Frage an Hasso Kraus von Hans-Joachim D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kraus,
nach einer Studie der Uni Hohenheim ist die Sorge der Bürger in Bezug auf die Folgen der Schuldenkrise (Staaten und Banken) und der EURO-Rettungspolitik sehr groß. Sie fühlen sich von Politikern schlecht informiert. Dies entspricht voll und ganz auch meinem Eindruck. Das Thema wird im Wahlkampf totgeschwiegen - warum? Glaubt man, das interessiere die Bürger nicht, weil es zugegebenermaßen ein sehr komplexes Thema ist? Das könnte der Regierung noch heftig auf die Füße fallen. Erst gestern wieder im ARD-Interwiew mit Angela Merkel: Kein Wort zur EURO-Krise und EURO-Rettungspolitik; Keine Frage (und Antwort) zur "Vision von einem künftigen Europa".
Glauben auch Sie, daß der Höhepunkt der Krise überwunden ist?
Glauben auch Sie, daß die EURO-Rettungapolitik alternativlos ist bzw. welche Alternativen sehen und bevorzugen Sie? Bitte um konkrete Antworten.
Wie will man einen nach Meinung zahlreicher Ökonomen unumgänglichen Schuldenschnitt für (zunächst) Griechenland umgehen? Bitte um eine möglichst konkrete Antwort.
Wie ist Ihre Vorstellung von einem künftigen Europa?
Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten notwendigen Schritte um dieser Vorstellung nahezukommen?
Worin unterscheiden sich Ihre europapolitischen Ziele von denen anderer Parteien und insbesondere von denen der AfD?
Mit freundlichem Gruß
Hans-Joachim Dilling
Sehr geehrter Herr Dilling,
vielen Dank für die Frage.
Die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vor circa fünf Jahren wirken sich bis heute auf unser Leben in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus. Zunehmende Arbeitslosigkeit in Europa, weltweit zurückgehendes Wirtschaftswachstum bis hin zu Rezession, Wohlstandsverlust, Unsicherheit an den Märkten und schließlich die ungelöste Verschuldungskrise im EURO-Raum erfordern sachgerechte Antworten der Politik. Aber Achtung: Fairerweise muss man sagen, dass diese Form dieser Krise und deren Auswirkungen beispiellos sind - wer also ein Patentrezept hat und es als "politisches Allheilmittel" verkauft, handelt meines Erachtens unseriös. So jemanden darf man ruhig in die Nähe des Rattenfängers von Hameln stellen, wenn Sie mir diese bildliche Darstellung zubilligen.
Wir brauchen Rahmenbedingungen für eine stabile Gemeinschaftswährung. Sie ist die Grundlage für Wohlstand
und eine nachhaltig florierenden Wirtschaft in Deutschland und Europa. Dazu muss die Währungsarchitektur der EU grundlegend überarbeitet werden, um den EURO wieder auf ein solides Fundament zu stellen. Die Bundesregierung zeigte sich bis heute orientierungslos: „Rote Linien“ werden häufig neu gezogen und dann doch wieder verletzt. An die Stelle der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin trat die strategielose Entscheidungsfindung im steten Koalitionszwist.
Die Fraktionen im Bundestag nahmen ihre Verantwortung zumeist gar nicht oder nur ungenügend wahr. Weitgehend geschlossen nickten alle Fraktionen der sogenannten politischen Mitte kritiklos Rettungsschirme, Hilfszahlungen und sogar Änderungen des Grundgesetzes ab, ohne sich über die Risiken und Auswirkungen ihrer möglichen Entscheidungen ausreichend zu informieren.
Als FREIER WÄHLER stehe ich wie meine Partei zum EURO. Seine Stabilität ist unser zentrales Ziel. Dieses ist aber gerade durch die ausufernde Rettungsschirmpolitik gefährdet. FREIE WÄHLER stehen für ein Europa, in dem das Recht nicht gebeugt oder gar gebrochen wird. Verträge müssen gehalten werden und derjenige, der Risiken übernimmt, muss in letzter Konsequenz dafür einstehen. Wir stehen zu dem Grundsatz, den die europäischen Staats- und Regierungschefs in Maastricht vereinbart haben: Jedes Land haftet für seine Schulden selbst!
Als Vertreter der FREIEN WÄHLER stehe ich für:
- Einen starken Euro, der so attraktiv sein muss, dass letztlich alle EU-Länder der Eurozone beitreten wollen.
- Die Einführung einer Parallelwährung für Euro-Krisenländer: Dadurch wird es wieder möglich, einen der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Wechselkurs zu bestimmen. Bei Bedarf wird das System der Parallelwährung auf alle Euroländer ausgeweitet. Neu in die Eurozone beitretende Länder können parallel zum Euro die bisherige Währung beibehalten.
- Die Unabhängigkeit der EZB. Sie muss sich wieder vor allem um die Geldwertstabilität kümmern und von politischer Einflussnahme der Nationalstaaten abgeschirmt werden.
- Ein Ende der Vergemeinschaftung unserer Schulden mit denen anderer Mitgliedstaaten und keine Haftung der Steuerzahler für die Verluste von Banken: Jeder haftet für seine Schulden selbst!
- Ein Ende der bisherigen Rettungsschirmpolitik: Die Schirmsummen müssen systematisch zurückgefahren werden.
- Die Auflösung des ESM: Entscheidungen dieser Institution sind intransparent und unterliegen einem erheblichen Demokratiedefizit.
- Die Erarbeitung eines Systems für die Hinterlegung werthaltiger Sicherheiten für negative Target-II Salden (kompliziert, aber in Wikipedia wird es relativ einleuchtend erklärt)
- Mehr demokratische Legitimation in der Währungspolitik: Der Eurogruppen-Chef muss durch die Europaparlamentarier der Eurozonen-Länder gewählt werden.
- Die Sicherung der Spareinlagen und den Erhalt nationaler Spareinlagensysteme: Eine Europäische Bankenunion lehnen wir als FREIE WÄHLER ab.
- Einen Insolvenz- und geordneten Abwicklungsmechanismus für Banken und Finanzinstitutionen.
- Ein geregeltes Staateninsolvenzverfahren, wie es bereits um die Jahrtausendwende vom IWF vorgeschlagen wurde.
- Die Einrichtung einer europäischen Ratingagentur
- Neue Denkansätze für den Weg aus der Krise: Als FREIE WÄHLER fordern wir eine Arbeitsgruppe mit benannten Experten aus ganz Europa nach Vorbild des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dieses Gremium erarbeitet ergebnisoffen (!) gemeinsam Szenarien und Machbarkeitsstudien für die Lösung der Krise.
Ich denke, dass dies konkrete Forderungen sind, die die Chancen erhöhen, dass wir als Deutsche, als Europäer und dass unsere Staaten langfristig am besten aus der Krise herauskommen - und dabei auch unwägbare Risiken verringern. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig!
Warum dieses Thema "totgeschwiegen" wird, kann ich nur vermuten: Keiner hat ein Patentrezept, jeder hofft, dass es gut ausgehen möge und keiner will nachher durch voreilige Kommentare, Ratschläge und Kritik als "Buh-Person" dastehen... das betrifft ganz besonders diejenigen, die zur Zeit an der Macht sind: CD/CSU mit FDP und SPD mit Grünen.
Im übrigen hielt und halte ich die überhastete Aufnahme osteuropäischer Staaten in die EU letztlich für falsch. Geostrategisch mag dies Sinn gemacht haben, um sie dem russischen Einfluss möglichst dauerhaft zu entziehen. EU-intern ist die Entscheidung ein schwerer Rückschlag, da die betreffenden Staaten bei weitem noch nicht reif sind für ein demokratisch gewachsenes und wirtschaftlich reifes System, wie es die meisten der EU-Kernländer haben. Hier wird sich (leider) noch eine Menge an Problemen auftun, mit denen wir Europäer irgendwie fertig werden müssen.
Trotzdem gilt für mich: Zu einem gemeinsamen Europa gehört eine gemeinsame Währung. Nur ein gemeinsames Europa wird uns schließlich Frieden, Freiheit und Wohlstand sichern.
Freundliche Grüße,
Hasso Kraus