Frage an Heidrun Bluhm-Förster von Alexis S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Bluhm,
wie bewerten Sie die aktuelle Flüchtlings- und Asylpolitik der Bundesrepublik? Welchen Beitrag werden Sie leisten, um 1.) die Staaten an der Peripherie der EU in Bezug auf die Aufnahme von Füchtlingen und Asylbewerber_innen zu entlasten und 2.) die Anzahl verunglückter Flüchtlinge z.B. beim Überqueren des Mittelmeeres kurzfristig drastisch zu senken? Stimmen Sie mit mir überein, dass der Bundestag in der Verantwortung steht, eine Politik zu praktizieren, die es schutzbedürftigen Menschen ermöglicht, unbürokratisch einen Aufenthalt in Deutschland oder einem EU-Staat ihrer Wahl zu bieten? Welche Verbesserungen planen Sie für die Lebensbedingungen Asylsuchender mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus?
Vielen Dank im Voraus für ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Alexis Schwartz
Sehr geehrter Herr Schwartz,
Als eines der reichsten Länder der Welt, haben wir die Pflicht, humanitäre Hilfe entsprechend unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicher zu stellen. Länder wie die Türkei und der Iran tragen schon heute die Hauptlast der Flüchtlingsströme aus den Krisengebieten des Nahen Ostens und dürfen damit nicht alleingelassen werden. Deutschland muss angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme aus den Kriegs- und Krisengebieten der Welt mehr Hilfe bereitstellen und die Hilfe besser und humanitärer koordinieren, etwa im Hinblick auf die Bereitstellung von Wohnungen.
Deutschland ist moralisch und aus humanitären Gründen verpflichtet, Flüchtlingen und Asylsuchenden zu helfen, aber auch mit einer konsequenten Friedenspolitik und durch Entwicklungshilfe diese Länder bei Ihrer Suche nach einer stabilen und demokratischen Zukunft und friedlichen Lösung der Konflikte zu unterstützen. Nicht nur weil das Asylrecht ein Grundrecht ist, das im Grundgesetz verankert ist. Aktuell wird das Grundrecht auf Asyl durch die so genannte Dublin-II-Regelung extrem unterlaufen. Diese Regelung gehört aus meiner Sicht - obwohl und gerade weil es "geltendes Recht" ist - wieder abgeschafft, weil sie inhuman und unrealistisch ist.
DIE LINKE hat mir ihrem Antrag "Das Massensterben an den EU-Außengrenzen beenden - für eine offene, solidarische und humane Flüchtlingspolitik der Europäischen Union" (Bundestagdrucksache 18/288) einige Eckpunkte für eine Umgestaltung der europäischen Flüchtlingspolitik vorgelegt. Im Mittelpunkt steht dabei ein neues System der Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Asylsuchenden. Sie sollen selbst entscheiden können, in welchem EU-Staat sie ihr Verfahren betreiben wollen. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die die Entscheidung beeinflussen, und die im derzeitigen Dublin-System schlicht übergangen werden: sprachliche Voraussetzungen, das Vorhandensein von (im weiteren Sinne) familiären Bindungen, Freunde, die Existenz einer größeren Gemeinde von Menschen der gleichen Herkunft, nicht zuletzt berufliche Aussichten etc. Es ist absehbar, dass es damit weiterhin zu einer unterschiedlichen Belastung der EU-Staaten kommt. Das wollen wir durch einen Fonds ausgleichen, der Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten berücksichtigt.
Eine zweite Kernforderung ist die Schaffung sicherer Einreisewege in die EU. Derzeit müssen Menschen ihr Leben riskieren und werden dann auch noch (zunächst) als illegale Einwanderer und damit Kriminelle behandelt. Zugleich schafft man mit der aktuellen Abschottungspolitik erst die Geschäftsgrundlage für wirklich Kriminelle, für kommerzielle Fluchthelfer, die die Flüchtlinge gnadenlos abzocken, in dem sie Ihre verzweifelte Situation ausnutzen.
Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus wollen wir Möglichkeiten schaffen, zu einem regulären Aufenthaltsstatus zu kommen. Nach mehreren Jahren Aufenthalt, in denen faktisch eine Verwurzelung in den hiesigen Lebensverhältnissen ganz unweigerlich stattgefunden hat, sollen sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität wollen wir zumindest den Zugang zu zentralen sozialen Menschenrechten sichern: Recht auf Kita- und Schulbesuch für die Kinder, sicherer Zugang zu medizinischer Versorgung, Möglichkeiten ohne Aufdeckung des Status vorenthaltene Löhne einzuklagen und gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vorzugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Heidrun Bluhm