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Frage von Volker U. •

Frage an Heidrun Bluhm-Förster von Volker U. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Bluhm,

da Sie über die Landesliste in den Bundestag gekommen sind und somit keinen Wahlkreis haben bzw. Wähler die Sie direkt gewählt haben, frage ich Sie, ob die Beibehaltung der Partei- und Landeslisten nicht dafür sorgen, das dem Bürger das Souverän seiner Wahlstimme entzogen wird und somit der Einfluss der Bürger über die Auswahl der Bundestagsabgeordneten dadurch geschmälert wird? Sollte man nicht diese Partei- und Landeslisten abschaffen um mehr Demokratie in diesem Land zu erfahren?
In dem Zusammenhang frage ich mich auch wie Sie dazu stehen, wenn man den Bundespräsidenten, als auch die Landesminister eines Bundeslandes von dem jeweiligen Bürger wählen lassen würde?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Uhlenbrock,

vielen Dank für Ihre Frage vom 4. Juni 2008, die ich Ihnen gerne nachfolgend beantworte.

Sie fragen mich direkt, ob man Partei-, bzw. Landeslisten zur Bundestagswahl abschaffen sollte und begründen dies u. a. damit, dass das Land dadurch „mehr Demokratie“ erfahren würde.

Dies sehe ich nicht so. Daher bin ich auch gegen die Abschaffung der Landeslisten, die von der jeweiligen Landespartei aufgestellt wird. Meiner Meinung nach sollten die Direktwahlkreisabgeordneten die Listenkandidaten nicht vollständig ersetzen. Bei der Direktwahl wird ja ebenfalls auf eine vorherige Auswahl aus den Parteien zurückgegriffen. Ich bin der Meinung, dass sich unser Wahlsystem bewährt hat und die Stärke gerade in der Ausgewogenheit aus Anteilen des Verhältniswahlrechts und des Mehrheitswahlrechts liegt. Die personalisierte Verhältniswahl ist ein Wahlverfahren, das bei der Wahl zum Deutschen Bundestag angewandt wird. Es bringt Elemente der Mehrheitswahl in das Verhältniswahlsystem ein. Zusammen mit der Fünf-Prozent-Klausel ist gewährleistet, dass auch kleine und neue Parteien eine Chance haben in den Bundestag einzuziehen, was ja gerade DIE LINKE eindrucksvoll bewiesen hat. Dies trägt doch erheblich zu einer lebendigen Demokratie bei und hilft eingefahrene Strukturen aufzubrechen und den politischen „Mainstream“ anzugreifen und in Frage zu stellen. Das Mehrheitswahlrecht tendiert typischerweise zu einem Zweiparteiensystem, wie etwa in den USA und Großbritannien, wo es zwar klare Mehrheitsverhältnisse gibt, aber kleine Parteien keine Chancen haben. Wollen wir das wirklich?

Wollten wir auf ein reines Mehrheitswahlrecht umstellen, in dem nur Direktkandidaten gewählt werden, müsste ein völlig neues Wahlrechtsgesetz entstehen. Vor allem müssten wesentlich kleinere Wahlkreise entstehen, damit die Bürger überhaupt eine Chance hätten, Ihre Kandidaten wirklich kennen zu lernen und ein direkter Kontakt möglich wäre. Das ist bei der Kommunalwahl schon schwierig zu realisieren. Junge und politisch noch unbekannte Talente, die es heute über die Parteien auf die Wahllisten schaffen, hätten ohne die Landeslisten überhaupt keine Chance gewählt zu werden. Die Folge wäre doch, dass Neueinsteiger ohne größere politische Erfahrung außen vor blieben und die schon bekannten „alten Hasen“ sich regelmäßig gegen die Neulinge durchsetzen würden. Das personalisierte Verhältniswahlrecht, also die Ausgewogenheit aus Verhältniswahlrecht und des Mehrheitswahlrecht garantiert dagegen beides.

In einer Direktwahl des Bundespräsidenten und von Landesministern eines Bundeslandes sehe ich ebenfalls keinen Fortschritt. Der Bundespräsident muss sich laut Verfassung aus der aktuellen Tagespolitik heraushalten und erfüllt vor allem eine repräsentative, verbindende und überparteiliche Funktion. Ein Wahlkampf um die Stimmen der Bevölkerung würde diesem Amt nicht gerecht werden. Die Wahl der Landesminister sollte ebenfalls bei den Parteien liegen. Die Parteien machen mit ihren Wahl- und Parteiprogrammen ein Politikangebot und übernehmen – im Falle der Regierungsverantwortung – in der laufenden Legislatur dafür die Verantwortung. Ich bin der Meinung, dass andere Modelle – etwa in denen sich jeder Minister selbst verantworten müsste und sich dann zur Wahl stellt – kaum realisierbar sind. Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, dass wir nicht weitere Elemente für mehr direkte Demokratie – gerade auf kommunaler Ebene, etwa durch Bürgerhaushalte und Volksabstimmungen zu Sachthemen – einführen sollten, damit es zu einer engagierten Demokratie mit einer stärken Partizipation kommt.

Und im Übrigen wäre ich selbst auch nicht Mitglied des Deutschen Bundestages, wenn man Ihrem Vorschlag folgen würde. Das fände ich schade, aus vielerlei Gründen. Hauptsächlich aber deshalb, weil diese Republik dann auf mein Wissen und Können verzichten müsste. Die Menschen brauchen eine starke LINKE Interessenvertretung und dafür stehe ich ganz persönlich.

Mit freundlichen Grüßen

Heidrun Bluhm