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Heidi Reichinnek
Die Linke
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Frage von Eric M. •

Wie stehen Sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen?

Sehr geehrte Frau Reichinnek,

im September 2022 hat die Basis der LINKEN in einem Mitgliederentscheid beschlossen, dass die Forderung nach einem Bedingungungslosen Grundeinkommen (BGE) ins Parteiprogramm aufgenommen werden soll. Das BGE ist eine Maßnahme um sicherzustellen, dass jeder Mensch immer genug für ein menschenwürdiges Leben hat, ohne dafür als Sozialschmarotzer stigmatisiert zu werden oder an bürokratischen Hürden scheitern zu können. Aufgrund des Parteiengesetzes bedurfte dieser Beschluss der Bestätigung durch einen Bundesparteitag, dieser allerdings hat den entsprechenden Antrag des Bundesvorstandes im Oktober 2024 abgelehnt.

Wie stehen Sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen?
Wie stehen Sie zur Verbindlichkeit von Mitgliederentscheiden in Ihrer Partei?
Was würden Sie davon halten, einen bundesweiten Volksentscheid über ein BGE und seine Höhe durchzuführen? Würden Sie sich für die notwendigen Gesetzesänderungen einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
Eric M.

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Antwort von
Die Linke

Sehr geehrter Herr M.,

das Bedingungslose Grundeinkommen als armutsfestes Einkommen für alle Menschen, das ohne Bedürftigkeitsprüfung, Zwang zur Arbeit und andere Gegenleistungen in existenz- und teilhabesichernder Höhe individuell garantiert ist, halte ich für ein spannendes Konzept. In unserer Partei wird das emanzipatorische BGE deshalb zurecht seit langem diskutiert. Dass das BGE trotz erfolgreichem Mitgliederentscheid durch den Bundesparteitag nicht bestätigt wurde, ist aus meiner Sicht das Ergebnis einer intensiven innerparteilichen Debatte. Denn so verheißungsvoll das BGE klingt, gibt es auch schlüssige Argumente dagegen:

Zum einen macht das BGE alle gleich, obwohl manche Menschen höhere Aufwendungen haben als andere. Reiche brauchen es nicht, für Arme reicht es oft nicht. Das Grundeinkommen und der Ausbau des Sozialstaates sind keine sich ergänzenden Konzepte, auch wenn sich das viele wünschen. In vielen Gesprächen mit Kolleg*innen in den Betrieben und ihren Gewerkschaften ist zudem deutlich geworden, dass die große Sorge besteht, die Arbeitgeber könnten sich ihrer Verantwortung entziehen, existenzsichernde Löhne zu zahlen. Dazu kommt, dass Arbeitskämpfe geschwächt werden, wenn es dabei nur noch um einen „Zuverdienst“ geht.

Trotzdem bleibt die Forderung nach einem emanzipatorischen Grundeinkommen vollkommen verständlich. Denn wir alle wollen eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die wirklich vor Armut schützt. Gerade in Zeiten, in denen nicht nur Konservative und Rechte nach unten treten und - wie Sie richtig schreiben – Menschen als „Sozialschmarotzer“ stigmatisiert werden. Als Linke sind wir da bereits jetzt programmatisch sehr gut aufgestellt. Doch statt Spitzenverdiener*innen das BGE auszuzahlen, wollen wir sie stärker an der Finanzierung unserer Sozialsysteme beteiligen. Wir fordern eine starke Arbeitslosenversicherung, eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung und den Umbau der Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen. Sowohl unser Konzept der sanktionsfreien Mindestsicherung, unsere solidarische Mindestrente und die Kindergrundsicherung schützen alle zuverlässig vor Armut und ermöglichen ein würdevolles Leben.

Der Mitgliederentscheid war richtig und wichtig. Auch wenn ich die Enttäuschung über den Ausgang sehr gut nachvollziehen kann, hat er doch eine intensive innerparteiliche Auseinandersetzung mit der Thematik bewirkt. Die Delegierten des Bundesparteitages haben im letzten Jahr mehrheitlich gegen die Aufnahme des BGE in unser Grundsatzprogramm gestimmt. Das bedeutet aber nicht, dass BGE-Befürworter keinen Platz in unserer Partei haben oder die Debatte nun beendet ist. Ganz im Gegenteil: Wir wollen weiter darüber inhaltlich-solidarisch diskutieren und um die besten Ideen streiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass sowohl Gegner*innen als auch Befürworter*innen des Grundeinkommens mehr verbindet als trennt. Denn wir alle haben das Ziel, Armut abzuschaffen und allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, ohne Angst vor der nächsten Rechnung.

Wir setzen uns für mehr direkte Demokratie und Partizipation ein. Dazu zählen sowohl bundesweite Volksentscheide als auch Bürger*innenräte. Ich würde mich dementsprechend für Gesetzesänderungen stark machen, die unsere Mitbestimmungsrechte ausweiten.

 

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