Frage an Hartfrid Wolff von Frieder C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Wolff,
Sie unterstützen die Forderung, dass man von Vollzeitarbeit leben können muss.
Würden Sie dazu auch in Ihrer Partei dafür eintreten, dass Arbeit mit mehr Regulierungen geschützt werden muss und in Hartz IV nicht mehr jede Arbeit bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit zumutbar ist?
Bei Regulierungen denke ich nicht nur an den ungezügelten Wildwuchs von Leiharbeit oder Werkverträgen sondern auch daran, dass unsere Märkte überschwemmt werden mit Billigprodukten mit Kinderarbeit und zunehmend mit Produkten, für die keine Ersatzteile geliefert werden. Viele versierte Reparaturbetriebe haben deshalb schon aufgegeben. Meine Werkstatt für Rasenmäher und landwirtschaftliche Geräte etwa hat kaum noch Reparaturaufträge, die Baumarktgeräte müssen schon bei kleinen Defekten auf den Müll geworfen werden. Das ist auch ein ökologischer Offenbarungseid, dem etwa mit einer hohen Umweltabgabe oder einem Strafzoll begegnet werden könnte.
Hartz IV hat zudem die Augenhöhe bei der Lohnaushandlung beseitigt. Viele Firmen wissen, dass diese Arbeitslosen auch Dumpinglöhne annehmen müssen, was die Lohnspirale nach unten sehr beschleunigt hat. Ich könnte Ihnen hier drastische Beispiele nennen, vom Reinigungsgewerbe bis hin zu kirchlichen Pflegediensten, wo die Beschäftigten trotz Arbeit hilfebedürftig bleiben. Könnten Sie eine reduzierte Zumutbarkeit von Arbeit unterstützen, von der man auch leben können muss?
Freundliche Grüße
Frieder Claus
Sehr geehrter Herr Claus,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch vom 09. September 2013.
Der Großteil der Menschen, die ein geringes Einkommen haben, arbeitet nur Teilzeit oder hat eine größere Familie zu versorgen. Wir haben Familien mit Kindern durch ein höheres Kindergeld und höhere Freibeträge entlastet und damit dafür gesorgt, dass mehr Familien als bisher die Grenze der Hilfebedürftigkeit des SGB II überwinden. Allein durch das erhöhte Kindergeld werden ca. 35.000 Familien unabhängig von SGB-II-Leistungen. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten Familien mit geringen Einkommen weitere Unterstützung, um ihren Kindern gleiche Beteiligungsmöglichkeiten an Klassenfahrten, Sport- oder Musikunterricht zu ermöglichen.
Die Zahl der in Vollzeit Arbeitenden, die allein leben, und deren Gehalt zusätzlich durch sog. Hartz-IV-Leistungen aufgestockt müssen, ist immer noch sehr gering. Sie liegt bei 80.000. Gleichwohl gilt: Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala. Wir haben in Branchen mit über 2 Millionen Beschäftigten die von den Tarifpartnern ausgehandelten Löhne allgemeinverbindlich erklärt und damit Lohnuntergrenzen in diesen Branchen neu eingeführt. Wir wollen die Voraussetzungen für weitere Lohnuntergrenzen – Branche für Branche und im Einklang mit der Tarifautonomie – schaffen und bestehende Mindestlohnregelungen verbessern für mehr Leistungsgerechtigkeit auch für Geringverdiener. Reicht das das Einkommen trotz allem nicht aus, weil nur Teilzeit gearbeitet werden kann oder eine große Familie versorgt werden muss, greift unterstützend das Bürgergeld der FDP. Es ist und bleibt langfristig die richtige Idee. Das Bürgergeld stellt ein unbürokratisches Mindesteinkommen für alle sicher und erlaubt großzügigere eigene Hinzuverdienste als das bestehende Grundsicherungssystem und ist daher fairer, weil es eigene Anstrengungen stärker honoriert.
Zu den Themen Werkverträge und Zeitarbeit:
Werkverträge sind ein zentrales Element unserer arbeitsteiligen Gesellschaft. Es gehört zur unternehmerischen Freiheit zu entscheiden, ob eine Leistung selbst oder durch die Beauftragung von Dritten erbracht werden soll. Einer missbräuchlichen Verwendung von Werkverträgen treten wir entschieden entgegen. In Fällen, in denen Werkverträge als Scheinwerkverträge zur Verdeckung von Arbeitsverhältnissen verwendet werden, müssen die bestehenden Sanktions- und Schutzmöglichkeiten besser genutzt werden, um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.
Zeitarbeit ist ein wichtiges Instrument der Kapazitätsanpassung und ermöglicht es Unternehmen, bei unsicherer Auftragslage kurzfristig zu reagieren. Die Zeitarbeitsbranche hat in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zum Beschäftigungsaufbau geleistet. Viele Zeitarbeitskräfte werden später vom Entleiher übernommen und finden dort eine Festanstellung („Klebeeffekt“). Die FDP will Zeitarbeit als flexibles Instrument am Arbeitsmarkt und Beschäftigungsmotor erhalten. Deshalb treten wir Missbrauch in der Zeitarbeit entschieden entgegen. Arbeitnehmer zu entlassen, um sie – wie im Falle Schlecker – zu niedrigeren Löhnen als Zeitarbeitskräfte weiter zu beschäftigen, ist nicht mehr möglich. Wir haben erreicht, dass die Tarifpartner branchendifferenzierte Lösungen erarbeitet haben, um die Entgelte von Zeitarbeitnehmern stufenweise an die der Stammbelegschaft heranzuführen (Equal pay). Eine gesetzliche Regelung könnte dies nicht leisten. Ein zwingendes Equal Pay ab dem ersten Tag lehnt die FDP ab. Damit würden gerade Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen wichtige Chancen auf dem Arbeitsmarkt genommen. Mit der Einführung einer Lohngrenze in der Zeitarbeit haben wir ein Anliegen der Branche aufgegriffen, um Lohndumping zu verhindern. Die Höhe der Lohnuntergrenze haben die Tarifpartner der Zeitarbeitsbranche bestimmt. Sie liegt derzeit bei 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten. Die christlich-liberale Koalition hat Zeitarbeit als flexibles Arbeitsmarktinstrument gestärkt, Auswüchse, die noch aus rot-grüner Zeit stammten, beseitigt. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Hartfrid Wolff