Frage an Harald Petzold von Jens T. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Harald Petzold,
In letzter Zeit geraten die deutschen Soldaten in Afghanistan immer mehr in das Fadenkreuz der Taliban. Ich stelle mir daher die Frage, wie das weitergehen soll. Haben Sie eine konkrete Vorstellung wie in den nächsten Jahren, die aller Voraussicht nach noch brutaler werden, weiter in Afghanistan vorgegangen werden soll? Gibt es einen konkreten Plan, wann die Truppen abgezogen werden sollen? Haben Sie eine konkrete Begründung warum man weiterhin eine korrupte afghanische Regierung stützen soll, die zu dem auch noch Wahlfälschung bei der Präsidentenwahl im August betrieben hat? Wie will man den Menschen jetzt, nachdem man es in den letzten Jahren versäumt hatte ihnen eine Perspektive zum Drogenanbau zu geben, die Zukunft sichern? Sicher nicht in dem man weiterhin nur mit Waffen vor ihnen Patrouille läuft, sondern durch massive Aufbaumaßnahmen, im zivilen Bereich.
Ich bedanke mich im Voraus für eine Antwort.
Jens Töllner
Sehr geehrter Herr Töllner,
vielen Dank für Ihre Anfrage an mich über Abgeordnetenwatch.
Ich teile Ihre Sorge um die aktuelle und künftige Entwicklung. Meine Vorstellungen, die sich mit der grundsätzlichen Position der LINKEN in dieser Frage deckt, ist, dass die Bundeswehr (und die NATO) aus Afghanistan abgezogen werden muss. Damit kann sofort begonnen werden. Der Krieg hat zu einer stetigen Verschärfung der Situation geführt. Je länger er fortgesetzt wird, um so weiter wird sich die Spirale der Gewalt drehen - das furchtbare Ereignis um die beiden entführten und dann bombardierten Tankwagen beweist die aus meiner Sicht anschaulich. Deshalb und um überhaupt die Möglichkeit für Alternativen schaffen zu können, muss der Krieg beendet werden. Der Truppenabzug wäre eine dafür notwendige Vorleistung. Der von den Taliban geführte Kampf gegen die `Besatzer´ führt angesichts der zivilen Opfer dieses Krieges zu einer Solidarisierung großer Teile der Bevölkerung mit ihnen. Dieser Solidarisierung muss die Grundlage genommen werden. Deshalb trete ich gleichzeitig zum Truppenabzug dafür ein, dass zivile Hilfsorganisationen, die inzwischen ebenso wie wir überwiegend den Truppeneinsatz ablehnen, sehr viel stärker dabei unterstützt werden, Infrastruktur und zivilgesellschaftliche Strukturen aufzubauen bzw. diesbezüglichen Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort Unterstützung zu geben. Nur durch ein funktionierendes öffentliches Leben kann den Taliban die Grundlage ihres zerstörerischen Handelns und vor allem der Unterstützung aus großen Teilen der Bevölkerung genommen werden.
Die Linke. unterstützt die Karsai-Regierung nicht. Die afghanische Bevölkerung muss - auch hier wieder mit großer ziviler Unterstützung - in die Lage versetzt werden, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Dazu muss sie aus ihrer Mitte Persönlichkeiten auswählen können, die nicht in den Krieg, den Drogenhandel oder in Korruption verwickelt sind und zu denen auch Vertrauen entwickelt werden kann. Nur wenn eine solche Entwicklung durch selbstbestimmte Entscheidungen aus der Bevölkerung heraus in Gang kommt, wird sie nachhaltig sein und von einer breiten Mehrheit getragen werden. Die NATO- bzw. EU-Länder können eine solche Entwicklung finanziell sowie durch Bildungs- und Qualifizierungsangebote unterstützen.
Ich hoffe, dass ich damit Ihre Fragen beantworten konnte, wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe
mit besten Grüßen
Harald Petzold