Frage an Heike Gebhard von Anja K. bezüglich Gesundheit
Ich frage mich, warum man in NRW gerade auf Biegen und Brechen versucht, einen Fehler zu wiederholen. Ich bin Krankenschwester und arbeite aktuell noch in Schleswig-Holstein, ziehe jedoch in Kürze nach NRW. Ich bin gegen die Zwangsverkammerung von Pflegekräften! Ich hab neulich gelesen, die Politik in NRW habe die Entwicklungen in SH und Nds im Blick, wiegen sich aber durch eine repräsentative Umfrage in Sicherheit, da diese ja zu 80% Pro – Kammer ausging.
Ich erlaube mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass Sie das Geschehen also nicht ganz genau im Blick haben, denn diese scheinheiligen, repräsentativen Umfragen gab es in SH und Nds ebenfalls. Liest man sich die Protokolle durch stellt man immer wieder fest, dass die wenigsten Teilnehmer überhaupt informiert waren, was genau da eigentlich auf sie zukommt/worüber sie da abstimmen.
Ich gehe mal davon aus, dass viele Ihrer Kollegen es selbst nicht wissen, was sie den Pflegekräften da so antun. Geworben wird ja mit „Endlich bekommt die Pflege eine starke Stimme!“, aber beim näheren Hinsehen, bleibt davon nicht mehr, als der Werbespruch eines verwitterten Wahlkampfplakats. Die Pflege bekommt eine teure Verwaltung und ein Kontrollsystem, welches sie selbst finanzieren darf. Inzwischen wissen die Pflegekräfte, dass dadurch die Länder hohe Summen sparen, weil die Kammer ihnen Aufgaben abnehmen. Grob gesagt ist es ein bisschen so, als würde man dem Feuerwehrmann das Gehalt kürzen, damit ein neuer Leiterwagen gekauft werden kann.
Dieses Verwaltungsmonster wird die Pflege in NRW ebenso spalten, wie sie es in Nds und SH. Es ist nicht gut, davor die Augen zu verschließen, denn die Pflege braucht Hilfe.
Warum will NRW 5 Millionen Steuergelder auf ein Pferd setzen, welches bereits in 2 Bundesländern Fehlgeburten erlitten hat?
Herzlichen Dank für Ihre Frage und Ihr klares Statement, insbesondere vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Erfahrungen aus Schleswig-Holstein. Die SPD-Landtagsfraktion NRW und ich persönlich teilen Ihre Kritik ausdrücklich.
Die NRW-Landesregierung hat die Pflegekammer fälschlicherweise immer als „Stimme für die Pflegekräfte“ verkauft. De facto kann die Pflegekammer aber weder für bessere Arbeitsbedingungen sorgen, noch für eine höhere Entlohnung. Ersteres muss der Bundesgesetzgeber durch eine am Pflegebedarf orientierte Personalbemessung voranbringen und letzteres handeln die Tarifpartner aus – also die Gewerkschaften und die Arbeitgeber. In diesem Kontext unterstützen wir die Bemühungen auf Bundesebene zu einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege zu kommen.
Die SPD-Landtagsfraktion hat von Anfang deutlich gemacht, dass die Pflegekammer nicht die Funktion einer Interessenvertretung einnehmen kann. Eine Kammer kann Prüfungsordnungen und Fort- und Weiterbildungen regeln und reglementiert die Arbeit der Pflegekräfte – Sie sprechen hier vom Kontrollsystem. Dadurch verbessern sich aber in der Tat nicht die Arbeitsbedingungen.
Wir haben von Anfang an für eine Urabstimmung aller Pflegekräfte in NRW mit verbindlichem Quorum zur Gründung einer Pflegekammer oder einer anderen Form der Interessensvertretung gefordert. In der letzten Legislaturperiode haben CDU und FDP das übrigens noch geteilt. Meiner Auffassung nach sollten alle Beschäftigten in der Pflege das Recht erhalten, an so einer entscheidenden Abstimmung teilzunehmen. Doch anstatt alle rund 200.000 Pflegenden in NRW bei einer Urabstimmung zu befragen, begnügte sich die Landesregierung mit einer Stichprobe von rund 1.503 Personen.
Die Landesregierung hat es darüber hinaus versäumt, die Befragten vor der Abstimmung umfassend über die Bedingungen einer Pflegekammer zu informieren. Damit hätte man sicherstellen können, dass auch alle Beteiligten genau wissen, worüber sie abstimmen. Bei der Zustimmung von 79% der Befragten haben 50% zu Beginn der Befragung erklärt, dass sie bisher nur den Begriff schonmal gehört haben oder in der Befragung zum ersten Mal hören. Für uns ist daher klar: Das Ergebnis ist kaum belastbar. Sie hatten diesen Punkt ebenfalls zurecht angesprochen.
Ich möchte Ihnen versichern, dass die SPD-Fraktion und ich die Entwicklungen in den anderen Bundesländern sehr genau beobachten. Wie Sie beschreiben: Dort zeigt sich in der Tat, wie hoch die Frustration bei den Beschäftigten in der Pflege mit der Kammer inzwischen ist. Auch in NRW besteht demnach die Gefahr einer Spaltung der Beschäftigten in der Pflege. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die dreijährig ausgebildeten Pflegefachkräfte verpflichtet sind Mitglieder zu werden, während Pflegehilfskräfte nur freiwillig Mitglieder der Kammer werden können.
Auch die Finanzierung der Kammer ist nicht endgültig geklärt. Wie Sie erwähnen, stellt das Land NRW 5 Millionen Euro verteilt über 3 Jahre als Anschubfinanzierung für die Pflegekammer. Das Land Schleswig-Holstein hat dazu insgesamt 3 Millionen Euro für 21.570 Mitglieder bereitgestellt. Würde man dieses Verhältnis auf NRW übertragen, wären 27,6 Millionen Euro erforderlich. Daher muss bezweifelt werden, dass die Anschubfinanzierung ausreicht, um das „Bürokratiemonster Pflegekammer“ zu finanzieren. D.h. es ist zu erwarten, dass der immer wieder genannte Beitrag der Mitglieder in Höhe von 5 Euro auf keinen Fall ausreichen wird.
Aus den genannten Gründen haben wir in den vergangenen Monaten mehrere parlamentarische Initiativen gestartet, um den Gesetzentwurf zu stoppen. Diese wurden allesamt mit den Stimmen der regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.
In den letzten Wochen und auch Monaten haben meine Kollegen der SPD-Fraktion und ich viele kritische Zuschriften zur Errichtung einer Pflegekammer in NRW bekommen. Diese bestärken uns darin, unsere Position weiter deutlich zu vertreten. Ich bin sicher, Sie tun das gleiche!
Warum NRW dennoch an der Pflegekammer festhält, kann ich Ihnen leider nicht erklären, da ich selbst weder Teil der Landesregierung noch der regierungstragenden Fraktionen bin. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ergänzen, dass ich persönlich, wie auch meine Fraktion, bei jeder Abstimmung gegen die Errichtung einer Pflegekammer gestimmt habe. Mit dieser Position stand meine Fraktion im Landtag NRW jedoch alleine.
Ich möchte Sie daher ermutigen, Ihre Frage an Herrn Gesundheitsminister Laumann, sowie die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP oder auch die anderen Oppositionsfraktionen zu richten.
Für Ihren persönlichen Start in NRW wünsche ich Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Heike Gebhard