Frage an Heike Sudmann von Gisela W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Sudmann,
Die Wohnungsnot in Hamburg ist hinreichend bekannt. Heute lese ich in der taz:
"Die Stadtentwicklungsbehörde will prüfen, wie die Nettozahl beim Wohnungsneubau künftig genauer ermittelt werden kann."
http://www.taz.de/Zahlenspiel-zur-Stadtentwicklung/!90766/
Was meinen Sie, was Ihre Fraktion/Partei zu diesem Willen der Behörde zur Prüfung der Nettozahl beim Wohnungsbau?
Wie würden Sie, bzw. Ihre Fraktion/Partei, der Wohnungsnot in Hamburg abhelfen?
Wie stellen Sie, bzw. ihre Fraktion/Partei, sich sozialen Wohnungsbau vor?
Wie kann der Mietenwahnsinn beendet werden?
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Walk
Sehr geehrte Frau Walk,
vielen Dank für Ihre Fragen - die sich leider nicht ganz kurz beantworten lassen.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre. Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne auch direkt an mich wenden: heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de .
Mit freundlichen Grüßen
Heike Sudmann
1. Was meinen Sie, was Ihre Fraktion/Partei zu diesem Willen der Behörde zur Prü-
fung der Nettozahl beim Wohnungsbau?
Zunächst einmal empfinde ich es als einen Skandal, wie die zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) mit den Zahlen umgeht. Seit Monaten wird seitens des Senats behauptet, mit triumphalem Unterton, dass in 2011 das "großartige" Ergebnis von 6.811 Baugenehmigungen erzielt worden sei. Mal abgesehen davon, dass nicht jede Genehmigung auch tatsächlich zu einer errichteten Wohneinheit führt - mancher Antrag ist allein aus Spekulationsgründen formuliert worden, um den Preis des jeweiligen Grundstücks in die Höhe zu treiben -, sahen wir uns in der Linksfraktion genötigt, diesen relativen Erfolg in gewisser Hinsicht auch anzuerkennen. Schließlich bedeutet diese Zahl in etwa eine Verdopplung der Genehmigungen in den Vorjahren, und das kann angesichts der akuten Wohnungsnot ja nur gut sein. Dann aber zu erfahren, dass es sich bei dieser Zahl gar nicht um bereinigte Angaben handelt, dass es womöglich nur um ca. 5.061 Baugenehmigungen geht, ist schon ein starkes Stück. Wir werden von der Linksfraktion nachhaken (u.a. durch eine Kleine Anfrage) und einfordern, endlich vernünftige und begründete Zahlen zu liefern. Alles andere ist Sand in die Augen der Öffentlichkeit, und dies ist das Gegenteil von transparenter und jederzeit überprüfbarer Politik. Auch ich persönlich möchte dem Senat diesen dicken Fauxpas nicht einfach durchgehen lassen und werde mich dazu zum gegebenen Zeitpunkt sicher auch noch einmal in der Bürgerschaft äußern.
2. Wie würden Sie, bzw. Ihre Fraktion/Partei, der Wohnungsnot in Hamburg abhelfen? Die Linksfraktion hat sich das Thema Wohnungsnot bereits seit längerem auf die Fahnen geschrieben. Es handelt sich immerhin um eine der ganz wesentlichen Fragen der Daseinsfürsorge, für die meines Erachtens gerade auch die Freie und Hansestadt Verantwortung trägt. Nach Auffassung der Fraktion und auch der Partei DIE LINKE gehört das Grundrecht auf Wohnen daher in die Landesverfassung aufgenommen. Mittlerweile haben sowohl die Fraktion als auch die Partei eine Reihe von Grundsatzbeschlüssen gefasst und auch Veröffentlichungen herausgegeben, die dem "Pulverfass Wohnen" gewidmet sind. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Einzelbeschlüsse und Papiere aufzuführen. Sie finden Entsprechendes auf den Websites der Partei und der Fraktion. Ich darf darauf hinweisen, dass der Landesparteitag der Hamburger LINKEN am 28./29. April das Thema Wohnungspolitik einen ganzen Tag lang beraten und nach aller Voraussicht auch einen umfassenden Antrag beschließen wird. Dieser spiegelt nicht nur die Erfahrungen der wohnungspolitischen Auseinandersetzungen und Initiativen der vergangenen Jahre wider, er wird auch die Richtschnur für das weitere Vorgehen nicht zuletzt der Linksfraktion sein. Um Ihre Frage wenigstens mit Blick auf einige Schwerpunkte zu beantworten, will ich Ihnen folgendes mitteilen: Die Linksfraktion setzt vor allem darauf, es nicht bei Zahlenhubereien zu belassen, sondern ihr Fokus ist auf die drastische Erhöhung des Baus öffentlich geförderter Wohnungen vor allem im 1. Förderweg (Anfangsmiete 5,90 Euro/qm) gerichtet. Dafür muss der Wohnungsbauförderungsetat verdoppelt werden. Natürlich drängen wir schon seit längerem darauf, endlich die Wohnungsnot vor allem im preisgünstigen Segment anzuerkennen, um daraus die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Doch der Senat verweigert eine solche Einsicht und erst recht entsprechende Konsequenzen bisher.
Unser zweiter Schwerpunkt ist der Kampf gegen den Mietenwahnsinn, den wir einerseits im Verbund mit den Hamburger Initiativen geißeln und andererseits durch Anträge auf Bürgerschaftsebene versuchen, zurückzufahren. Das reicht von Initiativen zur Streckung der Kappungsgrenze über die Beschränkung der Umlage von Wärmedämmungsmaßnahmen auf die MieterInnen bis hin zur mieterInnenfreundlicheren Erhebung und Gestaltung des Mietenspiegels. Die dramatischen Mieterhöhungen sind für uns die Kehrseite der Wohnungsnot, insofern gehört das unmittelbar zusammen. Da wo Wohnungen in fünfstelliger Größenordnung fehlen, wie gerade auch in Hamburg, nutzen EigentümerInnen und VermieterInnen die Situation gnadenlos aus, immer auf Kosten vor allem derjenigen Haushalte, die mit geringem oder mittlerem Einkommen (über) leben und wohnen müssen.
3. Wie stellen Sie, bzw. ihre Fraktion/Partei, sich sozialen Wohnungsbau vor?
In Hamburg haben wir es inzwischen mit zwei Förderwegen zu tun (von weiteren, spezielleren abgesehen): mit dem 1. Förderweg (Einstiegsmiete wie o.a. 5,90 Euro/qm) und - seit Ende 2011 - mit einem 2. Förderweg (Einstiegsmiete bei 8,00 Euro/qm). Der Senat hat sich zwar eine Verdopplung der Neubauzahlen vorgenommen (nämlich 6.000), aber das Programm sieht lediglich 1.200 Wohneinheiten im 1. und 800 im 2. Förderweg vor. Diese Zielzahlen, einmal unabhängig davon, ob sie überhaupt erreicht werden, reichen bei Weitem nicht aus, den Mangel wettzumachen oder auch nur den Verlust an aus der Bindung fallenden Sozialwohnungen auszugleichen. DIE LINKE fordert daher eine sofortige Erhöhung der Zielzahl auf jährlich 4.000 Sozialwohnungen im 1. Förderweg. Und uns schwebt vor, dass diese Sozialwohnungen (gerne auch noch weitere im 2. Förderweg) flächendeckend in ganz Hamburg errichtet werden. Wir wollen also nicht, dass es reine Sozialwohnungsinseln auf der einen und schicke Upperclass- Viertel auf der anderen Seite gibt. Dies trägt nur zur weiteren Segregation, also der sozialen Entmischung bei bzw. schreibt diese fest. Doch das Ringen um einen signifikanten Anteil von Sozialwohnungen beispielsweise auch im teuren Blankenese (nehmen wir diesen Stadtteil einmal als Symbol) ist keine einfache Angelegenheit, eher im Gegenteil, weil es nach meinem Dafürhalten in unserer (Stadt-) Gesellschaft, genauer: auf der Seite der Reichen und Gutbetuchten einen zunehmenden Hang zur Entsolidarisierung und sozialen Abschottung gibt. Das müssen wir endlich durchbrechen, und dafür steht DIE LINKE. Ich will in diesem Zusammenhang noch anführen - auch mit Blick auf aktuelle Auseinandersetzungen wie im Falle der Wulffschen Siedlung in Langenhorn und der ESSO-Häuser in St. Pauli -, dass DIE LINKE auch opponiert gegen den Abbruch günstiger Wohneinheiten. Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Not günstiger Wohnraum abgebrochen wird, um an gleicher Stelle in einigen Jahren zwar vielleicht einige Wohnungen mehr zu errichten, aber zu einem viel höheren Preis, der für die allermeisten BewohnerInnen nicht mehr zahlbar sein wird.
4. Wie kann der Mietenwahnsinn beendet werden?
Wie bereits angeführt, bedarf es einer grundlegenden Reformierung der MieterInnenschutzgesetze. Zwar konnte unsere Fraktion durch Anträge auf Bürgerschaftsebene (z.B. 2009 gegen die Gentrifizierung, seit 2011 gegen den Mietenwahnsinn) eine Diskussion und auch einige Verbesserungen auf den Weg bringen, aber das Gros unserer Vorschläge wurde doch von der SPD-Mehrheit, sowieso von der CDU/FDP und teilweise auch von der GAL abgelehnt. Wir haben z.B. beantragt, in den Mietenspiegel auch die nicht veränderten, also nicht angehobenen Bestandsmieten einzubeziehen: abgelehnt. Wir haben eine Bundesratsinitiative zur Streckung der Kappungsgrenze (statt bis zu 20 % Mieterhöhung in drei Jahren maximal 15 % in vier Jahren) vorgeschlagen: abgelehnt. Wir haben die Einführung einer Kommunalen Wohnungsagentur gegen das Maklerunwesen gefordert: abgelehnt. Wir sind für einen Mietenstopp bei der SAGA GWG: abgelehnt. Immerhin konnten wir durch unsere Anregung die SPD zu einer Teilverbesserung bewegen: Sie setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass die Maklerkosten (zurzeit bis zu zwei Monatsmieten) nicht mehr vollständig, sondern nur noch zu 50 % den MieterInnen aufgebürdet werden. Ich formuliere "immerhin", denn DIE LINKE hat gefordert, die Maklerkosten nach dem Bestellerprinzip den/die Makler/in einschaltenden VermieterInnen zu 100 % zu überlassen. Über einen ganzen Strauß weiterer mietrechtlicher und wohnungspolitischer Alternativen und konkreter Forderungen erfahren Sie mehr, wenn Sie unsere o.a. Websites ansteuern. Oder auch den von Tim Golke und mir vierwöchentlich herausgegebenen und herumgemailten BÜRGERINNENBRIEF kostenlos abonnieren.