Frage an Heidrun Bluhm-Förster von Thorben L. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Bluhm,
Ich interessiere mich für das Thema Ernährung, sowie die damit zusammenhängende Industrie von der Erzeugung von Lebensmitteln bis zum Konsum. Mich interessiert, welches Thema Ihrer Ansicht nach ganz ober auf der Agenda stehen sollte und welche Themen momentan von den Ausschuss Ernährung und Landwirtschaft bearbeitet wird. Wie sieht für Sie die optimale Ernährungspolitik aus? Wo sollte die Politik eingreifen, wo erwarten Sie mehr Eigenverantwortung von Verbrauchern und dem Handel?
Viele Grüße
Thorben Lüdemann
Sehr geehrter Herr Lüdemann,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der linken Agrar- und Ernährungspolitik. Gerne möchte ich darauf eingehen.
Das kapitalistische neoliberale Agrarmodell droht weltweit die Existenzgrundlage und Einkommensmöglichkeiten der Menschen zu zerstören. Große Konzerne eignen sich Grund und Boden an („Land Grabbing“) und wollen Kontrolle über die wichtigsten Produktionsmittel wie Saatgut, Dünger und selbst Wasser. Der Vormarsch industriell organisierter Agrarbetriebe verdrängt eine regional angebundene vielfältige Landwirtschaft. Vielerorts führt das zu Armut, Landflucht und Aufgabe von Ernährungssouveränität.
Notwendig ist ein nachhaltiges Agrarmodell, das Menschen und Umwelt respektiert. Notwendig ist eine Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, die nicht zum Klimawandel beiträgt, sondern die die ihr möglichen Kohlenstoffsenken nutzt. Ziel ist eine umweltgerechte Landwirtschaft mit bodengebundener Tierhaltung. Bäuerinnen und Bauern müssen von ihren Einkommen leben können. Die Rechte am Boden stehen denen zu, die ihn bearbeiten. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen mehr Einfluss auf die Erzeugung der Lebensmittel bekommen.
Für diese Ziele muss sich die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union weitergehend als bislang ändern. Vereinbarungen der Welthandelsorganisation WTO müssen nachverhandelt werden. Doch Forderungen auf der internationalen Ebene allein führen nicht weiter. Mit einer neuen Agrarpolitik kann unserer Meinung nach auch konkret in Deutschland begonnen werden.
Im Rahmen des „PLAN B“ hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE Szenarien für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft entworfen. Auch eine Vision, wie die Landwirtschaft im Jahr 2050 aussehen könnte, ist hier nachzulesen:
https://www.plan-b-mitmachen.de/planb/agrar-wochenmarkt-statt-weltmarkt/
Beim sozial-ökologischen Umbau der Agrarwirtschaft geht es nicht um eine romantische Nische, sondern um eine Verbindung zwischen neuen Erkenntnissen und Rückbesinnung auf tradiertes Wissen und auf Erfahrungen, welche Bäuerinnen und Bauern seit Jahrtausenden gesammelt und damit die enorme kulturelle und agrobiodiverse Vielfalt geschaffen und erhalten haben. Landwirtschaft muss wieder multifunktional werden. Neben der Lebensmittelproduktion gehören zur Multifunktionalität auch gesellschaftliche Ziele (Gesundheit, Tradition, Kultur), der Umweltschutz (Boden, Wasser, biologische Vielfalt) und die Wirtschaftlichkeit (Einkommen, Handel, Energie). Viele der multifunktionalen Ziele sind nicht monetär erfassbar und daher unter den aktuellen WTO-Regeln für den globalen Markt ohne Berücksichtigung.
Es muss eine wirtschaftliche Situation geschaffen werden, in der eine sozial gerechte und umweltschonende Produktion betriebswirtschaftlicher wird als die aktuelle umweltschädigende Produktion. Durch den Umbau wird Deutschland seine Stellung als drittgrößte Agrarexportnation verlieren. Die bisherigen Produktions-, Verarbeitungs- und Handelsstrukturen werden sich wandeln und dezentraler werden. Pharma-, Chemie- und Düngemittelindustrie werden ihre Bedeutung im Bereich der Agrarwirtschaft verlieren, wenn sie sich nicht auf die neuen Erfordernisse einstellen, auf Bio-Pflanzenschutzmittel, Pflanzenzucht für Mischkulturen oder auf Nützlingszucht.
Weitere Informationen zur Agrarpolitik der Linken finden Sie auf http://www.kirsten-tackmann.de und auf http://www.nachhaltig-links.de
Alle Themen, die momentan und in nächster Zukunft im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft behandelt werden, würde allerdings hier in dieser Form den Rahmen sprengen. Die Tagesordnungen und aktuellen Inhalte des Ausschusses finden Sie auf den Seiten des Bundestages unter: http://www.bundestag.de/ernaehrung
Im Fokus sollte dabei meiner Meinung nach die Preismacht des Handels stehen, der regelmäßig bspw. die Milcherzeugerpreise nach unten drücken kann. Das wirkt sich sowohl auf die Erzeugerpreise, als auch auf die Preise aus, die Verbraucherinnen und Verbraucher im Laden für ihre Lebensmittel zahlen müssen. Weitere Informationen zur Ernährungspolitik finden Sie auf der Homepage meiner Kollegin MdB Karin Binder: http://www.karin-binder.de
Mit freundlichen Grüßen
Heidrun Bluhm