Frage an Hartmut Ebbing von Ulf B. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Ebbing,
mich interessiert erstens ihre Haltung zur Gesichtserkennung an Flughäfen und Bahnhöfen.
Und zweitens ihr Abstimmungsverhalten dazu im Bundestag.
Vielen Dank im voraus
U. B.
Sehr geehrter Herr Böhner,
In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands sind die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung als ein Ausdruck des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2, Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1, Abs.1 des Grundgesetzes besonders geschützte Rechtsgüter. Intelligente Videoüberwachung stellt nicht bloß eine quantitative Ausweitung bereits bestehender Mittel, sondern einen qualitativen Sprung in der Überwachung der Bürgerinnen und Bürger dar.
Dieser qualitative Sprung ist ein zusätzlicher Grundrechtseingriff, der nur durch eine eigene Rechtsgrundlage legitimiert werden kann. Eine solche spezielle Rechtsgrundlage für den Einsatz intelligenter Videoüberwachung und insbesondere automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum durch die Bundespolizei existiert allerdings nicht.
Ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum kann nicht unbedingt gelten. Es kann durch Gesetze und Maßnahmen, insbesondere zum Zweck der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, eingeschränkt werden. Der massenhafte Einsatz automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum sowie der Einsatz von Applikationen wie Clearview stellen aber meiner Ansicht nach einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum dar.
Die Bürgerinnen und Bürger dürfen keiner totalen Überwachung ausgesetzt sein. Eine solche Überwachung würde es ermöglichen, durch lückenlose Bewegungsprofile die Freiheit des Einzelnen übermäßig einzuschränken. Insbesondere durch die einfach umzusetzende Verknüpfung der Bewegungsprofile mit anderen Daten sind weitreichende Möglichkeiten der Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat gegeben. Dies ist dazu geeignet, das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger zu beeinflussen und eröffnet Missbrauch, der leider nicht immer zu verhindern ist, ein weites Betätigungsfeld.
Intelligente Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten ohne automatisierte Gesichtserkennung kann eine sinnvolle Maßnahme zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sein. Auch der Einsatz von Software, mit der bestimmte Gefahrensituationen automatisch erkannt werden oder bei der Polizeivollzugsbeamte im Einzelfall über ein Einschreiten oder eine Aufzeichnung entscheiden, kann sinnvoll sein. Eine Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung lehne ich jedoch ab.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten.
Mit besten Grüßen
Hartmut Ebbing