Frage an Hartfrid Wolff von Andreas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wolff,
mit Entsetzen habe ich die kürzlich verabschiedete Änderung des Meldegesetzes zur Kenntnis nehmen müssen. Sie sieht vor, dass Meldeämter persönliche Daten an Dritte verkaufen(!) dürfen. Dagegen muss der Bürger zunächst einmal aktiv Widerspruch einlegen, was an sich schon kritikwürdig ist. Dass dieses Widerspruchsrecht allerdings gleich im nächsten Satz wieder ausgehebelt wird, indem die Meldeämter auch trotz Widerspruch Daten korrigieren oder bestätigen dürfen, was wohl in den meisten Fällen der Fall sein wird!
Auf http://www.fdp-fraktion.de ist zu lesen: "Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz. Datenschutz schützt die Freiheit des Einzelnen. Im Zeitalter der Informationsgesellschaft muss Datenschutz neu gedacht werden. Mehr Mut für ein modernes und technikfestes Datenschutzrecht, ein stärkeres Bekenntnis zum Schutz personenbezogener Daten und eine Kultur des Selbstdatenschutzes sind dabei die zentralen Begriffe."
Ist der Verkauf von persönlichen Daten durch staatliche Stellen an private Unternehmen ein Schutz der Freiheit des Einzelnen? Offenbar scheinen in ihrer Partei Theorie und Praxis oftmals weit auseinander zu liegen. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Sind Sie erneut vor Lobbyinteressen eingeknickt? Ich möchte mich nicht schon wieder für meine Stimme an Sie direkt und an Ihre Partei 2009 schämen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Gehrmann
Sehr geehrter Herr Gehrmann,
gerne antworte ich auf Ihr Schreiben zum neuen Bundesmeldegesetz vom 06. Juli 2012.
Bei der Föderalismusreform wurde vereinbart, das Meldewesen in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes zu überführen. Mit der Schaffung des Bundesmeldegesetzes wird nunmehr von der neu geschaffenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes Gebrauch gemacht.
Ziel des Gesetzgebungsverfahrens war es, das geltende Recht zu vereinheitlichen und in Bundesrecht zu überführen. Das neue Melderecht bildet daher das geltende Recht aus den derzeit bestehenden Landesmeldegesetzen ab. Unberührt bleibt zudem die Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes, welches selbstverständlich nach wie vor auf die Datenverarbeitung in den Meldebehörden umfassend Anwendung findet.
Für die FDP-Fraktion war dabei wichtig, dass mit dem neuen Recht kein zentrales Melderegister geschaffen wird, wie es in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen worden war, sondern es weiter bei der dezentralen Speicherung in den zuständigen Meldebehörden bleibt.
Das neue Bundesmeldegesetz ändert auch an den Möglichkeiten, Daten bei Meldebehörden abzufragen, grundsätzlich nichts.
Allerdings wird im über das geltende Recht hinaus der Datenschutz verbessert. Denn künftig muss bei Melderegisterauskünften zum Zwecke von Werbung oder Adresshandel der Zweck angegeben werden. Die Daten dürfen dann nur zu diesem Zweck verwendet werden, eine Zweckentfremdung ist bußgeldbewehrt.
Jeder Bürger muss bei der Anmeldung von seinem zuständigen Meldeamt darauf hingewiesen werden, dass er dieser Weitergabe – auch mit Wirkung für die Zukunft – widersprechen kann. Ein Widerspruch ist jedoch jederzeit, also auch nach der Anmeldung noch möglich. Eine solche Widerspruchsmöglichkeit bestand bislang nur für Parteienwerbung. Die neue Regelung im Bundesmeldegesetz erweitert die Möglichkeit jedes Einzelnen, Herr seiner Daten zu bleiben.
Die Nutzung der so erlangten Daten unterliegt im Übrigen selbstverständlich weiterhin dem Bundesdatenschutzgesetz. Damit besteht nach den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes ein Anspruch des Betroffenen, gegenüber einem Unternehmen Auskunft, Berichtigung und Löschung seiner Daten zu verlangen.
Das neue Melderecht ist kein Freibrief für Datenhandel oder Werbung. Vielmehr bietet es ein Plus an Transparenz und Datenschutz im Vergleich zum geltenden Recht. Die Rechtslage wird im Gegenteil dahingehend verbessert, dass ein zusätzliches Widerspruchsrecht eingeführt wird, das die Weitergabe von Melderegisterdaten einschränkt.
Allerdings hat der öffentliche Protest dazu geführt, dass alle Fraktionen im Deutschen Bundestag für eine noch restriktivere Regelung aufgeschlossen sind. Als traditionell dem Datenschutz verpflichtete Partei setzt sich die FDP selbstverständlich dafür ein.
Mit freundlichen Grüßen
Hartfrid Wolff