Frage an Harald Petzold von Dagmar S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Petzold,
zu
http://www.abgeordnetenwatch.de/harald_petzold-778-78384--f434556.html#q434556
Die Anwältin haftet also nur, wenn im Nachfolgenden der Mandant beweisen kann, dass in der vereinbarten Berufung ein besseres Ergebnis erzielt worden wäre.
Wenn die Anwältin – wie in dem Beispiel geschildert – die Frist zur Einlegung einer vereinbarten Berufung versäumt hat und nach erfolgloser Einschaltung ihrer Berufshaftpflichtversicherung eine Entschädigung ihres Mandanten vermeiden will: Darf sie dann tatsächlich ihre Rechtsauffassung wie Andere ein Hemd wechseln?
Wenn sie dies tut: Wäre das nicht ein Eingeständnis dafür, dass sie ihrem Mandanten die Berufung nicht empfehlen durfte?
Käme hier also eine weitere Pflichtverletzung hinzu?
Werden nach Ihrer Einschätzung Lobbyisten dafür sorgen, dass es weiterhin für Mandanten fast immer unmöglich ist, eine Entschädigung zu erhalten?
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Sievertsen
Sehr geehrte Frau Sievertsen,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zunächst einmal möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das Thema Anwaltshaftung in der Rechtsprechung sehr gut aufgestellt und derzeit sehr mandanten-/auftraggeberfreundlich ist. So macht der Bundesgerichtshof Anwälte sogar für Fehlentscheidungen der Gerichte haftbar. Insofern teile ich nicht Ihre Skepsis, was die Erfolgschancen von Mandanten auf gerechtfertigte Entschädigung betrifft.
Wenn ich Sie allerdings richtig verstanden habe, fordern Sie eine sogenannte Gefährdungshaftung – also eine generelle Haftung des Anwalts (und damit seiner Haftpflichtversicherung) bei einem Anwaltsfehler unabhängig davon, ob dieser Fehler ursächlich für den Verlust des Rechtsstreits gewesen ist oder nicht – nicht befürworten kann. Eine solche Haftung kann ich allerdings nicht befürworten. Denn dies würde zu dem kuriosen und ungerechten Ergebnis führen, dass bei einem Prozess, der eigentlich verloren ginge, weil z.B. der geltend gemachte Anspruch gar nicht besteht, derjenige, dessen Anwalt Fehler macht, von diesem bzw. dessen Haftpflichtversicherung etwas bekommen würde, was ihm gar nicht zusteht, während derjenige, dessen Anwalt alles richtig gemacht hat, leer ausgeht. Es bestünde dann sogar ein Anreiz, sich besonders schlechte oder unorganisierte Anwälte auszusuchen.
Auch wenn der Umstand, dass in einem Haftungsprozess der nun auf der anderen Seite stehende – ehemals eigene - Anwalt über Informationen verfügt, die er erst durch den Betroffenen erhalten hat, nicht ganz befriedigend ist, muss dies doch so hingenommen werden, weil die alternative Regelung, die Einführung einer Gefährdungshaftung, zu neuen, viel schwergewichtigeren Ungerechtigkeiten führen würde. Ich denke, dass Sie dies nachvollziehen können.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Petzold, MdB