Frage an Heiko Schmelzle von Rainer H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schmelzle,
ich schreibe Ihnen auf diesem Wege aus große Sorge über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen. TTIP ist eine Bedrohung für unsere Demokratie, weil es Sie als Volksvertreter in der Ausübung Ihres Mandats einschränken wird. Wenn die EU z.B.die längst überfällige (und im Koalitionsvertrag vereinbarte) erweiterte Gentechnikkennzeichnung von tierischen Lebensmitteln, wie Milch, Eier oder Fleisch einführen will, und diese den TTIP Verpflichtungen widerspricht, ist das nur mit dem Einverständnis der USA möglich. Die Gesetzgebung, der Kern der Demokratie, wird damit abhängig von der Zustimmung eines Handelspartners!
TTIP ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Als solcher hat er Vorrang sowohl vor europäischen als auch vor deutschen Gesetzen. Verstößt ein zukünftiges Gesetz, auf deutscher oder auf EU-Ebene, gegen die Bestimmungen von TTIP, gilt es automatisch als rechtswidrig.
Eine weitere Einschränkung der gesetzgeberischen Spielräume der Parlamente bedeuten die privaten Schiedsgerichte. Konzerne können damit Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt verhindern und Schadensersatzforderungen geltend machen.
Dies zeigt sich bereits heute in den Bereichen, in denen Schiedsklagen schon möglich sind: Der schwedische Stromkonzern Vattenfall hat zum Beispiel in Hamburg eine Lockerung von Umweltauflagen für ein Kohlekraftwerk durchgesetzt, und er verklagt die Bundesregierung auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz für den Atomausstieg. Die bei TTIP zusätzlich erwogenen Schiedsgerichte würden in die Budgethoheit des Parlamentes eingreifen und damit die Demokratie und Ihren Einfluss als Volksvertreter schwächen.
Ich möchte gerne von Ihnen wissen: Sind Sie sich bewusst, wie stark TTIP Ihren Einfluss als Volksvertreter einschränkt? Sind Sie bereit, das zu akzeptieren? Oder lehnen Sie TTIP ab, weil diese Einschränkungen der demokratischen Rechte in keinem Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen stehen?
Freundliche Grüße
Rainer Hedden, Norden
Lieber Rainer Hedden,
vielen Dank für Ihre/ Deine Anfrage.
Die geäußerten Bedenken nehme ich sehr ernst. Auch andere besorgte Bürger haben sich mit den gleichen oder ähnlichen Sorgen (seit ich Abgeordneter im Bundestag bin) an mich gewandt. Wir kennen uns ja - darum ist es mir wichtig, persönlich zu antworten. Da ich im Moment nicht in Deutschland bin, antworte ich via i-Phone .
Die TTIP-Verhandlungen werden, anders als bisherige Freihandelsab- kommen, mit mehr Transparenz geführt. Positionen aus der Zivilgesellschaft sowie aus den Verbänden können sowohl über die EU-Kommission, das Europäische Parlament sowie die EU-Mitgliedstaaten und nationalen Parlamente aufgegriffen werden und fließen z.T. in die Verhandlungsposition der EU ein. Das Verhandlungsmandat für TTIP liegt bei der EU-Kommission. Dieses Mandat wurde ihr durch die Mitgliedstaaten erteilt. Die Kommission informiert die Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente regelmäßig über den Stand der Verhandlungen, bindet diese in die Findung der Verhandlungsposition ein und veröffentlicht diese zum Teil vorab.
In Deutschland führt die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf breiter Basis eine Beteiligung sowohl der Wirtschaftsverbände als auch von Akteuren der Zivilgesellschaft durch, um alle relevanten Aspekte einzubeziehen. Die Bundesregierung informiert den Bundestag und die Bundesländer, Vertreter der Zivilgesellschaft und von Wirtschaftsverbänden über den Verhandlungsverlauf. Damit ist sichergestellt, dass alle demokratisch legitimierten Akteure Zugang zu den relevanten Informationen haben. Insofern fühle ich mich nicht meiner Abgeordnetenrechte beraubt.
Besonders deutlich wird dies beim Thema Investitionsschutz: Hier fand vom 27. März 2014 an eine dreimonatige öffentliche Konsultation der EU-Kommission statt.
Auch die nationalen Parlamente werden, wie oben dargestellt, in die Verhandlungen eng mit eingebunden. Darüber hinaus handelt es sich bei TTIP aller Voraussicht nach um ein sog. gemischtes Abkommen, d.h. die Inhalte des Abkommens betreffen auch Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten. Daher bedarf es neben der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats grundsätzlich auch einer Ratifizierung durch die 28 EU-Mitgliedstaaten. Die Ratifizierung erfolgt in Deutschland durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat.
Zum Thema Investitionsschutzklauseln:
Ohne Investitionen ist kein Wirtschaften möglich; ohne Investitionsschutz keine Investitionen. Investitionsschutz garantiert den Unternehmen, dass ihre Investitionen im Ausland gerecht und gleichbe- rechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Er schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen - für beide Seiten. Investitionsschutzabkommen sind nicht neu, sondern ein gängiges Instrument zur Regelung von Streitfragen im Rahmen von bi- und/oder multilateralen Abkommen. Sie garantieren zudem, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in der indirekten Enteignungen wie z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland oder nicht transparente Vergabeverfahren.
Deutschland selbst hat Investitionsschutzregeln vor 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten bilaterale Investitionsförderungs- und -schutzabkommen abgeschlossen. Die USA hingegen haben nur 50 solcher Abkommen.
Die EU-Kommission hat Ende März 2014 - wie weiter oben beschrieben - öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Erst auf dieser Basis wird die EU ihre Verhandlungsposition zum Thema festlegen. Im Gesundheitsbereich beobachte ich die Verhandlungen sehr genau - z.B. möchte ich nicht, dass die dt. Krankenhausfinanzierung am Ende als unerlaubte Beihilfe juristisch in Frage gestellt wird.
Ich bin der Überzeugung, dass Schieds(gerichts)verfahren ein guter Weg sind, um insbesondere Klein- und Mittelständischen Unternehmen in Streitfälle ohne das Risiko hoher finanzieller Kosten und langjähriger Gerichtsverfahren durch mehrere Instanzen zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Schiedsgerichte mit honorigen Personen besetzt werden, die sich durch ihren Sachverstand auszeichnen. Aus den Reihen der CDU/CSU Bundestagsfraktion gibt es Bestrebungen ein Verfahren zu entwickeln, die Schiedsgerichte mit Bundesrichtern zu besetzen. Dies würde sicherstellen, dass die Schiedsgerichte rechtssicher entscheiden. Nach meiner Überzeugung würde das der neuen Institution das notwendige Anfangsvertrauen geben.
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA bietet für Europa, und besonders für die Exportnation Deutschland eine große Chance. Durch TTIP würde der weltweit größte Binnenmarkt mit 800 Mio. Menschen entstehen. Addiert man das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) der EU und der USA, erwirtschaften die beiden Wirtschaftsräume ca. 50 Prozent des weltweiten BIP und generieren zugleich ein Drittel des weltweiten Handels. Die USA sind zudem der wichtigste Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU. Schätzungen gehen von einem jährlichen Wachstumsimpuls von 119 Milliarden Euro auf europäischer und 95 Milliarden Euro auf amerikanischer Seite aus. Allein in Europa könnten bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Hohe europäische Standards durchsetzen: TTIP bietet vor allem die Chance, unseren hohen westlichen Standards (z.B. in den Bereichen Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz) weltweit Geltung zu verschaffen. Damit kann TTIP Vorbildcharakter für andere internationale Abkommen entwickeln. Angesichts des Aufstiegs anderer Gestaltungsmächte wie China und Russland, entscheidet sich am Erfolg oder Scheitern von TTIP nicht zuletzt die Frage, ob die westlichen Demokratien im 21. Jahrhundert in der Lage sein werden, ihre Standards auch global durchzusetzen oder ob sie in Zukunft die Standards anderer übernehmen müssen.
Wenn z.B. das Handelsabkommen zwischen den USA und dem asiatischen Handelsraum zeitlich vorher abgeschlossen wird, könnte es sein, dass sich die Weltwirtschaft an diesen Standards orientiert und die Europäer am Ende gezwungen sind, diese niedrigeren Standards zu akzeptieren.
Den Punkt mit der Gentechnik-Kennzeichnung habe ich aufgenommen - bin insofern jetzt sensibilisiert. Ich gehe jedoch davon aus, dass in dieser Sache zeitlich vor dem Abschluss von TTIP eine nationale Regelung getroffen wird. Die Signale zeigen, dass es vor der Präsidentenwahl in den USA auf keinen Fall zu einem Abschluss kommen wird.
Als Fazit kann ich sagen, dass Vorsicht durchaus geboten ist, dass die Chancen aus meiner Sicht die Risiken aber deutlich überwiegen und ein Scheitern der TTIP-Verhandlungen für Deutschland als Exportnation unabsehbare Negativfolgen haben könnte, weil dann Standards durch Dritte gesetzt werden, auf die wir keinen Einfluss mehr haben.
Lieben Gruß in die Heimat sendet
Heiko Schmelzle MdB
Lieber Rainer Hedden,
vielen Dank für Ihre/ Deine Anfrage.
Die geäußerten Bedenken nehme ich sehr ernst. Auch andere besorgte Bürger haben sich mit den gleichen oder ähnlichen Sorgen (seit ich Abgeordneter im Bundestag bin) an mich gewandt. Wir kennen uns ja - darum ist es mir wichtig, persönlich zu antworten. Da ich im Moment nicht in Deutschland bin, antworte ich via i-Phone .
Die TTIP-Verhandlungen werden, anders als bisherige Freihandelsab- kommen, mit mehr Transparenz geführt. Positionen aus der Zivilgesellschaft sowie aus den Verbänden können sowohl über die EU-Kommission, das Europäische Parlament sowie die EU-Mitgliedstaaten und nationalen Parlamente aufgegriffen werden und fließen tlwin die Verhandlungsposition der EU ein. Das Verhandlungsmandat für TTIP liegt bei der EU-Kommission. Dieses Mandat wurde ihr durch die Mitgliedstaaten erteilt. Die Kommission informiert die Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente regelmäßig über den Stand der Verhandlungen, bindet diese in die Findung der Verhandlungsposition ein und veröffentlicht diese zum Teil vorab.
In Deutschland führt die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf breiter Basis eine Beteiligung sowohl der Wirtschaftsverbände als auch von Akteuren der Zivilgesellschaft durch, um alle relevanten Aspekte einzubeziehen. Die Bundesregierung informiert den Bundestag und die Bundesländer, Vertreter der Zivilgesellschaft und von Wirtschaftsverbänden über den Verhandlungsverlauf. Damit ist sichergestellt, dass alle demokratisch legitimierten Akteure Zugang zu den relevanten Informationen haben. Insofern fühle ich mich nicht meiner Abgeordnetenrechte beraubt.
Besonders deutlich wird dies beim Thema Investitionsschutz: Hier fand vom 27. März 2014 an eine dreimonatige öffentliche Konsultation der EU-Kommission statt.
Auch die nationalen Parlamente werden, wie oben dargestellt, in die Verhandlungen eng mit eingebunden. Darüber hinaus handelt es sich bei TTIP aller Voraussicht nach um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, d.h. die Inhalte des Abkommens betreffen auch Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten. Daher bedarf es neben der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats grundsätzlich auch einer Ratifizierung durch die 28 EU-Mitgliedstaaten. Die Ratifizierung erfolgt in Deutschland durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat.
Zum Thema Investitionsschutzklauseln:
Ohne Investitionen ist kein Wirtschaften möglich; ohne Investitionsschutz keine Investitionen. Investitionsschutz garantiert den Unternehmen, dass ihre Investitionen im Ausland gerecht und gleichbe- rechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Er schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen – für beide Seiten. Investitionsschutzabkommen sind nicht neu, sondern ein gängiges Instrument zur Regelung von Streitfragen im Rahmen von bi- und/oder multilateralen Abkommen. Sie garantieren zudem, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in der indirekten Enteignungen wie z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland oder nicht transparente Vergabeverfahren.
Deutschland selbst hat Investitionsschutzregeln vor 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten bilaterale Investitionsförderungs- und -schutzabkommen abgeschlossen. Die USA hingegen haben nur 50 solcher Abkommen.
Die EU-Kommission hat Ende März 2014 – wie weiter oben beschrieben - öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Erst auf dieser Basis wird die EU ihre Verhandlungsposition zum Thema festlegen.
Ich bin der Überzeugung, dass Schieds(gerichts)verfahren ein guter Weg sind, um insbesondere Klein- und Mittelständischen Unternehmen in Streitfälle ohne das Risiko hoher finanzieller Kosten und langjähriger Gerichtsverfahren durch mehrere Instanzen zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Schiedsgerichte mit honorigen Personen besetzt werden, die sich durch ihren Sachverstand auszeichnen. Aus den Reihen der CDU/CSU Bundestagsfraktion gibt es Bestrebungen ein Verfahren zu entwickeln, die Schiedsgerichte mit Bundesrichtern zu besetzen. Dies würde sicherstellen, dass die Schiedsgerichte rechtssicher entscheiden. Nach meiner Überzeugung würde das der Institution das notwendige Anfangsvertrauen in Schiedsverfahren geben.
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA bietet für Europa, und besonders für die Exportnation Deutschland eine große Chance. Durch TTIP würde der weltweit größte Binnenmarkt mit 800 Mio. Menschen entstehen. Addiert man das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) der EU und der USA, erwirtschaften die beiden Wirtschaftsräume ca. 50 Prozent des weltweiten BIP und generieren zugleich ein Drittel des weltweiten Handels. Die USA sind zudem der wichtigste Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU. Schätzungen gehen von einem jährlichen Wachstumsimpuls von 119 Milliarden Euro auf europäischer und 95 Milliarden Euro auf amerikanischer Seite aus. Allein in Europa könnten bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Höhe europäische Standards durchsetzen: TTIP bietet vor allem die Chance, unseren hohen westlichen Standards (z.B. in den Bereichen Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz) weltweit Geltung zu verschaffen. Damit kann TTIP Vorbildcharakter für andere internationale Abkommen entwickeln. Angesichts des Aufstiegs anderer Gestaltungsmächte wie China und Russland, entscheidet sich am Erfolg oder Scheitern von TTIP nicht zuletzt die Frage, ob die westlichen Demokratien im 21. Jahrhundert in der Lage sein werden, ihre Standards auch global durchzusetzen oder ob sie in Zukunft die Standards anderer übernehmen müssen.
Wenn z.B. das Handelsabkommen zwischen den USA und dem asiatischen Handelsraum zeitlich vorher abgeschlossen wird, könnte es sein, dass sich die Weltwirtschaft an diesen Standards orientiert und die Europäer am Ende gezwungen sind, diese niedrigeren Standards zu akzeptieren.
Den Punkt mit der Gentechnik-Kennzeichnung habe ich aufgenommen - bin insofern jetzt sensibilisiert. Ich gehe jedoch davon aus, dass in dieser Sache zeitlich vor dem Abschluss von TTIP eine nationale Regelung getroffen wird. Die Signale zeigen, dass es vor der Präsidentenwahl in den USA auf keinen Fall zu einem Abschluss kommen wird.
Als Fazit kann ich sagen, dass Vorsicht durchaus geboten ist, dass die Chancen aus meiner Sicht die Risiken deutlich überwiegen und ein Scheitern der TTIP-Verhandlungen für Deutschland als Exportnation unabsehbare Negativfolgen haben könnte, weil dann Standards durch Dritte gesetzt werden, auf die wir keinen Einfluss mehr haben.
Lieben Gruß in die Heimat sendet
Heiko Schmelzle