerechter macht.
Zunächst klingt es zugestandenermaßen überaus verlockend, alle Bürgerinnen und Bürger in einer Einheitsversicherung zusammenzufassen. Kurzfristig verbreitert sich dadurch auch in der Tat die Einnahmenseite für die Bürgerversicherung.
Gesundheitspolitisch ist die Einführung m.E. dennoch mit hohen Risiken verbunden. Mittelfristig gefährdet die "Bürgerversicherung" die Patientenversorgung, indem sie dafür sorgt, dass Gesundheitspolitik nach Kassenlage betrieben wird. Die Bürgerversicherung riskiert die dezentrale Versorgung durch niedergelassene Ärzte - gerade für die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum, zugunsten von größeren Versorgungseinheiten, die anonymer und weiter entfernt und zudem ob ihrer schieren Größe ohne das enge Vertrauensverhältnis zwischen (Haus-)Arzt und Patient auskommen müssen. Auch die Versorgung mit innovativen Medikamenten, Behandlungsmethoden und Versorgungsangeboten würde unter dem Kostendruck leiden.
Die Verlierer wären nach meiner Einschätzung all jene, die nach Ihrer Meinung eines besonderen Schutzes bedürfen - die schlechter Verdienenden. Diese allerdings sind an den Leistungskatalog der Bürgerversicherung gebunden, während all jene mit einem besseren Einkommen auch zukünftig jederzeit innovative medizinische Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der Bürgerversicherung gehören, beziehen können. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Gerechtigkeit befürchte ich, dass die Bürgerversicherung stattdessen eine echte Zweiklassen-Medizin schaffen könnte. Zudem würde sie m.E. zu einer Verteuerung der Versicherungsbeiträge führen. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung müsste ein Haushalt mit 36 000 Euro Jahresnettoeinkommen eine Mehrbelastung von 900 Euro pro Jahr verkraften, sofern in der Bürgerversicherung - wovon auszugehen ist - mindestens ein Drittel der Gesundheitsausgaben durch Steuern finanziert wird. Höhere Haushaltseinkommen würden demnach deutlich stärker belastet.
Und schließlich würden Innovationen, die der Gesundheitsversorgung der Menschen zugutekommen, behindert. Denn wer Gesundheitsversorgung nach Kassenlage betreibt, entscheidet sich erfahrungsgemäß seltener für die Finanzierung neuer und innovativer Behandlungsmethoden, sondern konzentriert sich auf Einsparpotenziale.
Aber auch aus volkswirtschaftlichen Erwägungen wäre die Einführung der Bürgerversicherung problematisch. Durch die Abschaffung der PKV-Unternehmen würde zudem die Wirtschaftskraft insbesondere in NRW und Bayern erheblich geschwächt. Wie eine Prognos-Studie aus Juli 2012 zeigt, erweist sich die Versicherungswirtschaft gerade in diesen beiden Bundesländern als Schlüsselindustrie. Sie ist von der Bedeutung vergleichbar mit der Elektroindustrie und zahlenmäßig auch noch stärker vertreten als z.B. die Chemiebranche oder die Autoindustrie. Die sogenannte "Bürgerversicherung" würde massiv innerhalb und außerhalb der PKV Unternehmen Arbeitsplätze völlig ohne Not gefährden. Arbeitsplätze, die umgekehrt gebraucht würden, um die Leistungen der Bürgerversicherung gegen zu finanzieren. Und das Realität werdend, würde wiederum einen mittelfristigen Anstieg der Prämien oder aber alternativ der Steuern bedeuten.
Das deutsche Gesundheitssystem, das auf ein Nebeneinander von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung setzt, hat sich dem Grunde nach bewährt. Es genießt international höchstes Ansehen und die Gesundheitsversorgung ist im internationalen Vergleich überaus gut. Natürlich stellen wir immer wieder in beiden Systemen Probleme fest, die es zu lösen gilt. Daran arbeitet die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD. In diesem Sinne haben wir in dieser Legislaturperiode beispielsweise, die Finanzierung der Krankenhauslandschaft neu geordnet, die Pflegeversicherung weiterentwickelt und ihre Finanzierung durch die Einführung eines Rücklagenfonds zukunftsfest ausgestaltet. Darüber hinaus haben wir einen Innovationsfonds eingerichtet, um Formen der Integrierten Versorgung und die Versorgungsforschung weiter zu entwickeln. Bei alldem geht es uns um die schrittweise Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Das ist pragmatisch, zielgerichtet und orientiert sich am Patientenwohl. Es schafft und erhält Gerechtigkeit, um die uns viele andere Länder weltweit beneiden.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Schmelzle MdB